BVG-Streit mit Alstom: Vergabekammer weist Einspruch gegen U-Bahn-Großauftrag zurück
Im Streit um den größten U-Bahn-Auftrag in der Geschichte der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) gibt es eine erste Entscheidung. Allerdings ist noch ungewiss, wie es danach weitergeht. Kann die BVG die U-Bahn-Wagen nun bestellen und den von vielen Fahrgästen kritisierten Fahrzeugmangel beim wichtigsten Verkehrsmitte der Stadt lindern? Oder folgt nun ein Gerichtsverfahren, das die Auftragsvergabe weiter verzögert oder sogar ein neues Vergabeverfahren erforderlich machen könnte?
Alstom rügte die Vergabe des BVG-Auftrags an Stadler Pankow
Nach Informationen der Berliner Zeitung hat die Vergabekammer Berlin, die bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft angesiedelt ist, den Nachprüfungsantrag des Schienenfahrzeugherstellers Alstom zurückgewiesen. Alstom hatte gerügt, dass die BVG den Drei-Milliarden-Euro-Auftrag an das Berliner Unternehmen Stadler Pankow vergeben wollte. Dem Vernehmen nach gab es in der vergangenen Woche eine weitere mündliche Verhandlung, danach fasste die Vergabekammer ihren Beschluss.
Svenja Fritz, Sprecherin der Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), bestätigte am Dienstagabend, dass die Vergabekammer zu einer Entscheidung gekommen sei. Zum Inhalt teilte sie nichts mit. Das wäre zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich, sagte sie.
Der Grund für die Beschwerde von Alstom sind unklar
„Die Entscheidung wird an die Verfahrensbeteiligten mit der Post förmlich zugestellt“, erläuterte Fritz das Verfahren. „Die Rechtsmittelfrist von 14 Tagen beginnt mit dem Empfang der Entscheidung bei den Verfahrensbeteiligten. Die Vergabekammer kann die Fristen erst dann berechnen, nachdem die Empfangsbekenntnisse zurück übersandt wurden. Das heißt, dass zu den 14 Tagen jeweils noch ein paar Tage hinzuzurechnen sind.“
Alstom hat die Möglichkeit, gegen die Entscheidung der Vergabekammer vor Gericht zu ziehen. „Das zuständige Beschwerdegericht ist das Kammergericht (KG) Berlin“, erklärte Svenja Fritz. „Das KG setzt nach dem Eingang der Beschwerde die Vergabekammer in Kenntnis und fordert die Akten an. Das KG, das in anderen Ländern einem Oberlandesgericht entspricht, ist damit ‚Herrin des Verfahrens‘.“
Ob der Deutschland-Ableger des französischen Schienenfahrzeugherstellern nun Klage einreicht, war am Dienstagabend nicht in Erfahrung zu bringen. Auch nicht, warum Alstom die Vergabeentscheidung der BVG eigentlich gerügt hatte. Hieß es anfangs, dass es sich um einen routinemäßigen Einspruch handelt, mehrten sich im Lauf der Zeit die Hinweise, dass Alstom substanzielle Kritik am Vergabeverfahren geäußert hat.
Senat und BVG hoffen auf Lieferung der U-Bahn-Wagen 2021
Wie berichtet hatte sich auch Siemens, der dritte Bewerber um den U-Bahn-Großauftrag, kritisch geäußert. Weil der Elektronikkonzern die Bedenken seinem Angebot hinzufügte, was nach laut BVG nicht zulässig war, katapultierte er sich damit bewusst selbst aus dem Verfahren. Dass Siemens dies trotzdem tat, zeigte, wie ernst es das Unternehmen mit seiner Kritik am Vorgehen des Landesunternehmens meinte.
Dem Vernehmen nach kritisierte Siemens, dass die BVG immer wieder Bedingungen geändert habe. So wurde die Zahl der U-Bahn-Fahrzeuge, die bestellt werden sollten, von 1050 auf 1500 aufgestockt. Auch die Frequenz, in der die Züge geliefert werden sollten, wurde erhöht. Hinzu kamen immer schärfere Gewährleistungs- und andere Ansprüche, die den Konzern über Jahrzehnte hinweg mit Risiken belastet hätten.
Mitte 2021, so hofften Senat und BVG ursprünglich, sollen die ersten 24 U-Bahn-Wagen geliefert werden. Im darauffolgenden Jahr sollen 76 Wagen geliefert werden, von 2023 an 138 Wagen pro Jahr. Ein willkommener Jungbrunnen für eine Flotte, die im Durchschnitt rund 28 Jahre alt ist. Und für die Nutzer der U-Bahn, die allein im vergangenen Jahr für 583 Millionen Fahrten genutzt worden ist - 20 Millionen mehr als 2018.
Urteil zugunsten von Alstom könnte zu Verzögerungen führen
Falls Alstom nun gegen die Entscheidung der Vergabekammer Beschwerde vor dem Kammergericht einlegt, wird sich die Bestellung der U-Bahnen weiter verzögern. Dem Vernehmen nach wäre eine mündliche Verhandlung erst 2020 möglich. Beobachter halten es zudem für möglich, dass die zuständige Kammer zunächst ein Mediationsverfahren anregen wird, was weiteren Zeitverlust bringen könnte.
Käme das Gericht dann doch noch zu einem Urteil zugunsten von Alstom, könnte dies je nach Tenor bedeuten, dass die BVG das Vergabeverfahren oder zumindest Teile davon wiederholen müsste. Möglicher Zeitverlust: zwei bis drei Jahre. Für die Fahrgäste der U-Bahn, die in der wachsenden Stadt Berlin zunehmend über überfüllte Züge klagen, wäre es eine schlechte Nachricht. Allerdings eine, an der auch die BVG Anteile hat.