Reichsbürger wollte als Amokläufer Angst verbreiten: Jetzt muss er Strafe zahlen

Angeklagter André S. soll öffentlichen Frieden gestört haben. Da er nicht zum Prozess erschien, erließ das Amtsgericht Tiergarten einen Strafbefehl.

Am Bahnhof Hermannstraße soll André S. in Kampfmontur und mit Waffenattrappe herumgelaufen sein.
Am Bahnhof Hermannstraße soll André S. in Kampfmontur und mit Waffenattrappe herumgelaufen sein.imago/Schöning

Der Platz für den Angeklagten bleibt an diesem Vormittag leer. Die Richterin des Amtsgerichts Tiergarten, der Staatsanwalt und die fünf Zeugen warten vergeblich. André S. hat es vorgezogen, an diesem Mittwoch nicht zu erscheinen. Der 58 Jahre alte Mann hätte sich wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung einer Straftat, Hausfriedensbruch, Verstoß gegen das Waffengesetz und Trunkenheit im Straßenverkehr vor Gericht verantworten müssen.

Eigentlich ist sein Nichterscheinen nicht verwunderlich. Denn stimmt es, was bisher in den Medien über André S. berichtet wurde, dann steht er der Reichsbürger-Szene nah. Und deren Mitstreiter lehnen die Legitimität der Gerichte ab.

Der in Treptow-Köpenick lebende Mann soll am 31. Oktober 2019 kurz nach 14 Uhr den S-Bahnhof Hermannstraße in Berlin-Neukölln betreten haben. Dabei trug er nach den Ermittlungen eine an den Attentäter von Halle erinnernde Kampfmontur. Zudem soll er die Attrappe einer Pistole dabeigehabt haben, die offenbar wie eine scharfe Waffe aussah.

André S. habe mit seinem Auftreten bei den Fahrgästen Angst und Schrecken verbreiten wollen, heißt es. Als er der Aufforderung der Sicherheitsmitarbeiter, sich aus dem Bahnhof zu entfernen, nicht folgte, wurde die Bundespolizei alarmiert. Die Beamten nahmen den Mann vorübergehend fest. Bei einer am nächsten Tat erfolgten Hausdurchsuchung sollen die auf dem Bahnhof getragene Kampfmontur, die Waffenattrappe und eine scharfe Patrone sichergestellt worden sein.

André S. ist zudem angeklagt, im August vergangenen Jahres in Treptow betrunken mit einem Segway gefahren zu sein. Dabei soll er einen Mann von einem Fahrrad gezogen und versucht haben, auf ihn einzuschlagen. Der Radfahrer konnte laut Angaben der Ermittler fliehen.

Als der Angeklagte 15 Minuten nach dem eigentlichen Beginn der Verhandlung noch immer nicht im Saal auftaucht, ist die Geduld der Richterin am Ende. Auf Antrag des Staatsanwalts ergeht gegen André S. ein Strafbefehl. 120 Tagessätze zu je 30 Euro muss er danach zahlen.

Der Verteidiger von André S., der ebenfalls umsonst auf seinen Mandanten gewartet hat, kündigt an, gegen den Strafbefehl vorgehen zu wollen. Das bedeutet, dass es zu einer Verhandlung kommen wird. Wenn der Angeklagte die 3600 Euro nicht zahlen will, muss er vor Gericht erscheinen. Ansonsten wird der Strafbefehl rechtskräftig.

Drei Wochen vor dem mutmaßlichen martialischen Auftritt des Angeklagten auf dem S-Bahnhof Hermannstraße hatte ein schwer bewaffneter Mann versucht, in die am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur gut besuchte Synagoge in Halle einzudringen, um dort möglichst viele Menschen umzubringen.

Der 27-Jährige scheiterte an der Holztür der Synagoge, erschoss jedoch auf offener Straße eine Frau und in einem Imbiss einen Mann. Dafür wurde er im Dezember 2020 wegen zweifachen Mordes und versuchten Mordes in zahlreichen weiteren Fällen zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt.