Ein Leben in der Endlosschleife

Für viele ist die harte Zeit der Corona-Krise vorbei, aber für Freiberufler und Künstler hat sich noch nichts geändert. Sie verharren zwischen Langeweile und Angst.

Berlin-„Es ist nur eine Phase“, sagen die Freunde. Für einige von ihnen ist der Corona-Einschluss noch nicht vorbei. Sie gehen immer noch nicht besonders viel aus, vielleicht, weil sie es auch vor Corona nicht mehr getan haben. Als hätten sie das alles schon geahnt – und jetzt eben erst recht nicht.

Die einen gehen raus und kehren in das Leben zurück, die anderen sind befremdet davon.
Die einen gehen raus und kehren in das Leben zurück, die anderen sind befremdet davon.imago images

Mit Befremden sehen sie auf die täglich zahlreicher und aktiver werdenden Menschen, die scheinbar so problemlos in ihr altes Leben zurückgleiten. Die wieder arbeiten, shoppen, Urlaube planen, Neuwagen kaufen, Partys feiern, auf Demos gehen.

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Das Großstadtleben nimmt täglich mehr Fahrt auf, während für meine Freunde die Zeit stehengeblieben ist. Weil sie die Tätigkeit, mit der sie sich bis vor Corona durchgeschlagen haben, erst einmal nicht fortsetzen können. Als Freischaffender oder als freischaffender Künstler ist man derlei Flauten eigentlich gewohnt. Aber früher hat man dann einfach die Runde gemacht, aber an wen soll man jetzt sein Demoband oder das Portfolio schicken?

Es konnte einem DJ passieren, mal keine Gigs zu haben, oder einem Schauspieler kein Engagement. Aber was, wenn Clubs und Theater erst mal nicht mehr öffnen dürfen? Wenn die Auftraggeber einem keine Aufträge mehr geben können, weil sie in der gleichen Situation stecken wie man selbst? Was soll man tun? Sich nach was anderem umsehen? Aber wonach?

Kein Plan. Erst mal abwarten. Eine Zeit lang wird es noch so weitergehen können, aber langsam schwinden die Rücklagen. Die Tage sind lang und leer. Man ist gelähmt. Fährt nicht aufs Land, geht nicht ins Museum, und die Küche hat man ja schon während der Corona-Zeit renoviert. Freizeit ist ja nur Freizeit, wenn man vorher gearbeitet hat.

Also, was tut man? Man steht auf, macht sich wie gewohnt seinen Kaffee, setzt sich an den Rechner, fängt halbherzig mit der Steuererklärung an, erhält dann eine Nachricht von der Fernbeziehung, versteht etwas falsch, bricht einen Streit vom Zaun, geht spazieren, um sich abzuregen, geht einkaufen, macht Mittagsschlaf, macht sich Kaffee, liest Nachrichten und Expertenmeinungen, um herauszufinden, ob die „zweite Welle“ mittlerweile doch kurz bevorsteht, legt sich ein Testportfolio an der Börse an, geht ums Karree, verbringt Ewigkeiten in der Buchhandlung, kauft sich einen Krimi, geht wieder einkaufen, bastelt an der Steuererklärung weiter, kocht sich Essen, sieht fern, versöhnt sich mit der Fernbeziehung, nimmt sich vor, ab Morgen endlich wieder in die Gänge zu kommen, macht am nächsten Tag aber ungefähr das Gleiche, nur in anderer Reihenfolge.

Man kann sich nicht bewegen, keinen Entschluss fassen, man verharrt, halb entspannt, halb ängstlich. Noch geht es, und es geht nicht anders. Es ist, wie es ist: „Es ist nur eine Phase.“