BVG: Ungewöhnlicher U-Bahn-Kauf stößt auf Kritik
Um den Fahrzeugmangel bei der U-Bahn möglichst rasch zu lindern, gehen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) einen ungewöhnlichen Weg.
Sie wollen beim Berliner Hersteller Stadler Pankow 80 Wagen bestellen – ohne europaweite Ausschreibung, wie sie normalerweise in solchen Fällen nötig ist. Doch ob die BVG das Ziel auf diesem Weg erreicht, ist ungewiss. Branchenkenner rechnen damit, dass gegen den Vertrag juristisch vorgegangen wird.
Nach Informationen der Berliner Zeitung bereitet sich Siemens darauf vor, bei der Vergabekammer, die bei der Senatswirtschaftsverwaltung angesiedelt ist, einen Antrag auf Nachprüfung zu stellen.
Das Schreiben müsste dort bis Anfang Dezember eingehen, damit die Frist gewahrt ist. Das Unternehmen wollte dazu nicht Stellung nahmen. „Wir äußern uns zu laufenden Verfahren grundsätzlich nicht“, sagte Sprecherin Ellen Schramke.
Zahlreiche Nachfragen
Im Umfeld der Branche stößt das Vorgehen der BVG ebenfalls auf Skepsis. „Eine Vergabe ohne Ausschreibung ist im Allgemeinen deutlich teurer als eine wettbewerbliche Ausschreibung mit mehreren Bietern. Im Ergebnis kostet dieses Planungsversagen die Steuerzahler deutlich mehr Geld“, warnte Christian Böttger, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Zu seinen Arbeitsgebieten gehört das Verkehrswesen.
Auch bei der CDU gibt es Bedenken. Die umstrittene Beschaffung wurde vor kurzem im Hauptausschuss debattiert – und dort gab es zahlreiche kritische Nachfragen.
Trägt das Land eine Mitschuld?
Am 25. Oktober hat der BVG-Aufsichtsrat den Fahrzeugkauf genehmigt. Es geht um 20 Züge der Baureihe IK. Sie wurden ursprünglich für die Linien U1 bis U4 entwickelt – die so genannten Kleinprofilstrecken, die schmalere Tunnel haben als die anderen Trassen. Weil aber der Fahrzeugmangel im Großprofil noch größer ist, sollen die neuen Wagen im Türbereich verbreitert werden, damit sie auf der Linie U5 zwischen Alexanderplatz und Hönow eingesetzt werden können.
Die 80 Wagen sollen von August 2019 bis Mai 2020 geliefert werden. Kosten: 111,7 Millionen Euro. Zusammen mit Eigenleistungen der BVG und den Kosten für Umbauten in der Betriebswerkstatt Friedrichsfelde ergibt sich eine Summe von 121 Millionen Euro. Die BVG begründet die Dringlichkeitsbeschaffung damit, dass sie rasch neue Züge brauche. Der Plan, die ältere Baureihe F79 für die Zukunft fit zu machen, sei auf Probleme gestoßen. Nur ein Unternehmen, das aktuell U-Bahnen für die BVG produziert, könne die Not innerhalb des gewählten Zeitrahmens lindern: Stadler. Es gebe keine Alternative.
Dem Vernehmen nach sehen aber auch Juristen, die die BVG konsultiert hat, das Verfahren kritisch. Branchenkenner argumentieren, dass der Fahrzeugmangel lange vorhersehbar war und die Probleme mit der Baureihe F79 längst nicht so gravierend sind wie befürchtet. „Es entsteht der Eindruck, dass die gesamte Fahrzeugplanung nicht funktioniert“, sagte Wissenschaftler Böttger. „Das ist verwunderlich, weil der Fahrzeugbedarf der BVG ziemlich stabil sein müsste“ – es gebe keine neuen Strecken. Zu prüfen sei, ob auch das Land Berlin eine Mitschuld trägt, weil keine Investitionsmittel bereitgestellt wurden.