BVG-Streik am Freitag in Berlin: So sieht der Streik-Tag für eine Familie aus

Berlin - Der große BVG-Warnstreik durchkreuzt in vielen Familien die üblichen Morgenrituale. Eltern und ihre schulpflichtigen Kinder müssen sich oft viel früher auf den Weg machen und sie müssen genau wissen, wo es lang geht. Wenn die Kinder nicht gleich ganz zu Hause bleiben. Die fünfköpfige Familie Zimmer aus Frohnau stellt sich dieser logistischen Herausforderung. „Wir haben uns einen richtigen Plan gemacht“, sagt Julia Zimmer, die Mutter von drei Kindern. Am Morgen wird zunächst der Vater, der sonst mit S-Bahn und BVG unterwegs ist, das Familienauto nehmen, um aus dem Reinickendorfer Norden nach Spandau zu fahren. Dort arbeitet er als Lehrer.

Los geht’s für ihn am Streikmorgen schon kurz nach sechs Uhr in der Frühe. Er hofft, dass die Straßen dann noch nicht so voll sind. Zu spät kommen will er keinesfalls. Julia Zimmer selbst wird mit ihrem jüngsten Sohn Carl einen gut zwei Kilometer langen Morgenspaziergang unternehmen, um den Erstklässler quer durch die grüne Gartenstadt auf seinem Weg zur Renée-Sintenis-Grundschule zu begleiten. „Es sind gut 25 Minuten allein für den Hinweg“, sagt Julia Zimmer. Normalerweise kann sie dafür das Auto nehmen, doch mit dem Vehikel ist ja jetzt der Ehemann unterwegs.

Der Erstklässler muss streikbedingt an diesem Tag noch auf eine weitere Veranstaltung verzichten. Der lange geplante Klassenausflug ins Atze-Musiktheater in Wedding muss mangels U-Bahn leider ausfallen. Besonders gut zu Fuß muss an diesem Tag auch die 13-jährige Tochter Louise sein. Sie besucht die Bettina-von-Arnim-Sekundarschule mitten im Märkischen Viertel, das ohnehin lediglich durch BVG-Busse an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen ist.

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BVG-Warnstreik am Freitag: Viele Stühle in den Schulen dürften leer bleiben

Am Freitagmorgen fahren diese Busse nicht. Die Schülerin kann von Frohnau immerhin die S-Bahn nehmen – allerdings nur bis Wittenau. Danach unternimmt sie einen zünftigen Fußmarsch durch das Märkische Viertel, um in einer knappen halben Stunde ihre Schule zu erreichen. „Sie hat überlegt, das Fahrrad mitzunehmen“, erzählt ihre Mutter. „Doch dürfte die S-Bahn dafür zu voll mit Menschen sein.“ Deshalb bleibt das Fahrrad zu Hause. Ihre Geige, mit der sie am Streiktag in der Schule spielen soll, hat sie sicherheitshalber schon am Vortag in die Schule gebracht.

Auch das dritte Kind der Familie, der 15-jährige Emil, muss früher raus und weite Wege in Kauf nehmen. Er besucht das Humboldt-Gymnasium in Tegel mit dem weithin sichtbaren Turm, normalerweise per BVG-Bus gut erreichbar. Nun aber muss der Sohn erst einmal fast bis nach Pankow fahren, und zwar zum S-Bahnhof Schönholz, um dann in eine entgegengesetzt fahrende S-Bahn umzusteigen, die ihn schließlich nach Tegel bringen soll. Die Kinder einfach zu Hause zu lassen, kam für die Familie nicht infrage. Andere Familien denken darüber nach. Laut Schulgesetz können Schüler auch nachträglich entschuldigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der vorher nicht bekannt war.

An etlichen Schulen dürften einige Stühle leer bleiben. Formal korrekt ist es, wenn Eltern am Tag telefonisch in der Schule Bescheid geben und später eine schriftliche Entschuldigung nachreichen. Anderswo ist besondere Pünktlichkeit angezeigt: An einem Reinickendorfer Gymnasium diskutierten Schüler und Lehrer bis zuletzt darüber, ob am Freitag Klassenarbeiten, die in der ersten Stunde starten sollten, verschoben werden sollen.

Arbeitskampf der BVG: Elterntaxis werden sich vor den Schulgebäuden stauen

Ergebnis: Die Arbeiten werden wie geplant geschrieben. Und an einem Gymnasium in Lichterfelde müssen die Zehntklässler, die an diesem Tag ihre Präsentationsprüfungen für den Mittleren Schulabschluss haben, auf besondere Pünktlichkeit achten. An manchen Grundschulen hingegen werden sich morgens besonders viele Elterntaxis vor dem Schulgebäude stauen und für zusätzliche Verkehrsrisiken sorgen, weil die Kleinen nun erst recht mit dem Auto gebracht werden.

„Es wird sicher viel Verkehr geben“, sagte Kerstin Sander, Leiterin der Schmöckwitzer Insel-Grundschule. Immerhin soll dort zum Jahresende endlich eine Ampel vor der Schule für mehr Verkehrssicherheit sorgen. Bei erwarteten Höchsttemperaturen von bis zu elf Grad Celsius fahren womöglich doch mehr Schüler als erwartet mit dem Fahrrad zur Schule.

Morgens soll es allerdings noch etwas frostig sein. Julia Zimmer und ihr Mann gehen davon aus, dass die BVG Freitagmittag wieder den Betrieb aufnimmt – und die größeren Kindern dann die üblichen Busse nutzen können. Erstklässler Carl wird am frühen Nachmittag vom Vater abgeholt. Wenn alles nach Plan läuft.