Bilanz nach einem Jahr Fahrradstaffel: Mehr Strafen, mehr Unfälle

Stuttgart hat sie seit 1996, Hamburg ebenfalls, und in der Fahrradstadt Münster gibt es sie seit 2007: eine Fahrradstaffel der Polizei. Während eine solche Einheit in einigen deutschen Großstädten bereits zur Normalität gehört, ist sie in Berlin, wo sie erst im Juli 2014 eingeführt wurde, noch relativ neu. Als das Projekt gestartet wurde, begrenzte man es auf die Stadtmitte und bewilligte es erst einmal nur für drei Jahre. Nach gut 15 Monaten zieht die Polizei nun eine erste Bilanz.

Immer wieder: Ampel ignoriert

„Die Zahlen sind noch nicht ganz valide, aber wir haben so vielen positiven Zuspruch bekommen, dass wir mit den ersten Ergebnissen nicht hinter dem Berg halten“, sagte Polizeipräsident Klaus Kandt am Montag. Insgesamt 12.000 Ordnungswidrigkeiten hat die Fahrradstaffel zwischen August 2014 und Juni 2015 geahndet. In rund 5300 Fällen lag das Fehlverhalten bei einem Radfahrer, etwa 6600 Mal bei einem Kraftfahrer. In rund 1000 Fällen verhielt sich ein Kraftfahrer direkt einem Radfahrer gegenüber ordnungswidrig. Insgesamt hätte die Ahndung von Verstößen stark zugenommen, so Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer. Am häufigsten mussten die Beamten gegen Radfahrer vorgehen, weil diese über rote Ampeln gefahren waren. Weitere häufige Delikte: Radfahren auf dem Gehweg und Telefonieren während der Fahrt.

Was die Staffel nicht verhindern konnte: Die Zahl der Unfälle hat zugenommen. Während es im Einsatzgebiet in Berlin Mitte von August 2013 bis Juni 2014, also direkt vor der Einführung der Staffel, 699 Unfälle mit Fahrradbeteiligung gab, waren es von August 2014 bis Juni 2015 mehr als 750 Unfälle. Ein Anstieg von acht Prozent. Brockmann sieht dennoch einen Erfolg: Die Zahl der Unfälle in Neukölln, wo es keine Fahrradstaffel unterwegs ist, sei um 17 Prozent gestiegen.

"Fahrradstaffel macht Sinn"

Polizeipräsident Klaus Kandt zeigte sich zufrieden. „Die Zahlen bestätigen unsere Annahme, dass es Sinn macht, eine Fahrradstaffel einzusetzen.“ Zwei weitere Untersuchungen soll es noch geben. Eine im kommenden Jahr, sowie eine dritte zum Abschluss des Projekts im Jahr 2017. Ob und wie die Fahrradstreife ausgeweitet wird, steht noch nicht fest. „Wir warten den Evaluationszeitraum ab“, betonte Präsident Kandt.

Doch schon jetzt ist er von der Staffel überzeugt: „ Die Rückmeldungen aus der Bevölkerung sind fast ausnahmslos positiv.“ Die Streifen könnten auf Augenhöhe mit vielen Radfahrer sprechen. Auch Andrea Barthels, stellvertretende Leiterin der Einheit, sieht das so. „Wir sind immer ansprechbar und müssen nicht erst eine Scheibe runterkurbeln.“ Viele, aber nicht alle reagieren positiv, so Sasha Ziegler, Leiter der Staffel. „Der Berufsradfahrer, also der Kurier, der wird uns mit Sicherheit sehr negativ betrachten.“ Die Beamten hätten manche von ihnen bereits mehrmals erwischt. Dann steige auch das Bußgeld. Ein schwieriger Fall sind Radfahrer, die vor den Beamten fliehen, so Andrea Barthels. „Wenn sich einer um Kopf und Kragen fährt, brechen wir die Verfolgung ab.“ Zu groß wäre sonst die Gefahr, den Fliehenden zu einem folgenschweren Unfall zu drängen. Auch für die Polizistin selbst wurde es schon brenzlig. Bereits zwei oder dreimal musste sie abrupt abbremsen, da sie sonst ein abbiegender Autofahrer erwischt hätte. Jedes Mal konnte sie den Fahrer gleich selbst stellen. Ein Traum vieler Radfahrer.

Die Fahrradstreifen sind immer in Zweierteams im Einsatz und legen pro Tag etwa 30 bis 40 Kilometer zurück. Insgesamt 20 Beamte sind der Einheit zugewiesen. Die Polizisten sind mit ihren Rädern auch im Winter unterwegs. Der Fokus liegt in der Überwachung des Verkehrs, mit einem besonderen Augenmerk auf Radfahrer.