Brennpunkt Görlitzer Park: Der Parkranger Cengiz Demirci zieht nach einem Jahr Amtszeit Bilanz

Cengiz Demirci hat Visionen für den Görlitzer Park. Er sieht ein Sportaktivitätszentrum, wo an diesem Vormittag zwei Fußballtore in Pfützen stehen. Er sieht einen Parcourspfad, wo sich gerade ein paar Männer hinter Sträuchern herumdrücken.

Er sieht einen friedlichen Görlitzer Park – keinen, der im ganzen Land als Symbol für Drogenkriminalität und Politikversagen steht. Doch Cengiz Demirci hat gelernt, dass Visionen allein noch keine neuen Fakten schaffen. Erst recht nicht in Kreuzberg, wo längst nicht jeder seine Visionen teilt.

Vermittlung statt Wegsehen

„Anwohner, Touristen, Hundehalter, Sportler, Dealer, Polizisten, das Amt – jeder kotzt bei mir ab und jeder will etwas anderes. Das ist manchmal ein undankbarer Job“, sagt der 44-Jährige und lacht laut. Seit einem Jahr ist Cengiz Demirci Parkmanager im Görlitzer Park.

Seine Stelle ist Teil des Konzepts für die Grünfläche – und damit einer neuen Strategie, die der Bezirk vorigen Herbst für den Raum ausrief: Dialog statt Gesetzeshärte, Vermittlung statt Wegsehen. Cengiz Demirci trat an, um neue Lösungen für einen vielschichtigen Konflikt zu suchen, den Politik und Polizei seit 20 Jahren nicht in den Griff bekommen. Was hat er bisher erreicht?

„Mir haben alteingesessene Kreuzberger gedroht“

„Das ist schwer in Meilensteinen zu messen“, sagt er. „Der neue Hundeauslauf, der Bouleplatz, die Konzertbühnen – alle Ideen müssen durch etliche Instanzen.“ Nun klingt er schon ein bisschen weniger enthusiastisch. Denn der Parkmanager entscheidet nicht allein über die Entwicklung des Grüns: Ein elfköpfiger Parkrat vertritt die Anwohner, am Ende hebt oder senkt das Bezirksamt den Daumen.

„Ich hätte gedacht, dass die Behörde mir Steine in den Weg legt“, sagt der studierte Kommunikationspsychologe. „Aber die lassen mich machen.“ Stattdessen stieß Demirci auf Widerstand, wo er ihn nicht erwartete. „Mir haben alteingesessene Kreuzberger gedroht, mein kleines Bauwagenbüro anzuzünden – weil ich angeblich den Park aufwerte und die Gegend gentrifiziere.“

Regeln für die Dealer

Auch im Parkrat erntete er immer wieder Skepsis für seine Ideen. Während er mit viel Leidenschaft Vorschläge einbrachte, fehlten dem Gremium ausgearbeitete Konzepte. Es fanden sich Fürsprecher und Gegner, sie diskutierten zwei Stunden lang, alle zwei Wochen bei den Ratstreffen, stellten zurück und diskutierten noch einmal – nur, um dann eine Absage vom Amt zu kassieren: So gehe das auf gar keinen Fall. Cengiz Demirci lernte schnell, dass Beteiligungsprozesse ihre Zeit brauchen. Der Macher und die Basisdemokraten, sie passen nicht immer zueinander.

Immerhin an anderer Stelle kann Cengiz Demirci einen Erfolg vermelden. „Die Kriminalitätszahlen sind zurückgegangen“, sagt er. Die neuste Statistik weist für den Görlitzer Park weniger Diebstähle, Gewaltdelikte und weniger Drogen handel aus. „Nachdem die Null-Toleranz-Politik gescheitert ist, setzt die Polizei auf Brennpunktstreifen, die den Park kennen“, erklärt Demirci. Auch die von ihm engagierten Parkläufer tragen ihren Teil bei.

Weniger Beschwerden bedeuten weniger Polizeikontrollen

Meist in Zweierteams patrouillieren die Aufpasser über die 14 Hektar große Fläche. Sie sprechen Frisbeespieler an, die ihre Scheibe über den Fußweg werfen, Hundehalter, die Kot liegenlassen oder Jugendliche, die zu laut Musik hören. „Aber sie sind weder die Polizei noch das Ordnungsamt“, stellt Demirci klar. „Dealern schauen sie nur auf die Finger, wenn diese gegen die Regeln verstoßen.“

Die Regeln sind in diesem Fall ein paar mühsam vermittelte Mindeststandards: keine Jugendlichen ansprechen, keine Frauen belästigen, nicht aufdringlich im Spalier stehen. Im Sommer verständigte sich Demirci mit allen Dealergruppen im Park darüber. Er traf sie mit einem Sprachmittler einzeln zu Gesprächen, die Männer aus Guinea, Ghana, Mali, die Nordafrikaner und all die anderen, die den Park in ihre Gebiete aufteilen. Er setzte darauf, dass sie einsehen, dass weniger Beschwerden für sie auch weniger Polizeikontrollen bedeuten.

Arbeitserlaubnis statt Drogen

Verfechter einer harten Hand könnten das als Pakt mit Kriminellen bezeichnen. Ein zielführendes Abkommen mit Menschen, die sowieso nicht aus dem Park weichen werden, nennt es Cengiz Demirci. Aktuell stehen zu Spitzenzeiten etwa 180 Dealer aus zehn Nationen auf den Wegen. „Die verschwinden nur, wenn sie Alternativen sehen“, sagt der Parkmanager.

Viele Drogenverkäufer sind als Flüchtlinge eingereist, ihr Aufenthaltsstatus ist oft ungeklärt. „Würde die Politik den Menschen, die auf ihren Asylbescheid warten, das Arbeiten erlauben, müsste niemand Drogen verkaufen“, sagt Demirci.

Kleiner Park, große Probleme

Er schlägt Qualifizierungsprogramme, Hobbywerkstätten und Kurzzeitjobs vor – wenn man so will sind auch dies Visionen, die zeigen, dass nicht der Parkmanager die Hebel in der Hand hält, sondern die Stadt, der Bund oder gar die EU. „Ich kann nur Ideen einbringen. Ob die Politik mich hört, ist eine andere Frage.“ Eine Frage, die für Cengiz Demirci von großer Bedeutung ist. Sein Vertrag läuft noch ein Jahr, ob er danach weitermacht, ist unklar.

„Ich muss gucken, ob ich dann das Gefühl habe, etwas bewegt zu haben“, sagt er. Und eigentlich, fügt er hinzu, erreiche er sein Ziel, wenn der Görli ihn eben nicht mehr brauche. Dann, wenn alle Nutzer – die Anwohner, Touristen, Hundehalter, Sportler und Dealer– Rücksicht aufeinander nehmen und sich der Park von alleine verwaltet. Diese Vision allerdings liegt wohl noch in weiter Ferne.