CDU-Landeschef Michael Schierack: „Wir brauchen einen Brandenburg-Flüsterer“

Die Brandenburger CDU sieht sich im Aufwind. Ihre Führungsquerelen hat sie gelöst, und der neue Vorsitzende Michael Schierack will die Partei 2014 wieder in die Regierung führen. Der rot-roten Landesregierung wirft er im Interview der Berliner Zeitung vor, die Bürger zu verprellen und Probleme, etwa am Flughafen BER, zu verschleppen.

Herr Schierack, wann haben Sie das letzte Mal an einer Demonstration teilgenommen?

Das war Mitte November vor dem Landtag. Drinnen ging es um das Gesetz, mit dem eine Lausitz-Universität errichtet und die bestehenden zwei Hochschulen zerschlagen werden sollen. Dagegen haben Studierende und Beschäftigte protestiert. Ich habe mit den jungen Menschen gesprochen. Allerdings gehe ich nicht häufig zu Demonstrationen und habe das auch früher nicht getan.

Was bedeutet es denn, dass sich Proteste häufen – gegen Polizeireform, Hochschulfusion, Bildungspolitik? Die CDU beruft sich gerne darauf, wenn sie die Regierung kritisiert.

Die häufigen Proteste sind ein Ausdruck dafür, dass sich die Bürger sehr viel mehr für Politik interessieren und davon ausgehen, auf diese Weise etwas bewegen zu können. Sie verstehen, wie man in einer Mediendemokratie auf sich aufmerksam macht, das war ein Lernprozess. Zudem sehe ich darin ein Zeichen, dass die gegenwärtige Landesregierung sehr abgehoben ist und ihre Politik unausgewogen, sodass die Bürger glauben, nur noch durch Protest Aufmerksamkeit zu erhalten.

Können Sie ein Beispiel dafür nennen?

In der Lausitz haben beide Hochschulen Vorschläge für eine engere Zusammenarbeit gemacht, es gab Dialogveranstaltungen. Aber im Gesetz findet sich all das nicht wieder. Die Betroffenen wollen deshalb nun mit einem Volksbegehren Änderungen erreichen. Ähnlich ist es beim Fluglärm: Die Anwohner wurden jahrelang an der Nase herumgeführt über die wahren Ausmaße der Beeinträchtigung. Ich bin ein Befürworter des Flughafens, aber man muss den Menschen ehrlich sagen, was auf sie zukommt. Ich verstehe nicht, dass die Landesregierung so spät und zaghaft auf die berechtigten Interessen reagiert hat.

Unter Ihrer Vorgängerin an der Parteispitze sind Zweifel aufgekommen, ob die CDU zum neuen Großflughafen steht. Wie ist es nun?

Ich stehe zum Standort Schönefeld. Die damals nicht unberechtigten Vorbehalte dagegen sind für mich mittlerweile vergossene Milch. Es ist so viel Geld in das Projekt geflossen, dass ich mir eine baldige Eröffnung des Flughafens wünsche. Er muss wirtschaftlich tragfähig und gesellschaftlich akzeptiert sein, deshalb bin ich beim Nachtflugverbot für eine Lösung auf Augenhöhe. Als Mediziner sage ich auch, dass es ein Recht auf gesunden Schlaf gibt. Deshalb hat die CDU einen Kompromiss vorgeschlagen, wonach wir uns für ein Nachtflugverbot zwischen 23 und sechs Uhr aussprechen.

Ein Gutachten im CDU-Auftrag ergab, dass der BER schon bald zu klein ist. Was soll passieren, wenn eine dritte Startbahn nötig wird?

Es ist mir unbegreiflich, dass ein Flughafen entsteht, der zum Datum der Eröffnung gar nicht ausreicht. Das ist eine grobe Fehlplanung. Zunächst müssen wir alle bestehenden Reserven nutzen. Es stellt sich aber schon jetzt die Frage, wie mit den Kapazitätsengpässen am BER kurz nach der Eröffnung umgegangen werden muss. Obwohl die Landesregierung weiß, dass etwas passieren muss, ignoriert sie lieber die Fakten und tut nichts.
Wie beurteilen Sie den Zustand der rot-roten Koalition?
Vor allem die Linkspartei hat sich in vielen Bereichen wie Braunkohle, Schulen oder Umwelt von der eigenen Basis entfernt. Während die CDU mitregierte, stand sie hinter jedem Protestschild, jetzt lehnt die Linke Volksinitiativen ab. Sie spielt gleichzeitig Opposition und Regierung – als Regierungspartner würde ich mir das nicht lange ansehen.

Wie sind die Signale an Sie aus der SPD seit Ihrem Amtsantritt?

Wir reden miteinander. Nicht über konkrete Angebote, eher informelle Gespräche und offene Worte. Das dient offenbar auch dazu auszuloten, wie man persönlich miteinander kann. Ich hoffe vor allem, dass wir den Abstand zur SPD abschmelzen können. Das wird nicht im Hauruck-Verfahren passieren, aber ein Wechsel in der Regierung täte dem Land gut, auch aus Sicht der politischen Hygiene.

Also setzen Sie bei der Landtagswahl 2014 auf Sieg?

Ich bin realistisch. Es würde mich freuen, wenn wir zweitstärkste Partei werden. Ziel ist ein Ergebnis im guten 20er-Bereich.

Was muss der CDU-Spitzenkandidat dafür können und repräsentieren?

Die Frage der Spitzenkandidatur klären wir heute noch nicht.

Ich habe ja nach den Anforderungen gefragt, nicht nach Namen.

Der Spitzenkandidat muss Landesvater oder -mutter sein, eine integrierende Wirkung haben. Sie oder er braucht Autorität nach innen: Mit der Faust auch einmal auf den Tisch schlagen können, das ist wichtig – natürlich nach Diskussionen. Vor allem aber muss der Kandidat das Land im Blick haben und mit den Menschen können. Wir brauchen einen Brandenburg-Flüsterer, der die Probleme vor Ort versteht. Die Menschen im Land sind sehr skeptisch gegenüber der Zentrale „Potsdam“. Und was gar nicht akzeptiert wird, ist Zerstrittenheit in der Führung.

Wie einig ist die CDU denn jetzt?

Das Wort Geschlossenheit ist in letzter Zeit oft gefallen. Das Grundgefühl, dass wir nur gemeinsam gewinnen können, vertieft sich. Wie in einer Familie – wo es auch Höhen und Tiefen gibt, die man miteinander besteht. Ich werde als Vorsitzender jedenfalls keine Eintagsfliege sein. Nur mit personeller Kontinuität können wir glaubhaft sein und als politische Alternative wahrgenommen werden.

Wie wollen Sie die Konservativen integrieren, die Ihrer Vorgängerin Saskia Ludwig nachtrauern?

Wir sind bürgerlich, konservativ und sozial. Für jeden ist Platz in der Partei. Aber ich unterscheide zwischen Wert- und Strukturkonservatismus. Respekt, Treue, Ehrlichkeit sind wichtig.

Und Frauen an den Herd?

Das ist wieder strukturkonservativ, davon halte ich gar nichts. Die Werte müssen angeglichen werden an die Realitäten in diesem Land. Welche Rolle soll die Brandenburger CDU in der Gesamtpartei haben? Dort war man ja nicht immer zufrieden mit dem Landesverband. Das ist ein Geben und Nehmen. Wir sind auch nicht immer zufrieden mit der Bundes-CDU oder anderen Landesverbänden, etwa in der Kohlepolitik. Das muss eine große Volkspartei aushalten. Klar ist aber: Die CDU muss im Grundsatz einig sein. Ich will die Brandenburger Union wieder einreihen in die Riege der Landesverbände. Aus dem Adenauerhaus wurde mir Unterstützung signalisiert.

Das Gespräch führte Gerold Büchner.