Wie ein früherer Clown als falscher Polizist eine Familie brutal überfiel
Drei Räuber stehen wegen eines Überfalls auf eine Familie in Berlin vor Gericht. Sie legen Geständnisse ab und bitten um Entschuldigung.

Die 43-jährige Adile M. fängt an zu schluchzen, als sie vor Gericht von ihrer kleinen Tochter erzählt. Das Mädchen traue sich nicht mehr allein auf die Toilette. Wenn die Sechsjährige abends im Bett liege, müssten in der Wohnung alle Lichter angeschaltet werden. „Meine Tochter hält mich dann ganz fest, bis sie eingeschlafen ist“, erzählt die Zeugin. Seit sieben Monaten hat das Kind Angst.
Vor sieben Monaten wurde die Familie von Adile M. in ihrer Wohnung in Wedding von falschen Polizisten überfallen und mit Waffen bedroht. Die drei maskierten Männer forderten Geld – bis die richtige Polizei an der Wohnungstür der Familie M. klingelte und die „Kollegen“ festnahm.
Seit Montag müssen sich die mutmaßlichen Täter vor dem Berliner Landgericht verantworten. Germano R. und Harun K. sitzen seit der Tat in Haft, Adel El-H. wegen seiner Kokainsucht im Maßregelvollzug. Die 36, 24 und 26 Jahre alten Männer sind wegen erpresserischen Menschenraubs und schweren Raubs angeklagt. Sie haben die Tat zu Prozessbeginn gestanden und erklärt, dass ihnen das Geschehene leidtue.
Ihre Opfer kannten die Männer nicht. Doch wie kamen sie dazu, bei der Familie M. zu klingeln und sie einfach zu bedrohen? Während Harun K. und Adel El-H. von ihren Verteidigern Erklärungen verlesen lassen, erklärt sich Germano R. ausführlich vor Gericht. Der schlanke, sportlich wirkende Mann ist der einzige der drei Angeklagten, der einen Beruf angeben kann: Artist.
Germano R. hat bis 2017 im Zirkus gearbeitet, unter anderem als Clown. Dann jobbte er als Lkw-Fahrer, nahm Crystal Meth, machte mehrere Entzüge. Jetzt sei er clean, sag er. Harun K. kennt er aus der Schule, in der er seinen Abschluss nachholen will. Er ist sein Freund. Es sei ihm wichtig gewesen, von seinem Freund Anerkennung zu erhalten, sagt Germano R.
Und so schlug er nach eigenen Worten ein, als ihm Harun K. am Abend des 22. Dezember des vergangenen Jahres erzählte, er habe einen Tipp, wie sie an eine Menge Geld kommen könnten. Mit dem Auto holten sie noch Adel El-H. ab, der nach eigenen Worten an diesem Tag nach langer Abstinenz wieder Kokain genommen hatte. Zu dritt fuhren sie zu einem „Tippgeber“. Auf einem Spielplatz trafen sie den Mann, der die später überfallene Familie M. gekannt haben muss, so der Eindruck von Germano R.
Sie kauften vor dem Überfall Einweghandschuhe
Der Angeklagte erzählt, dass der Unbekannte von 250.000 Euro Schwarzgeld gesprochen habe, das aus dem Betrieb eines Dönerladens stammen und in der Wohnung der Familie M. lagern sollte. Der habe auch genau gewusst, wo: in der Küche unter der Dunstabzugshaube. Zudem sollten bei dem geplanten Überfall nur Adile M. und ihr älterer Sohn in der Wohnung anwesend sein. Man habe sich als Polizisten ausgeben und die Zimmer nach dem Geld durchsuchen wollen, erläutert Germano R. den Plan. Die Beute habe man teilen wollen.
Der unbekannte Mann soll das Trio sodann mit zwei Messern und einer Schreckschusswaffe ausgestattet haben. „Um den Leuten damit Angst zu machen“, sagt Germano R. In einem Supermarkt kauften die Männer noch Einweghandschuhe, „um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen“, wie der Angeklagte erzählt.
Die Angeklagten fuhren zu dem Haus, das ihnen genannt worden war. Doch Germano R. hatte sich den Namen der Familie, die sie überfallen wollten, nicht gemerkt. Also klingelte das Räubertrio bei den falschen Mietern, liefen erst bei dieser Familie in die Wohnung, die nach Angaben des Angeklagten „Russisch oder Polnisch sprach“. Um dann die Zimmer schnurstracks wieder zu verlassen.
Germano R. kann sich noch erinnern, dass er schließlich den richtigen Namen an einer Wohnungstür ein Geschoss höher wiedererkannt und bei der Familie M. geklingelt hatte. Es war kurz nach 21 Uhr, als die älteste Tochter ahnungslos die Tür öffnete. Der mit der Schreckschusspistole bewaffnete Adel El-H. soll als Erster in die Wohnung gestürmt und dabei laut „Polizei“ gerufen haben. Sie seien gekommen, um das Schwarzgeld mitzunehmen, habe man verkündet, sagt Germano R. Andernfalls, so die Drohung, würde der Sohn der Familie mitgenommen werden. Statt der avisierten zwei Personen befanden sich sechs Menschen in der Wohnung: zwei Kinder und vier Erwachsene.
Laut Anklage soll Germano R. bei der Tat ein Jagdmesser mit einer Klingenlänge von 10,5 Zentimetern in der Hand gehalten haben. Damit habe er die Anwesenden in Schach gehalten. Die sechs Jahre alte Tochter von Adile M., die zum Zeitpunkt des Überfalls auf der Toilette gewesen sein soll, sei von Adel El-H. zu den anderen Familienmitgliedern in das Wohnzimmer geführt worden. Dabei habe der Mann dem Kind die Schreckschusswaffe an den Kopf gehalten. So steht es in der Anklage. Der 26-Jährige soll die Waffe zudem hörbar durchgeladen haben. Germano R. sagt, das habe er nicht gesehen.
Das große Geld fanden die Täter nicht. Und auch an dem bisschen Schmuck und einem Mobiltelefon hatten sie nicht lange Freude. Denn der Nachbar, bei dem die falschen Polizisten zunächst waren, hatte die richtige Polizei alarmiert. Die Beamten konnten Germano R., Adel El-H. und Harun K. noch am Tatort festnehmen.
Germano R. sagt, er schäme sich für seine Tat. Er sei bereit, ein Schmerzensgeld zu zahlen, damit vor allem die Kinder das Geschehene verarbeiten könnten. 7500 Euro bietet er als Schuldausgleich an. Das Geld habe er sich bei seiner Mutter und den Geschwistern geborgt, sagt er. „Ich besitze nichts.“
Der Prozess wird fortgesetzt.