Berliner Mutter fragt sich: Wo ist Platz für Alleinerziehende in dieser Gesellschaft?
Mein dreijähriger Sohn und ich sind gerade aus dem ersten gemeinsamen Auslandsurlaub zurück. Unser Reise-Budget war knapp, wie bei den meisten Alleinerziehenden auch. Darum ging es nach Polen, zum Rainbow Gathering – einem Regenbogen-Treffen. Bei diesen Treffen lebt man zwischen Naturliebhabern und Hippies ein Stück außerhalb der Zivilisation in Zelten, wäscht sich im Fluss und kocht in einer selbst gebauten Küche im Wald.
Ich dachte, für meinen Sohn wäre das die perfekte Gelegenheit, um die Natur besser kennenzulernen. Ich selbst sehnte mich nach einer unterstützenden Gemeinschaft, nach Austausch und Ruhe.
„Organisiert euch! Fragt die Menschen, ob sie eure Kinder hüten.“
Nicht bedacht hatte ich, dass mein Sohn durch die völlig neue Umgebung, die andere Sprache und den komplett neuen Alltag in den ersten sechs von insgesamt acht Tagen an mir kleben würde. Mein 1,60-Meter-Körper trug seinen 18-Kilo-Körper also durch die Tage, zu den Mahlzeiten ließ ich ihn auf meinem Schoß sitzen. Die wenigen Augenblicke, die sich nach Urlaub anfühlten – etwa das Baden im Fluss –, konnten den Eingewöhnungs-Stress für mich nicht wettmachen.
Es gab Momente, in denen ich mir wünschte, dieses Abenteuer als Familie erleben zu dürfen, auch mal sagen zu können: „Hier, Schatz, du übernimmst jetzt das Kind, und ich gehe zu einem Workshop.“ Workshops gab es dort nämlich viele. Ein Mann wollte sein Wissen über Neuro-Linguistisches Programmieren teilen, eine Frau rief zum gemeinsamen Meditieren auf. Ich konnte nie teilnehmen, weil es keine Betreuung für mein Kind gab. Ein Mann sagte zu einer anderen Alleinerziehenden und mir: „Organisiert euch! Fragt die Menschen, ob sie eure Kinder hüten.“ In den Augen der anderen Frau sah ich Erschöpfung. Und die sah sie in meinen Augen auch.
Mindestunterhalt erkämpfen, Freundschaften verlieren
Ich hatte selbst in dieser kleinen Gemeinschaft nicht die Kraft, meine Stimme laut zu machen und immer wieder um Hilfe zu bitten. So geht es den meisten Alleinerziehenden in Deutschland. Sie haben keine Kraft übrig, um für eine Veränderung ihrer Situation zu kämpfen, weil sie in ihrem Alltag bereits ständig Probleme lösen müssen.
Ich kenne das Problem, für das Wohl meines Kindes eine gute Beziehung zum Kindsvater erhalten zu wollen und mir gleichzeitig von ihm den Mindestunterhalt erkämpfen zu müssen. Ich habe auch erfahren, wie es ist, Freundschaften zu verlieren, weil Alleinerziehende kaum noch ausgehen können.
Der Platz für Alleinerziehende
Ich merke immer wieder, dass Menschen sich wundern, wie ich bei einem Arbeitspensum von 24 Stunden in der Woche bitte erschöpft sein kann. Die viele Zeit und Kraft, die ich in die Erziehung meines Kindes investiere, damit es zu einem wertvollen Mitglied unserer Gesellschaft heranwachsen kann, wird nicht gewürdigt – und bezahlt schon gar nicht. Als einziges Dankeschön droht mir die Altersarmut. Sollte ich doch lieber in Vollzeit arbeiten und mein Kind noch länger in der überfüllten Kita mit den überlasteten Erziehern lassen? Alleinerziehende leben in einem Dilemma.
In unserer Gesellschaft habe ich als Alleinerziehende noch keinen dankbaren Platz gefunden. Ich möchte sagen: Es gibt ihn nicht.
Der normale Erschöpfungszustand
Es gibt aber viele Ideen, einen solchen Platz zu schaffen. Zum Beispiel: kostenlose Haushaltshilfen, größere Steuererleichterungen für Alleinerziehende, bessere Betreuungsmöglichkeiten, Wertschätzung von Erziehungsleistungen.
Was es braucht, ist genügend Kraft, um solche Vorschläge mit Druck in die Politik zu tragen. Aber woher sollen Alleinerziehende diese Kraft nehmen? Die müssen sich nämlich erstmal vom Sommerurlaub erholen – zurück in den normalen Erschöpfungszustand.