Berliner Verfassungsschutz: Kriegspropaganda durch die Russische Botschaft und Kreml-Trolle
Trollfabriken, Influencer und russische Staatsmedien beschwören „Russophobie“. In Berlin gab es 124 Straftaten mit Bezug zum Ukraine-Krieg.

Berlin-Russische „Trollfabriken“ laufen offenbar auf Hochtouren. Russischsprachige Influencer verbreiten Gräuelgeschichten aus Berlin, die so nie passiert sind. Und Russlands Staatsmedien geben sich als unabhängig und seriös aus. Zu diesem Fazit kommt aktuell der Berliner Verfassungsschutz. Demnach hat Russland seit Beginn des Ukraine-Krieges seine Desinformationskampagnen massiv verstärkt.
„Auf vielen Ebenen sind diese Aktivitäten noch mal deutlich sichtbarer geworden“, sagte Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) am Montag im Verfassungsschutzausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Wichtige Werkzeuge der russischen Einflussnahme seien soziale Netzwerke, staatlich geförderte und private Institute, russische Staatsmedien und einzeln agierende Akteure. „Staatliche Unternehmen kaschieren dabei ihre Aktivitäten als vermeintlich unabhängige Medien.“ Vielmehr versuchen sie, sich als Alternative zu den angeblichen deutschen Mainstream-Medien zu positionieren.
Staatssekretär Akmann: Auch die Botschaft verbreitet Propaganda
Nach Akmanns Darstellung versucht auch die Russische Botschaft selbst derzeit, Einfluss auf die öffentliche Meinung in Deutschland zu nehmen. Tatsächlich zeigen die Inhalte auf den Social-Media-Kanälen der Botschaft, dass die thematischen Beiträge seit Anfang März stark auf eine vermeintliche Russophobie ausgerichtet sind. Darin geht es um Schändungen von sowjetischen Kriegsgräbern und Gedenkstätten, was propagandistisch genutzt wird, es geht um echte oder vermeintliche Übergriffe auf russischsprachige Menschen in Deutschland. „Die Botschaft listet zahlreiche schwer überprüfbare Sachverhalte und Geschehnisse auf, um eine angeblich drastisch anwachsende Russlandfeindlichkeit in Deutschland zu suggerieren“, so Akmann. „Teilweise werden diese Fälle in dramatischer Wortwahl dargestellt. Oft lassen sich diese Behauptungen nicht überprüfen.“
Daneben hat der Verfassungsschutz zahlreiche Einzelakteure in den sozialen Medien auf dem Schirm, die die russische Sicht auf den Krieg in der Ukraine verbreiten. Das sind Personen, die einen russischsprachigen Hintergrund haben und versuchen, die russischsprachige Community in Deutschland zu beeinflussen. Allerdings gehören auch Anhänger von Verschwörungserzählungen, Reichsbürger und Rechtsextremisten dazu. Auch sie greifen im Internet kursierende Erzählungen auf und verbreiten sie weiter.
Russische „Trollfabriken“ spielen bei der Verbreitung von Kriegspropaganda ebenfalls eine stärkere Rolle. Unter „Trollfabriken“ versteht man Organisationen in Russland, die im Auftrag des Staates Manipulation im Internet betreiben. Mithilfe von gefälschten Online-Identitäten soll die öffentliche Stimmung in Foren und Kommentarspalten von Nachrichtenseiten beeinflusst werden. „Russland betreibt eine globale Desinformationskampagne im Umfeld seines Angriffskrieges“, sagte Akmann. „Die öffentliche Meinung soll polarisiert werden und staatliches Handeln, zum Beispiel die Unterbringung der vor dem Krieg Geflüchteten, erschwert werden.“ Diese Vorgehensweise decke sich mit dem der Spionageabwehr seit Langem bekannten Modus operandi russischer Desinformationsaktivitäten.
Am 8. und 9. Mai will die Polizei die Zahl der russischen Fahnen begrenzen
Besonderes Augenmerk richten die Behörden derzeit auf den bevorstehenden Tag der Befreiung am 8. Mai und den Tag des Sieges am 9. Mai. Vor allem die Polizei bereitet sich darauf vor. Am Wochenende war ein prorussischer Autokorso vom Anmelder abgesagt worden. Grund waren die harten Auflagen der Polizei. So durften nur 25 Fahrzeuge eine russische Fahne zeigen. Dagegen zog der Organisator vor das Verwaltungsgericht und scheiterte. „Bei Auflagen und Beschränkungen am 8. und 9. Mai machen wir auch so weiter und werden alle rechtsstaatlichen Maßnahmen voll ausschöpfen, damit es keinerlei Verherrlichung des russischen Angriffskrieges geben kann“, sagte Akmann. Dazu gehöre auch das Kontingentieren von Flaggen.
Der Veranstalter hatte am Sonntag noch andere Gründe genannt, warum der Autokorso abgesagt wurde: In einem Video sprach er von möglichen Angriffen von Gegendemonstranten, weswegen man nicht für die Sicherheit der Teilnehmer garantieren könne. Außerdem forderte er Ukrainer auf, beim Protest mitzumachen.
Für den 8. Mai sind derzeit 19 Versammlungen angemeldet und für den 9. Mai neun. Der Verfassungsschutz kann für den 9. Mai noch keine Mobilisierung feststellen. Allerdings ist das Datum noch weit weg, und erfahrungsgemäß geschehen solche Mobilisierungen und Aufrufe kurzfristig.
Feste Gruppierungen, die in Berlin Veranstaltungen wie Autokorsos anmelden, konnten die Sicherheitsbehörden bisher nicht feststellen. Es sind Einzelpersonen mit russischem Hintergrund und deutscher Staatsbürgerschaft. Mitunter stellen die Behörden Unterstützung aus dem Lager der Reichsbürger und Rechtsextremisten fest.
Derweil registriert die Polizei immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Ukrainern und Russen in Berlin. Allein in der Zeit seit dem russischen Einmarsch am 24. Februar bis zum 29. März leitete sie 39 Ermittlungsverfahren ein. In diesem Zeitraum registrierte sie 124 Straftaten mit Bezug zum Ukraine-Krieg, wie aus einer Antwort der Innenverwaltung auf eine Anfrage der AfD hervorgeht. Darunter sind vor allem Sachbeschädigungen wie Schmierereien, aber auch gefährliche Körperverletzung, Bedrohung, Beleidigung, Brandstiftung oder Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten.