Berlin - Herr Wahrmann, was sagen Sie zum leichten Rückgang der Schuldnerquote in Berlin?
Das hört sich zwar gut an, wir aber spüren in der gemeinnützigen Schuldnerberatung keinen Rückgang. Auf eine Insolvenzberatung muss man in Berlin manchmal drei bis sechs Monate warten. Nur in Notfällen, falls beispielsweise die Räumung der Wohnung ansteht, beraten wir binnen weniger Tage.
Wann wird ein Schuldnerberater in der Regel aufgesucht?
Meistens kommen die Menschen viel zu spät zu uns. Da hat das Geld bereits über einen längeren Zeitraum am Monatsende nicht mehr ausgereicht, die Schulden sich aber stetig angehäuft.
Was sind die Hauptursachen für die Verschuldung?
An erster Stelle ist da die Arbeitslosigkeit zu nennen. Aber auch Scheidung oder Tod des Partners können dazu führen, dass man sich überschuldet, denn auf einmal kann nur noch von einem Gehalt gelebt werden, das aber reicht nicht mehr aus. Krankheit ist ein weiterer Faktor und auch unwirtschaftliche Haushaltsführung.
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Wenn einer unbedingt mit dem Nachbarn mithalten will und sich ebenfalls ein neues Auto zulegt?
Das kann schon mal passieren. In der Regel ist es bei jungen Menschen die Unerfahrenheit, wenn sich beispielsweise Miet- und Stromrechnungen stapeln und nicht mehr bezahlt werden können.
Kann Überschuldung jeden treffen?
Aus meiner Erfahrung ist das genau so. Es kann sowohl den Studenten treffen als auch einen Hartz-IV-Empfänger oder Unternehmer.
Sie arbeiten seit 1987 in der Schuldnerberatung. Was hat sich geändert?
1987 gab es beispielsweise keine Handyverträge. Manche Menschen wollen unbedingt das neueste Telefon haben, sie können sich das aber nicht leisten. Und dann versuchen sie, die sich vermehrenden Schulden über weitere Kredite in den Griff zu kriegen, was ebenso nach hinten losgehen kann. Es gibt aber neben der Unerfahrenheit von jungen Menschen noch einen Punkt, der mich sehr beunruhigt: Die Altersarmut nimmt zu. Wir werden, wenn das so weitergeht, in den nächsten Jahren in Berlin immer mehr Menschen haben, die von Altersarmut bedroht sein werden.
Warum?
Das hat mit den sich häufenden unterbrochenen Arbeitsbiografien zu tun. Früher war es so: einmal Arbeit bei VW, immer Arbeit bei VW. Das hat sich aber geändert. Es gibt immer mehr Zeitarbeitsmodelle oder die freie Mitarbeit. Und dann sagt man diesen Menschen: Kümmern Sie sich um eine private Vorsorge. Aber von welchem Geld soll man dies tun?
Wann sollte man zu einer Schuldnerberatung gehen?
Wenn über mehrere Monate das Geld bereits am 20. des jeweiligen Monats ausgegeben ist. Wichtig ist: nicht zu lange warten, denn man gerät schnell in die Schuldenspirale.
Wie viel kostet Ihre Hilfe?
Nichts.