Müllwerker wünscht sich mehr Dankbarkeit: „Das Geld reicht nicht zum Leben“

Beim Warnstreik von Verdi erzählt Jörg von unverschämten Auto- und Fahrradfahrern, was er so im Müll entdeckt und warum die Corona-Zeit für ihn schön war.

Müllwerker Jörg M. fordert gemeinsam mit anderen Beschäftigten höhere Löhne. Der Müll bleibt so lange liegen.
Müllwerker Jörg M. fordert gemeinsam mit anderen Beschäftigten höhere Löhne. Der Müll bleibt so lange liegen.Maria Häußler

Der Müll bleibt seit Montag in den Tonnen liegen. Die Menschenmenge vor einem Demonstrationswagen in Tempelhof wankt im Takt der Musik und ihre Banner schlagen Wellen im Wind. Am Eingang zum BSR-Gelände wärmen Menschen sich an zwei Feuertonnen auf und essen Würstchen. Sobald die Reden beginnen, jubeln sie laut und blasen in ihre Trillerpfeifen.

Vor dem Hauptverwaltungsgebäude der BSR in der Ringbahnstraße haben sich an diesem Dienstag Beschäftigte des öffentlichen Dienstes zum Streik versammelt. Verdi hatte nach einer ergebnislosen Tarifrunde für die Beschäftigten bei Bund und Kommunen zu dem Warnstreik aufgerufen. Die Gewerkschaft fordert eine Lohnerhöhung um 10,5 Prozent, mindestens 500 Euro mehr Lohn für alle Beschäftigten und 200 Euro mehr Lohn für Auszubildende. Die Arbeitgeber hatten bisher zwei Inflationsausgleichszahlungen, eine Lohnerhöhung um drei Prozent ab Oktober 2023 und eine weitere um zwei Prozent ab Juni 2024 angeboten.

Zehn Kilometer Fußstrecke am Tag

Das reicht den Menschen hier nicht, gerade angesichts der Inflation. Hinter einem großen Banner mit der Aufschrift „Wir sind streikbereit“ steht eine Gruppe Müllmänner. Die Beschäftigten der BSR sind an ihren orangefarbenen Jacken und Mützen zu erkennen. Sie rauchen und scherzen viel, einer von ihnen stimmt den Beiträgen der Rednerinnen lautstark zu und reckt die Faust mit einer zusammengefalteten Verdi-Flagge in die Luft. Auf ein Interview angesprochen, deuten die Kollegen aber alle auf einen eher stillen Teilnehmer neben ihm, der mit einem Lächeln zustimmt.

Jörg M. hat Spaß an seiner Arbeit. „Jeder Tag ist anders“, sagt der 36-Jährige Müllwerker. „Obwohl wir immer die gleichen Strecken fahren und jeden Tag nur Müll holen.“, erzählt er fröhlich. Bei den Fahrten müssen die Müllwerker, die die Tonnen verladen, auch „Sichtproben“ machen. Von weggeworfenen Fotos bis hin zu „irgendwelchen komischen Spielzeugen“ habe er schon jede Menge Kuriositäten im Müll entdeckt, sagt Jörg und lacht. Bei der Arbeit gehe er durchschnittlich zehn Kilometer am Tag. Das macht er gerne. „Das Geld reicht aber nicht zum Leben. Sonst würden wir ja nicht hier stehen.“

Das Müllholen liegt in der Familie

Vor drei Jahren hat Jörg M. angefangen als Müllwerker zu arbeiten, davor sei er selbstständig auf Dächern unterwegs gewesen. Ihm fehlte schließlich die Sicherheit, die ein Angestelltenverhältnis mit sich bringt. Er beschloss deshalb, in die Fußstapfen seines Vaters und Bruders zu treten, die schon lange bei der BSR arbeiten. Trotz der familiären Verbindungen sei es keineswegs sicher gewesen, dass er auch eingestellt würde, sagt Jörg. Eine Ausbildung nachholen musste er als Müllwerker nicht, das sei nur eine Möglichkeit, wenn man Fahrer werden will.

Ein alltägliches Problem sei der Verkehr. Fahrradfahrer fahren die Müllwerker fast um, Autofahrer hupen und fahren dicht und zu schnell vorbei. „Wir haben eine Arbeitslampe an, das bedeutet, zehn Kilometer pro Stunde sind erlaubt“, sagt Jörg. Das wüssten die wenigsten oder respektieren es nicht, meint er. „Wir haben alle Familie oder sind zumindest Kinder unserer Eltern“, sagt er. „Wenn mich ein Autofahrer umkachelt, dann haben die nichts mehr von mir.“

Jörg wünscht sich mehr Verständnis und Dankbarkeit dafür, dass er den Müll der Leute wegräumt. Die Corona-Zeit sei in dieser Hinsicht eine „schöne Zeit“ gewesen. „Da hat man auch mal ein Dankeschön bekommen.“