Mord an Afghanin: Polizei führt Disziplinarverfahren in den eigenen Reihen

Der Mutter von sechs Kindern wurde die Kehle durchgeschnitten. Es war eine Bluttat mit Ansage. Jetzt wird geprüft, ob die Tat hätte vermieden werden können.

Ein Mitarbeiter der Spurensicherung am Tatort in der Berliner Maximilianstraße, wo eine Frau auf offener Straße getötet worden ist
Ein Mitarbeiter der Spurensicherung am Tatort in der Berliner Maximilianstraße, wo eine Frau auf offener Straße getötet worden istdpa/Paul Zinken

Nach der Tötung einer afghanischen Frau in Pankow wird die Frage immer drängender, ob die Behörden diese grausame Tat hätten verhindern können. Auch intern ermittelt die Polizei wegen möglicher Fehler in den eigenen Reihen. Es seien disziplinarrechtliche Maßnahmen eingeleitet worden, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Montag im Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses.

Zohra G., die mit ihren sechs Kindern in einer Flüchtlingsunterkunft lebte, war am 29. April von ihrem getrennt lebenden Ehemann auf der Straße mit mehreren Messerstichen getötet worden. Der Mann lauerte ihr in der Maximilianstraße mit einem 30 Zentimeter langen Messer auf, stach auf sie ein und schnitt ihr die Kehle durch. Die Brutalität der Tat schockte selbst abgebrühte Polizisten und Feuerwehrleute. Der 42-Jährige sitzt jetzt in Untersuchungshaft, die Staatsanwaltschaft wirft ihm Totschlag vor.

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Für Beobachter war es eine Gewalttat mit Ansage. Mitte April hatte die Frau beim Familiengericht Pankow einen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt, um dem Mann nach dem Gewaltschutzgesetz ein Kontaktverbot zu erteilen. Die Einrichtung hatte ihm da bereits Hausverbot erteilt, denn er war schon mehrmals auf die Frau losgegangen. Auch das Jugendamt des Bezirks war von der Polizei darüber informiert. Doch in einem Frauenhaus, in dem Zohra G. anonym hätte Schutz finden können, war offenbar kein Platz.

Nahm die Polizei die Bedrohung der Frau nicht ernst?

Die Familie richtete auch schwere Vorwürfe an die Polizei, die die Bedrohung nicht ernst genommen habe. In einem offenen Brief schreibt die Schwester der Getöteten, dass der Mann sie als sein Eigentum betrachtet und sie mehrmals bedroht habe. „Unserer Schwester wurde der Schutz verwehrt, der ihr das Leben hätte retten können.“

Gegen den 42-jährigen Ehemann lagen insgesamt drei Strafanzeigen wegen Körperverletzung und häuslicher Gewalt vor. Eine erste Anzeige hatte Zohra G. etwa zwei Monate vor der Bluttat erstattet, nachdem sie sich hilfesuchend an den Sicherheitsdienst der Einrichtung gewandt hatte.

Eine zweite Anzeige erstattete die Polizei, nachdem sie zu der Einrichtung gerufen wurde, weil der Mann wieder gegen die Frau gewalttätig geworden war. Eine dritte erfolgte im Zuge der Zeugenvernehmung der Frau. In Frauenhäusern sei oft nur Platz für ein Kind, es fehle für breitflächigen Schutz natürlich auch an finanziellen Mitteln, hatte die Frauenrechtsorganisation Zora bereits in dieser Zeitung kritisiert.

Slowik: „Das Verhindern einer solchen Tat ist nicht immer möglich“

Polizeipräsidentin Slowik nahm ihre Beamten am Montag in Schutz: Es sei für die Kollegen kaum zu ertragen, so eine Tat nicht verhindert zu haben. Details wollte sie mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht nennen, „auch weil wir disziplinarrechtliche Maßnahmen eingeleitet haben und noch anderes prüfen“.

Die Polizei Berlin habe klar definierte Qualitätsstandards, wer bei Hinweisen auf häusliche Gewalt was zu tun hat, sagte Slowik. Diese seien Anfang dieses Jahres weiterentwickelt worden. „Was bleibt, ist, dass trotz allem Bemühen festzuhalten sein muss, dass eine derartige Gewalteskalation oft nur schwer prognostizierbar ist und das Verhindern einer solch schrecklichen Tat nicht immer möglich ist.“

Inkognito-App soll stillen Notruf an die Polizei senden

Innensenatorin Iris Spranger (SPD) ist nach eigenen Worten derzeit mit Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) im Austausch darüber, inwieweit die Zahl der Plätze in Frauenhäusern erhöht werden könne, um dort gefährdete Frauen mit ihren Kindern schneller unterzubringen.

Spranger warb für die Inkognito-App, die derzeit entwickelt und vom Bund gefördert wird und auch in Berlin eingeführt werden soll. Betroffene von häuslicher Gewalt sollen dann auf dem Handy einen stillen Notruf an die Polizei absenden können, ohne dass der Gewalttäter das mitbekommt.

Zudem soll die App, die auf dem Handy nicht als solche erkennbar ist, eine gerichtsfeste Dokumentation von Übergriffen ermöglichen. Die App sollte eigentlich schon vor zwei Jahren eingeführt werden, verzögerte sich jedoch immer wieder. Im vergangenen Jahr zählte die Berliner Polizei 15.630 Fälle innerfamiliärer und partnerschaftlicher Gewalt. Die Dunkelziffer dürfte allerdings hoch sein. Die Zahlen zeigten nur einen kleinen Teil, sagte Slowik.