„Aus Vergnügen“ mit Stahlkappenschuhen auf S-Bahn-Fahrgäste eingetreten

Ein 30-jähriger Computerspezialist steht in Berlin wegen Gewaltexzessen vor Gericht. Er muss sich wegen versuchten Totschlags verantworten.

Igor P. durfte auch während der Verhandlung die Handschellen nicht abnehmen.
Igor P. durfte auch während der Verhandlung die Handschellen nicht abnehmen.Pressefoto Wagner

Die Handschellen liegen so fest an den Handgelenken von Igor P., dass sich der 30-Jährige die Kopfhörer für die Übersetzung nicht selbst in die Ohren stecken kann. Justizbedienstete müssen dem Computerspezialisten aus Moldau an diesem Mittwoch helfen.

Aus Sicherheitsgründen müsse der Angeklagte auch während der Verhandlung die Fesseln tragen, wird die Staatsanwältin die rigide Maßnahme später erklären. Bei einem ersten Versuch, dem Mann den Prozess zu machen, soll Igor P. ziemlich rabiat aufgetreten sein. Mehrere Justizbeamte waren offenbar nötig, um ihn zu zügeln.

Die Anklage wirft dem Mann, der nun benommen wirkend hinter dem Sicherheitsglas sitzt, versuchten Totschlag, besonders schweren Raub und gefährliche Körperverletzung vor. Es sind Taten, die Igor P. im September vorigen Jahres äußerst brutal verübt haben soll. Mitte Februar wurde der Haftbefehl gegen ihn aufgehoben und in einen Unterbringungsbeschluss für den Maßregelvollzug umgewandelt. Es ist durchaus möglich, dass Igor P. psychisch krank ist.

Igor P. soll völlig grundlos zugeschlagen haben

Am 15. September vergangenen Jahres soll der Angeklagte kurz nach 10.30 Uhr am Bundesplatz eine S-Bahn bestiegen und dort „völlig grundlos“, wie es in der Anklage heißt, einem Fahrgast einen wuchtigen Faustschlag ins Gesicht versetzt haben. Als dem Angegriffenen ein anderer Mann zu Hilfe geeilt sei, habe Igor P. auch den Helfer ins Gesicht geschlagen und durch das Abteil geschleudert.

Dann soll der Angeklagte diesen Mann wuchtig mit dem rechten Fuß ins Gesicht getreten haben, sodass er bewusstlos liegen geblieben sei. Igor P. trug, so sagt es die Staatsanwältin, Stahlkappenschuhe. Er habe den Geschädigten danach mit Schwung und „offenbar aus Vergnügen“ nochmals wuchtig gegen den Kopf getreten. Laut Anklage folgten noch mindestens neun weitere Tritte.

Die Staatsanwältin sagt, dass Igor P. durch sein „absolut unsinniges, rohes Verhalten“ beabsichtigt habe, dass der am Boden liegende Mann dauerhaft entstellt würde und durch die Tritte mit den Stahlkappenschuhen sein Augenlicht verlöre. Das jedoch soll dem Angeklagten völlig gleichgültig gewesen sein.

Als ein weiterer Fahrgast eingriff, habe Igor P. auch diesen mit einem Faustschlag zu Boden gestreckt und auf ihn eingetreten, so steht es in der Anklage.

Schon zuvor soll der Angeklagte am S-Bahnhof Gesundbrunnen einen Mann niedergeschlagen haben, um ihm den Rucksack zu rauben. Dabei habe er durch einen Tritt gegen den Kopf lebensgefährdende Verletzungen in Kauf genommen, erklärt die Staatsanwältin.

Igor P. konnte einen Tag später von der Polizei festgenommen werden. Auch in der Gefangenensammelstelle soll er versucht haben, einen Beamten zu treten.

Der Angeklagte sagt an diesem ersten Verhandlungstag nichts zu den Vorwürfen. Nur zu seiner derzeitigen Unterbringung im Maßregelvollzug für psychisch kranke Straftäter äußert er sich. „Dort gefällt es mir überhaupt nicht“, übersetzt die Dolmetscherin die gemurmelten Worte von Igor P. Es gebe dort nicht mal frische Luft. „Ich möchte, dass man mich wieder nach Moabit verlegt“, verlangt der Angeklagte und meint die Untersuchungshaftanstalt.

Insgesamt fünf Verhandlungstage hat die Schwurgerichtskammer terminiert. An den nächsten beiden Prozesstagen sollen die mutmaßlichen Opfer des Angeklagten als Zeugen gehört werden.