Wie man Corona ein Schnippchen schlagen kann
Man richtet sich ein – auch zu Corona-Zeiten. Freuden, die verboten sind, versucht man, anders herzustellen.

Berlin-Vergangene Woche, nachdem der neue Lockdown verkündet worden war, war die Zeit des Abschiednehmens. Der Freundeskreis ging ausgiebig zum Italiener, eine früher selbstverständliche häufige Entscheidung. Noch einmal schlemmen, bevor alle Restaurants schließen müssen, so das Motto. Zur letzten Sportstunde stellte die Trainerin Kerzen wie an Weihnachten auf, sanfte Meditationsmusik läutete das Training aus. Im Moraldilemma befindet sich eine Bekannte. Sie wird seit Monaten von den Ausdünstungen eines Restaurants unter ihrem Schlafzimmerfenster belästigt. Das Restaurant ist nun zwangsgeschlossen, vielleicht ist es nach dem zweiten Lockdown pleite, mutmaßt sie. Man weiß nicht, was man sich wünschen soll, wenn das Unglück des einen dem anderen ein Glück ist.
Tipps und Tricks machen seit Beginn der Krise die Runde. So belauschte ich im Bus das Gespräch zweier mittelalter Frauen. Dem gemeinen Ex-Mann kann sie nicht verzeihen, bekannte die eine. Deshalb schreibe sie auf den Gastronomie-Kontaktzettel stets seine Handynummer und seinen Namen. Da sie den noch trägt, fühlt sie sich zusätzlich im Recht. Kichernd stellten sich die beiden vor, wie der Ex 14 Tage in Quarantäne muss. Als Selbstständiger könnte er dann seine Arbeit nicht mehr verrichten, den Verdienstausfall würde ihm wohl auch keiner ersetzen, freuten sie sich. Ich war entsetzt ob solcher Gemeinheit.
Dass man sich zu helfen wissen muss, galt schon vor Corona. Jetzt sind die Gewitzten gefragt. Feierte man Ostern auf der Parkbank mit heißem Milchkaffee aus der Thermoskanne zum Nougatei, fließt nun Glühwein aus der Kanne, dazu gibt es Lebkuchenherzen. Weihnachtsmarkt funktioniert auch to go.
Aus dem Konzertabend in der Philharmonie wird Spazierengehen in der neuen Fußgängerzone Friedrichstraße in Mitte. Mit Maske natürlich. Wandeln im Dunkeln mitten durch die Innenstadt – was für ein Schwachsinn, hätte ich früher gesagt. Jetzt schaut man sich intensiv einen städtebaulichen Event an, den man früher beim Vorbeieilen höchstens aus dem Augenwinkel registriert hätte.
Man wird dankbarer.