Ohne Strom- und Wasseranschluss: Das sind Berlins Parktoiletten aus der Zukunft

Es war eine ungewöhnliche Pressekonferenz im Stadtpark Steglitz: Im Mittelpunkt stand ein hochmodernes Toilettenhäuschen – vielleicht sitzen Sie bald drauf?

Der Innenraum der Parktoilette von Finizio – unisex und barrierefrei. Der Toilettensitz ist rollstuhlgerecht, die schwarze Wandvertäfelung und die Metallleisten in den Ecken dienen der räumlichen Orientierung.
Der Innenraum der Parktoilette von Finizio – unisex und barrierefrei. Der Toilettensitz ist rollstuhlgerecht, die schwarze Wandvertäfelung und die Metallleisten in den Ecken dienen der räumlichen Orientierung.Antonia Luz Valencia/Berliner Zeitung

Mildes Frühlingswetter, Vogelzwitschern, blühende Bäume – der Stadtpark Steglitz zeigt sich an diesem Vormittag von seiner schönsten Seite. Es ist die perfekte Hintergrundkulisse für die Attraktion: das neue Toilettenhäuschen „Libre“ der Firma Finizio.

Umringt von amüsierten Konferenzteilnehmern wird es begutachtet und fotografiert. Und schon optisch hebt es sich deutlich ab von den üblichen öffentlichen WCs. Aus hellem Holz gebaut, erinnert die Toilette von außen eher an eine Sauna. Auf dem Dach dreht sich ein kleiner schwarzer Propeller, vom Wind angetrieben; er dient der Lüftung. Futuristisch wirkt das Ganze, und tatsächlich ist es das auch.

„Öffentliche Toilettenproben lassen wir mal“, meint der Staatssekretär Markus Kamrad scherzend, bevor er die Konferenz eröffnet. Er betont, Toiletten seien ein wichtiger Teil der öffentlichen Infrastruktur. Diese kostenlose Parktoilette sei ein „weiterer Baustein innerhalb des Berliner Toilettenprojekts“.

In den nächsten Tagen werden in Berlin schrittweise 24 sogenannte „autarke Toiletten“ in Parks und Grünanlagen aufgestellt, zwei in jedem der zwölf Bezirke. Bis Mitte Mai sollen sie alle einsetzbar sein. Autark bedeutet in diesem Fall, dass sie ohne Wasser- und Stromnetzanschluss funktionieren. Dadurch können sie binnen kurzer Zeit in jeder Grünanlage Berlins aufgestellt werden. Die Lösung: Solartechnik und Speicherung der Hinterlassenschaften in Tanks unter dem Toilettenboden. Geruchsvermeidung geschieht durch die Trennung von fest und flüssig, ein Lüftungssystem sowie das Einstreuen von Strohmehl.

In jedem Bezirk wird je ein Modell der Firmen Finizio und EcoToiletten in einem Pilotprojekt vergleichend getestet. Die beiden Toilettensysteme sind aus umweltverträglichen Materialien gebaut, barrierefrei, resistent gegen Vandalismus und gendergerecht. Nicht nur sind die Toiletten für alle Geschlechter zugänglich, Unisex- Urinale gibt es auch. „Sie sind das Inklusivste, was wir erdenken konnten“, sagt Florian Augustin, der Geschäftsführer von Finizio. Nach einem Jahr müsse evaluiert werden, welches Modell vorteilhafter ist, sagt Kamrad.

Das neue Toilettenhaus von Finizio im Stadtpark Steglitz. Durch das Dach dringt Tageslicht nach innen.
Das neue Toilettenhaus von Finizio im Stadtpark Steglitz. Durch das Dach dringt Tageslicht nach innen.

Insbesondere in Steglitz-Zehlendorf gibt es laut Kamrad viele Grün- und Parkanlagen. Die zweite Parktoilette in Steglitz soll am Lauenburger Platz errichtet werden. An dem Teich und Spielplatz dort halten sich oft viele Menschen auf. Vor allem für Senioren seien die Toilettenhäuschen wichtig. „Einige Senioren überlegen dreimal, ob sie in eine größere Parkanlage gehen.“ Weil es dort aber manchmal nicht genug oder keine sauberen Toiletten gibt, verzichten manche gar ganz auf den Ausflug. 

Das Pilotprojekt kostet 1,7 Millionen Euro

Augustin bezeichnet die Toiletten als „Portal in die Zukunft“. Aus den menschlichen Ausscheidungen könne ein „Superdünger“ hergestellt werden, das habe enormes Energiesparpotenzial und könne chemische Düngemittel substituieren. Dadurch werde auch die Biodiversitätskrise adressiert. Legalisiert ist der menschliche Dünger noch nicht. Bis 2024 hofft Augustin auf eine solide Datengrundlage.

Laut Augustin liegen die Betriebskosten der 24 Toiletten bis Ende März bei rund 650.000 Euro. 1,7 Millionen Euro kostet das Pilotprojekt insgesamt.

Das politische Enzscheidungssystem kritisiert er als „enorm träge“, es brauche ein politisches Umdenken in der Klimakrise. Die hygienischen Bedenken bei menschlichem Düngemittel seien berechtigt, jedoch könne durch spezielle Verfahren hochwertiger Humus hergestellt werden. In einer Forschungsanlage in Eberswalde, mit der Finizio kooperiert, sei dies bereits der Fall.

Die Toiletten der Firma Eco sind anders aufgebaut, sie besitzen zwei weitere Kabinen für je ein Steh- und Hochurinal. Auch werden die Fäkalien anders getrennt. Beide Toilettenbetreiber haben bereits einige Erfahrungen mit den Toiletten gemacht, bei Events und auch in sozialen Brennpunkten wie dem Leopoldplatz und dem Kottbusser Tor.

Durch das kostenlose Angebot steigt laut Augustin die Fehlnutzung. Zwar seien die Erfahrungen an den sozialen Brennpunkten negativer, trotzdem sei der Umgang mit den Toiletten insgesamt „erstaunlich gut“. Über einen QR-Code kann die Öffentlichkeit Feedback zu den Toiletten geben. „Mithilfe eines Notfallteams sind wir in der Lage, schnell auf verschiedene Situationen zu reagieren“, meint Sven Riesbeck, Sprecher der EcoToiletten. Für einen guten Umgang kann er nur werben.