Mieten-Bündnis: Immer mehr Absagen für Franziska Giffey

Nach Unterzeichnung der Vereinbarung für bezahlbares Wohnen hoffte die Berliner Senatschefin auf weitere Unterstützer. Doch die bleiben aus.

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) bei der Präsentation des Bündnisses für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen am 20. Juni im Roten Rathaus
Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) bei der Präsentation des Bündnisses für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen am 20. Juni im Roten Rathauspicture alliance/dpa

Rückschlag für Franziska Giffey (SPD) und ihr Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen. Bei der feierlichen Bündnis-Unterzeichnung vor drei Wochen im Roten Rathaus sprach die Regierende Bürgermeisterin noch die Hoffnung aus, dass sich die Zahl der Unterstützer im Laufe der Zeit vergrößern werde. Doch in den Wochen danach kassierte sie erst mal empfindliche Absagen.

Nachdem der Berliner Mieterverein und der wirtschaftsnahe Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) von vornherein nicht dabei sein wollten, lehnten inzwischen auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und der Eigentümerverband Haus & Grund eine Unterschrift unter die Vereinbarung ab. Das schwedische Unternehmen Heimstaden, einer der wenigen privaten Akteure, befindet sich nach eigenen Angaben noch im „Klärungsprozess“.

„Die Verunsicherung der privaten Eigentümerinnen und Eigentümer ist weiterhin sehr groß“, beschreibt Carsten Brückner, Landesvorsitzender des Eigentümerverbandes Haus & Grund, die Stimmung der eher kleinen Vermieter. „Im Zusammenhang mit der Diskussion um den Berliner Wohnungsmarkt im Allgemeinen und um das Bündnis im Besonderen fehlt uns die klare Aussage der Regierungsparteien, dass es keine Enteignungen von privatem Immobilieneigentum in Berlin geben wird“, so Brückner. Vielmehr unterstützten SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Linke die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“.

Haus & Grund macht inhaltliche Bedenken geltend

Brückner verweist außerdem auf inhaltliche Bedenken am Bündnistext. So lehne sein Verband „die Einrichtung einer zentralen staatlichen Überwachungsstelle für die Miethöhe“ ab, die laut Bündnistext vom Land Berlin mit einer Bundesratsinitiative unterstützt werden soll. Außerdem sei Haus & Grund gegen die vorgesehene Einrichtung von Mieterberatungsstellen durch die Berliner Bezirke.

Mehr noch: „Die vermietenden Eigentümerinnen und Eigentümer fühlen sich durch Formulierungen im Bündnistext unter Generalverdacht gestellt“, erklärt Brückner. „Das gilt für die Regelungen des diskriminierungsfreien Handelns und der Transparenz von Betriebskosten.“ Zu den Betriebskosten steht in der Bündnisvereinbarung, dass sich die Bündnispartner zu „hoher Transparenz“ verpflichten, „um die Identifizierung von Kostentreibern zu ermöglichen“. Die Höhe der Betriebskosten und deren Nachvollziehbarkeit obliege aber „den Versorgern, Dienstleistern und dem Land Berlin, Vermieter haben in der Regel keine Kenntnis über das Verbrauchsverhalten der Mieter und können dies auch nicht beim Mieter ermitteln“, argumentiert Brückner.

Haus & Grund geht zudem die Festlegung zu weit, dass Mieterhöhungen nicht durchgeführt werden sollen, wenn diese zu Haushaltsbelastungen von mehr als 30 Prozent des jährlichen Haushaltsnettoeinkommens führen. „Die Orientierung bei Mieterhöhungen im laufenden Mietverhältnis am Mieterhaushaltseinkommen lässt das Interesse des Vermieters an der Notwendigkeit der auskömmlichen Bewirtschaftung der Mietsache außer Acht“, so Brückner. Der Vermieter müsse im laufenden Mietverhältnis den vertragsgemäßen Zustand der Mietsache erhalten und Mängel an der Mietsache beseitigen. Vermieter von kleinen Wohnungsbeständen hätten „keine Möglichkeit der Querfinanzierung, wie es Wohnungsunternehmen haben“.

Heimstaden befindet sich noch im Klärungsprozess

Die Formulierung, dass Vermieter bei der Wohnungsvergabe möglichst darauf verzichten sollen, von Wohnungsbewerbern Bonitätsauskünfte von privatwirtschaftlichen Auskunfteien zu verlangen, stößt ebenfalls auf Kritik bei Haus & Grund. Dass nur noch – wie im Bündnistext vorgesehen – eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung verlangt werden soll,  sei nicht möglich, da die Datenschutzkonferenz aus Gründen des Datenschutzes die Anforderung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für unzulässig erachte.

Während Haus & Grund die Unterschrift unter das Bündnis definitiv ablehnt, bittet das schwedische Unternehmen Heimstaden, um Geduld. „Heimstaden unterstützt das Berliner Wohnungsbündnis und wird den für das Unternehmen möglichen Beitrag zur Erreichung der Bündnis-Ziele leisten“, erklärte ein Sprecher auf Anfrage. Heimstaden habe nicht zu den Erstunterzeichnern der Bündnisvereinbarung gehört, „da die Klärung einzelner Details und interne Genehmigungen noch nicht vollständig vorlagen“, so der Sprecher. „Dieser Klärungsprozess ist gegenwärtig noch nicht abgeschlossen.“ Auf die Frage, wie lange Heimstaden noch brauche, um über die Unterzeichnung zu entscheiden, sagte ein Sprecher am Montag: „Einen konkreten Zeithorizont zu unseren internen Abstimmungen kann ich Ihnen nicht nennen, da ich ihn auch selbst noch schwer abschätzen kann. Natürlich wollen wir Frau Giffey und den Berliner Senat nicht zu lange warten lassen, aber Genauigkeit geht für uns hier vor Schnelligkeit.“

Dem Deutschen Gewerkschaftsbund geht die Bündnisvereinbarung unterdessen nicht weit genug. So werde zwar am Neubau von jährlich 20.000 Wohnungen für Berlin festgehalten, doch habe nicht geklärt werden können, wie mindestens die Hälfte der Neubauten für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen bezahlbar gemacht werden soll, kritisiert der DGB in einer Erklärung. Unklar sei zudem, wer die 5000 Sozialwohnungen jährlich bauen solle „und welchen Anteil hieran die private Immobilienwirtschaft“ habe. Diese Fragen seien zu klären, so der DGB, „damit nicht am Bedarf vorbei gebaut wird“.

DGB vermisst Verständigung zu angemessener Bezahlung der Beschäftigten

Bundesweit setze sich der DGB zudem in einem Bündnis für einen verbindlichen Mietenstopp ein. Im Berliner Bündnis fürs Wohnen habe sich die Wohnungswirtschaft jedoch nur zu Vereinbarungen bewegen lassen, „die vor allem Härtefälle betreffen, oder die Empfehlungscharakter haben“. Damit sei „der breiten Mieterschaft zu wenig geholfen“. Außerdem finde die angemessene Bezahlung für gute Arbeit in dem Bündnispapier keine Berücksichtigung. Der DGB wolle einen Konsens aller Beteiligten erreichen, „dass tariflich bezahlte, sozial abgesicherte Arbeit mit fairen Bedingungen für alle Beschäftigten zum Standard“ werde.

Dem Berliner Mieterverein (BMV) gingen die erzielten Ergebnisse des Bündnisses ebenfalls nicht weit genug. Der BMV bemängelte unter anderem,  dass in der Vereinbarung „jedwede Zusage der Immobilienwirtschaft für eine verbesserte Mietpreisbremse bei Wiedervermietung, für einen geringeren Mietenanstieg nach Modernisierung und für eine Begrenzung der Heizkosten bei energetisch schlechten Wohngebäuden“ fehle. Der Zentrale Immobilien Ausschuss, der Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, machte geltend, „nicht vorbehaltlos alle Punkte mittragen“ zu können. Zum Beispiel, dass Haushalte nach einer Mieterhöhung nicht mehr als 30 Prozent des jährlichen Haushaltsnettoeinkommens für die Miete zahlen sollten.

Die Regierende Bürgermeisterin zeigt sich trotz Absagen zufrieden. „Es haben 18 Partnerinnen und Partner eine Bündnisvereinbarung unterschrieben, die rund eine Million von rund 1,6 Millionen Mietwohnungen in Berlin repräsentieren“, sagt sie. „Jetzt geht es an die Umsetzung der ambitionierten Ziele für mehr Mieterschutz und Neubau, die wir gemeinsam vereinbart haben. Ich konzentriere mich auf diejenigen, die gemeinsam mit uns diesen wichtigen Weg gehen wollen, und freue mich darüber, wenn in den kommenden Monaten weitere hinzukommen.“