Berlins marode Schulen: „Da hat sich in Jahren des Sparens viel angestaut“

Schimmel-Skandal: Hannes Rüther von der Lehrergewerkschaft VBE hat nach der Teilschließung der Anna-Lindh-Schule wenig Hoffnung auf schnelle Sanierungen.

Nach einer Sanierung wegen Schimmelbelastung ist ein Teil der Anna-Lindh-Schule erneut zum Teil gesperrt.
Nach einer Sanierung wegen Schimmelbelastung ist ein Teil der Anna-Lindh-Schule erneut zum Teil gesperrt.Gerd Engelsmann

Ein Gebäudetrakt der Anna-Lindh-Schule in Wedding ist in der vergangenen Woche wegen Schimmelbefalls geschlossen worden. Für Hunderte Schüler wird ein Ausweichquartier gesucht. Einige Lehrkräfte sollen laut dem Leiter der Schule wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen bereits den Dienstort gewechselt haben. Hannes Rüther ist im Landesvorstand des Verbands Bildung und Erziehung (VBE). Der Vertreter der Lehrergewerkschaft erklärt, welche Rechte Lehrkräfte haben, wenn der Dienstort ihre Gesundheit gefährdet.

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Zur Person
Hannes Rüther ist 53 Jahre alt und im Landesvorstand des Verbands Bildung und Erziehung (VBE). Er hat an drei Berliner Grundschulen unterrichtet und ist ausgebildet für die Fächer Deutsch und Geschichte für die Sekundarstufe I und II. Rüther arbeitete als Literaturwissenschaftler an der Universität Münster, bevor er den Lehrerberuf ergriff.

Herr Rüther, Lehrkräfte der von Schimmelbefall betroffenen Anna-Lindh-Schule sollen wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen bereits den Dienstort gewechselt haben. Welche Regelungen gibt es für solche Fälle im Schulrecht?

Der Schuldienst unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht von anderen Arbeitsverhältnissen. Der Arbeitgeber steht für ein gesundes Arbeitsumfeld in der Pflicht. Lehrkräfte haben immer das Recht, einen Versetzungsantrag zu stellen. Sie müssen die Versetzung inhaltlich nicht einmal begründen. Den Anträgen wird häufig entsprochen. Es kann manchmal eine Wartezeit geben. Im Fall der Anna-Lindh-Schule ist die Besorgnis um die Gesundheit aufgrund des Schimmelbefalls nachvollziehbar. Niemand konnte es den Lehrkräften verdenken, dass sie an einer anderen Schule arbeiten wollten.

Wer haftet für etwaige Spätschäden?

Das Land Berlin steht im Prinzip  in der Verantwortung. Die Beweisführung ist für die Betroffenen in solchen Fällen allerdings schwierig. Lehrkräfte an der Anna-Lindh-Schule müssten nachweisen, dass eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch die Arbeit am Dienstort verursacht worden ist. Wie so ein Verfahren läuft, zeigt die Schießstandaffäre der Berliner Polizei 2015. Es ging um im Blut der Polizisten nachgewiesene Schwermetalle. Sie wurden auf ungenügend entrauchte Schießstände zurückgeführt. Einige Polizisten bekamen Krebs. Es wurde jahrelang darum gerungen, wer wie viel Entschädigung erhält.

Der Personalrat kann Lehrende beraten

Hätten die übrigen Kollegen unter Hinweis auf eine nicht auszuschließende Gesundheitsgefahr den Dienst quittieren können?

Als Gewerkschafter kann ich nur davon abraten, einfach dem Schuldienst fernzubleiben. Lehrkräfte sollten sich in solchen Fällen beim Personalrat melden und sich beraten lassen.

VBE kennt keine weiteren Fälle

Sind Ihnen noch weitere Schulen bekannt, in denen Lehrkräfte in Berlin unter gesundheitlich bedenklichen Umständen arbeiten müssen?

Nein. Personal im öffentlichen Dienst kann sich darauf verlassen, dass schnell gehandelt und wie im Fall der Anna-Lindh-Schule betroffene Gebäudeteile geschlossen werden.

Berlin wirbt um neue Lehrkräfte und will diese nun auch verbeamten. Verfallende Schulen sind keine gute Werbung für den Lehrerberuf. Was kann das Land in wirtschaftlich schwierigen Zeiten tun?

Das Land hat mit der Verbeamtung einen wichtigen Schritt getan. Schwieriger ist es, die Schulgebäude in kurzer Zeit auf Vordermann zu bringen. Wir haben einen Mangel an Handwerkern, und Baumaterial ist auch nicht leicht zu bekommen. Da hat sich in Jahren des Sparens viel angestaut. Natürlich macht die Arbeit in attraktiven Schulgebäuden mehr Spaß. Aber da sehe ich kurzfristig wenig Handlungsspielraum. Kurzfristig machbar und zielführend wäre aus unserer Sicht eine Verkürzung der wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung von 28 auf zum Beispiel 24 Stunden pro Woche.

Gewerkschaft plädiert für reduzierte Dienststundenzahl

Das Problem des Unterrichtsausfalls würde doch eher noch verschärft, wenn alle Lehrer künftig weniger arbeiten.

Manche Kollegen, die bisher 20 Stunden arbeiten, könnten vielleicht eher dafür gewonnen werden, Vollzeit zu arbeiten und mehr zu verdienen, wenn sie dafür nur zwei statt acht Stunden mehr arbeiten müssten. Außerdem würde der Lehrerberuf aus unserer Sicht so attraktiver werden. Außerhalb der Ferienzeiten sind die Belastungen hoch. Und das spricht sich ja auch herum.