Brandbrief der Mitarbeiter: Chaos im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten

Erst im August gründete Sozialsenator Mario Czaja (CDU) das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LaF) und entzog dem Lageso die Zuständigkeit. Kritiker sprachen von einem Etikettenschwindel. Offenbar zurecht. Denn am Chaos hat sich nichts geändert. Mitarbeiter des LaF haben jetzt erneut einen Brandbrief an die Präsidentin Claudia Langeheine geschrieben, wie der RBB berichtete. Darin melden sie eine Gefahrenanzeige und erinnern den Arbeitgeber an seine Verpflichtung, Sicherheit und Gesundheit seiner Beschäftigten zu gewährleisten.

Die Mitarbeiter klagen über eine erhebliche Arbeitsüberlastung, die zu gesundheitlichen Beschwerden wie Bluthochdruck, Albträumen, Schlafstörungen und Gereiztheit führe. Jeder Beschäftigte müsse 15 Fälle pro Tag bewältigen. Das sei zu viel. Zudem seien viele nicht verwaltungserfahren und verfügten über keine fachspezifische Ausbildung. Organisation und Informationspolitik seien mangelhaft, es fehlten Räume und Ausstattung. Flüchtlinge reagierten zunehmend aggressiv, weil die Beschäftigten ihre Arbeit nicht schaffen würden und es an geeigneten Unterkünften fehle.

„Die Beschäftigten haben ganz miese Arbeitsbedingungen, weil viele Stellen noch nicht besetzt sind“, sagte die designierte Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke). 550 Stellen sind vorgesehen, doch bislang arbeiten dort rund 450 Beschäftigte. Zwar bräuchten Besetzungsverfahren im öffentlichen Dienst seine Zeit. „Doch im LaF dauert es besonders lange“, sagte Breitenbach. Das LaF müsse nun zügig in die Lage versetzt werden, Personal einzustellen.

Die Mitarbeiter, die vom Lageso in das neue Landesamt gewechselt seien, befänden sich seit Jahren in einer Ausnahmesituation, sagte Canan Bayram, integrationspolitische Sprecherin der Grünen. Die neuen Kollegen seien unerfahren. Die Amtsleitung habe eine Fürsorgepflicht gegenüber den Beschäftigten. Jetzt müsse schnell eine Lösung gefunden werden.

Falsche Entscheidungen

„Die aktuellen Zustände sind nicht haltbar“, sagte auch Paul Fresdorf (FDP). Durch mangelnde Ausbildung, fehlende Kommunikation und Überarbeitung würden falsche Entscheidungen getroffen. „Berlin hat sich schon genug mit dem Lageso blamiert. Es wird Zeit, dass der Senat professionell arbeitet.“

Unterdessen hat der Flüchtlingsrat einen offenen Brief mehrerer Initiativen unter anderem an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) veröffentlicht, die einen Auszug der Flüchtlinge aus den Turnhallen fordern. Noch immer müssen knapp 3000 Menschen in insgesamt 38 Hallen ausharren, manche seit über einem Jahr. Die Lebensumstände dort sind unzumutbar. „In einer Turnhalle in Pankow brennt seit einem Jahr Tag und Nacht das Licht, da die Notbeleuchtung sich nicht ausschalten lässt. Weder das LaF noch der Bezirk sahen sich bislang imstande, daran etwas zu ändern“, heißt es in dem Schreiben. Ein Jugendlicher aus dem Irak habe sich die Pulsadern aufgeritzt, weil er hoffte, dann verlegt zu werden.

Wie berichtet, verzögert sich der Auszug aus den Hallen, weil das LaF den Betrieb neuer Containerunterkünfte fehlerhaft ausgeschrieben hatte. Breitenbach fordert, die Wohncontainer an Interims-Betreiber zu vergeben. Auch ein Heim im brandenburgischen Wünsdorf kann nicht mit Flüchtlingen aus Berlin belegt werden, weil das Land Berlin den Vertrag mit Brandenburg nachbessern muss. Das ist jetzt geschehen, teilte Czaja am Dienstag mit. Demnach können nun auch Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern in der Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht werden. Bislang wollte Brandenburg dort nur Menschen mit einer guten Bleibeperspektive aufnehmen. Zum Brandbrief der LaF-Mitarbeiter wollen der Sozialsenator und Präsidentin Langeheine erst an diesem Mittwoch Stellung beziehen.

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