Kein Tempolimit mehr auf der Autobahn 24: Es darf wieder gerast werden!

Auf der A24, dem Unfallschwerpunkt Nr. 1, wurde die Geschwindigkeitsbegrenzung aufgehoben. Die Polizei fürchtet, dass die Unfallzahlen steigen werden.

Fahrzeuge donnern über eine Autobahn.
Fahrzeuge donnern über eine Autobahn.Wolfgang Maria Weber/Imago

Im Juli 2002 starben bei einem schweren Verkehrsunfall auf der Autobahn 24, in der Nähe der Abfahrt Kremmen, sechs Menschen, darunter fünf Kinder. Neun weitere Menschen wurden bei dem Crash, an dem fünf Pkw und ein Reisebus beteiligt waren, zum Teil schwer verletzt. Kurz darauf wurde aufgrund der hohen Unfallzahlen auf dem Abschnitt zwischen den Dreiecken Havelland und Wittstock ein Tempolimit eingeführt. Autofahrer durften nur noch 130 Kilometer pro Stunde fahren.

Das ist nun vorbei. Vor kurzem wurde das Tempolimit von der Autobahngesellschaft des Bundes wieder aufgehoben, übrigens ebenso wie auf der Autobahn 13 in Richtung Dresden. Seitdem darf auf dem Abschnitt zwischen dem Dreieck Havelland und der Abfahrt Neuruppin wieder Gas gegeben werden. Es gibt Kritiker dieser Entscheidung, aber auch Befürworter.

Zu den Kritikern gehört die Brandenburger Polizei. „Wir hatten bei der Entscheidungsfindung eine beratende Funktion“, sagt am Mittwoch Christoph Kehling, der Sprecher der Polizeidirektion Nord, der Berliner Zeitung. Die Empfehlung sei gewesen, das Tempolimit nicht aufzuheben. Das Votum der Polizei sei jedoch nicht berücksichtigt worden, so Kehling. Er verweist darauf, dass die Unfallzahlen nach der Einführung einer Höchstgeschwindigkeit auf dem Streckenabschnitt und vor allem auch die Zahl der Toten und Verletzten stark zurückgegangen seien.

2020 gab es auf dem Abschnitt keinen Verkehrstoten

Vor der Einführung des Tempolimits von 130 Kilometern pro Stunde galt die Strecke zwischen den Dreiecken Havelland und Wittstock als Abschnitt mit den meisten Verkehrstoten im Land Brandenburg. So gab es dort im Jahr 2002, also vor dem Erlass eines Tempolimits, insgesamt 834 Unfälle mit acht Toten und 226 Verletzten.

Drei Jahre später, nach Einführung der Geschwindigkeitsbegrenzung, zählte die Polizei 568 Unfälle mit 119 Verletzten und einem Toten. 2020 starb bei den 466 auf dem Abschnitt registrierten Unfällen niemand, 38 Menschen wurden verletzt. Im vergangenen Jahr registrierte die Polizei bei 532 Unfällen einen Toten.

„Wir befürchten, dass die Unfallzahlen nach der Aufhebung des Tempolimits wieder steigen werden“, sagt Kehling. Die Polizei werde die Entwicklung beobachten, das Fahrverhalten der Verkehrsteilnehmer kontrollieren und Drängeln und Rechtsüberholen ahnden, kündigt er an.

Zu den Befürwortern der Abschaffung des Tempolimits zählt Nicole Walter-Mundt, die verkehrspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Brandenburger Landtag. Die Entscheidung, das Tempolimit nach dem Ende der Ausbauarbeiten aufzuheben, sei richtig, sagt sie. „Vorangegangen ist eine statistische Erhebung, wonach die Zahl der Verkehrsunfälle auf diesem Abschnitt zurückgegangen ist.“

Grünen-Politiker nennt die Abschaffung zynisch

Walter-Mundt beruft sich auch darauf, dass sich die Sicherheitstechnik in den Fahrzeugen wesentlich verbessert habe. Und es gelte weiterhin eine Richtgeschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde. „Ich plädiere dafür, die Bürger selbst entscheiden zu lassen“, sagt die CDU-Politikerin. Sie habe die Erfahrung gemacht, dass sich die meisten Verkehrsteilnehmer rücksichtsvoll verhalten. Drängler habe es auch bei einer Höchstgeschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde gegeben.

Auch die SPD in Brandenburg zeigt Verständnis. „Im Zuge der Beendigung der Bauarbeiten ist die gesetzlich vorgegebene Richtgeschwindigkeit wiederhergestellt worden“, sagt Britta Kornmesser, die verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion. Die Aufhebung des Tempolimits sei unter Beachtung der Vorgaben der Straßenverkehrsordnung sowie der gültigen Richtlinien angeordnet worden. „Diese unter Beachtung sicherheitstechnischer Aspekte mögliche Maßnahme sollte man aus meiner Sicht auch nutzen, um den Verkehrsfluss nicht zu stören“, sagt sie. Es sei auch nicht zu erwarten, dass es nun zu einer Zunahme an Unfällen komme. 

Gegen die Entscheidung spricht sich dagegen Clemens Rostock aus, der verkehrspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Er sagt, dass gerade die gesunkenen Unfallzahlen und die wenigen Todesopfer zeigten, dass das Tempolimit funktioniert habe. Nun damit die Abschaffung einer Geschwindigkeitsbegrenzung zu begründen, sei zynisch. „Das heißt ja, dass erst wieder viele Menschen sterben müssen, damit ein Tempolimit eingeführt wird“, erklärt er.

Nach Angaben des Unfallforschers Siegfried Brockmann habe die Rechtslage ein weiter bestehendes Tempolimit nach dem Ausbau der A24 nicht mehr hergegeben. Wer wann und wo Schilder mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung aufstellen dürfe, sei in der Straßenverkehrsordnung geregelt, sagt der Leiter der Unfallforschung der Versicherer.

Ein Tempolimit könne demnach dort eingeführt werden, wo es ein relevantes Unfallgeschehen gebe, das auf Geschwindigkeit zurückzuführen sei. „Diese Begründung für ein Tempolimit fällt weg, wenn es weniger Unfälle gibt“, erklärt Brockmann. Er nennt den Wegfall der Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn 24 nach der Rechtslage eine richtige, wenn auch nicht gute Entscheidung. Der Bereich sollte engmaschig überprüft werden, so der Unfallforscher. Damit sollte nicht drei Jahre gewartet werden.

Unfallforscher für Änderung der Straßenverkehrsordnung

Brockmann plädiert dafür, dass die Straßenverkehrsordnung geändert wird, sodass auch vorausschauend Tempolimits eingeführt werden könnten. Nach der derzeit geltenden Rechtslage müsse erst immer etwas passieren, bevor Geschwindigkeitsbegrenzungen ausgewiesen werden könnten.

Aus dem CDU-geführten Verkehrsministerium in Brandenburg ist nicht zu erfahren, wie es sich zu Tempolimits verhält. Es verweist darauf, dass es die Zuständigkeit für Autobahnen Anfang 2021 an die Autobahngesellschaft des Bundes abgegeben habe und man auch nicht mehr in der Unfallkommission sitze. Das Bundesverkehrsministerium und die Autobahngesellschaft des Bundes waren am Mittwoch für eine Stellungnahme nicht erreichbar.