Für sehr wenig Geld mit dem Nahverkehr durch ganz Deutschland fahren – das 9-Euro-Monatsticket macht es im Juni, Juli und August möglich. Wird jetzt mehr Bahn gefahren? Kann der öffentliche Verkehr neue Kunden gewinnen? An diesem Mittwoch ging es los. Doch der Start in Berlin verlief anders, als manche es erwartet haben.
„Na klar ist es voller als sonst“, sagt eine Zugbegleiterin, während ihr Regionalzug kurz im Tiefgeschoss des Hauptbahnhofs stoppt. Und das liege mit Sicherheit an dem neuen Sonderangebot: Ein großer Teil der Fahrgäste sei mit dem 9-Euro-Ticket auf die Reise gegangen, berichtet sie. „Bei meiner ersten Fahrt am Morgen nach Berlin hatte fast jeder Fahrgast das neue Ticket.“ Doch das Chaos, das Politiker, Gewerkschafter und Experten befürchten, ist zumindest am ersten Tag des Sonderangebots nicht eingetreten. Das gilt selbst auf den Strecken von Berlin an die Ostsee.
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Gleis 5 am Vormittag. Der Regionalexpress RE3 nach Stralsund verlässt pünktlich um 10.32 Uhr den Hauptbahnhof. Die roten Doppelstockwagen sind gut gefüllt, doch Dutzende Sitzplätze sind noch frei. Sogar Platz für Fahrräder gibt es noch, auch wenn eines der Mehrzweckabteile voll ist. Ähnlich sieht es im Regionalexpress RE5 nach Rostock aus, der um 10.44 Uhr mit zwei Minuten Verspätung abfährt. Die fünf Wagen sind ebenfalls nicht voll ausgelastet, und auch der Fahrradwagen am Schluss, dessen unteres Geschoss für Zweiräder vorgesehen ist, hat noch Kapazitäten.
Kurz zuvor gab Achim Stauß, Sprecher der Deutschen Bahn, vor der DB-Info im Erdgeschoss des Hauptbahnhofs einen Lagebericht. „Wir haben an diesem Mittwoch einen ruhigen Betriebsstart gehabt“, sagte Stauß. „Die Züge waren nicht übermäßig stark belegt.“ Die DB sei auf eine zusätzliche Nachfrage im Regionalverkehr vorbereitet.
Probleme liegen woanders
Die Anzeigetafel hinter ihm gibt einen Eindruck davon, in welchem Teil des Bahnverkehrs die Schwierigkeiten größer sind. Zu lesen ist dort, dass der Intercity Express (ICE) 1006 nach Hamburg in Berlin 45 Minuten Verspätung hat. Der Fernverkehr wird von vielen Baustellen ausgebremst, Kapazitätsprobleme machen sich immer deutlicher bemerkbar. Der Andrang, der nach der Einführung des 9-Euro-Tickets für den Nahverkehr erwartet wird, ist bei den weißen Zügen der Bahn längst Wirklichkeit. Die Fahrgastzahlen sind zehn bis 15 Prozent höher als vor Corona. „Die Menschen wollen reisen“, sagt Achim Stauß.
Das 9-Euro-Ticket gilt auch bei der S-Bahn Berlin. „Auch bei uns war der Betriebsstart an diesem Mittwoch ruhig“, sagt eine Sprecherin. Wie sieht es bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) aus? „Aus unseren Leitstellen kommt die Rückmeldung, dass es heute im Berufsverkehr zu keinen Auffälligkeiten kam“, teilt Markus Falkner, Sprecher des Landesunternehmens, am Mittag mit. „Wir haben uns gut vorbereitet. Belastbare Auswertungen folgen in den nächsten Tagen.“
Ortstermin am Bahnhof Friedrichstraße in Mitte. Daniel D., 32, wartet auf die U6 Richtung Alt-Tegel. Er findet das Ticket „supergenial“. Ausflüge, die er mit seinem Sohn unternehmen will, sind schon geplant, unter anderem an die Ostsee. „Wer das nicht nutzt, ist selber schuld.“
Mehr Andrang am ersten Tag des 9-Euro-Tickets
Maria und Rainer Hoffmann haben den ersten Andrang durch das 9-Euro-Ticket schon zu spüren bekommen, als sie am Mittwochmorgen von Berlin nach Potsdam fuhren. „Wie die Ölsardinen standen wir da“, sagt Maria Hoffmann. Die Vergünstigungen, die das Sonderangebot den Menschen in Deutschland beschert, betreffen das Ehepaar erst mal nicht. Für größere Reisen nutzen sie und ihr Mann das Auto, weil sich Gepäck damit leichter transportieren lässt.
Nicolai Dali, 34, aus Münster in Westfalen war eine Woche in Berlin und reist jetzt zurück. „Es ist ein bisschen schade, dass ich kurz vor der Einführung des 9-Euro-Tickets gefahren bin. Ich plane aber auch noch andere Trips, nach Hamburg, Jena und München“, sagt er. Der Student konnte sein Semesterticket bereits in ganz Nordrhein-Westfalen nutzen. Doch er freut sich darüber, dass sich der Radius nun auf ganz Deutschland erweitert.
Am Mittwoch trat auch der Tankrabatt in Kraft. Von diesem Mittwoch an bis Ende August sinkt die Steuerbelastung bei Superbenzin um 35,2 und bei Diesel um 16,7 Cent pro Liter. Mahmoud Osman hat eine Tankkarte für seinen Firmenwagen, deshalb interessiert ihn der Preis eigentlich nicht.
Der Berliner hatte am Dienstag sogar noch überlegt, wegen des Andrangs lieber früher am Tag zu tanken. „Gestern waren die Preise noch bei 2,20 Euro“, sagt er. Am Mittwoch war es deutlich weniger. Stabil scheinen die Vergünstigungen aber nicht zu sein. Der Dieselpreis ist an diesem Morgen an seiner Tankstelle innerhalb von fünf Minuten von 1,90 auf 1,96 gestiegen.