Jahrelang lebten sie in ein und demselben Mehrfamilienhaus, waren sie Nachbarn. Seit längerem aber gab es Streit zwischen ihnen. Marina G. wohnte im ersten Obergeschoss des Hauses in der Golmer Straße in Spandau, Thomas P. lebte im Erdgeschoss. Am 23. Februar dieses Jahres eskalierte der Streit, schlug Thomas P. seine Nachbarin offenbar tot.
Seit Freitag steht der groß gewachsene Mann vor einer Schwurgerichtskammer des Berliner Landgerichts. Er muss sich wegen Totschlags verantworten. Thomas P. ist 51 Jahre alt, Zimmerer ohne Abschluss und zertifizierter technischer Redakteur, wie er mit leiser Stimme sagt. Seit einiger Zeit ist er ohne Arbeit, lebt von Hartz IV.
Vor Gericht erscheint er in Jogginghose, Sportdress und Turnschuhen und mit hängendem Kopf. Noch am Tattag wurde er festgenommen, Haftbefehl erlassen. Er lag zunächst im Justizvollzugskrankenhaus. Seit einem Monat ist er im Maßregelvollzug in einer Klinik für psychisch kranke Straftäter untergebracht. Thomas P. soll an einer bipolaren Störung leiden.
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Zu den Vorwürfen, die in der Anklage stehen, werde sich sein Mandant zunächst nicht äußern, verkündet der Verteidiger des Angeklagten gleich nach der Verlesung der Anklage. Die Vorwürfe gegen Thomas P. wiegen schwer. Am Tattag soll er gegen 14 Uhr im Treppenhaus mit der 67 Jahre alten Nachbarin Marina G. in Streit geraten sein. Die Auseinandersetzung eskalierte: Der Angeklagte soll auf die Frau eingeschlagen und die vor ihm fliehende Marina G. bis in ihre Wohnung verfolgt haben.
Doch auch dort war die Seniorin offenbar nicht sicher. In der Wohnung soll Thomas P. weiter und „lang andauernd in erster Linie massiv auf ihren Kopf“ eingeschlagen habe, so formuliert es Staatsanwalt Johannes Jost. Der Angeklagte habe sich auf sein bereits am Boden liegendes und stark blutendes Opfer gesetzt, um die Misshandlungen fortzusetzen. Dabei habe er auch den Kopf der Frau „brutal gegen eine Türschwelle“ geschlagen, sodass das Blut bis auf eine Höhe von einem Meter an die Wände gespritzt sei. Marina G. erlitt schwerste Kopf- und Gesichtsverletzungen. Laut Anklage erstickte sie noch am Tatort an ihrem eigenen Blut.

Thomas P. wählte selbst den Notruf
Auch wenn Thomas P. an diesem ersten Verhandlungstag nichts sagt, so lassen die Aussagen von Polizeibeamten, die zum Tatort gerufen worden waren und nun Zeugen sind, etwas tiefer blicken. Der Angeklagte hatte demnach selbst den Notruf gewählt.
Den Beamten vor Ort erklärte er damals, es habe Streit gegeben. Er habe der Nachbarin noch 100 Euro geschuldet, die die Frau im Treppenhaus zurückgefordert habe. Dann, so sagte es der Angeklagte damals aus, sei sie wütend geworden, habe ihn attackiert und versucht, ihn mit ihrem Schlüssel zu töten. Er habe im Treppenhaus drei-, viermal zugeschlagen, sagte der Angeklagte damals. Aus Notwehr.
In seiner ersten Aussage leugnete Thomas P., Marina G. in deren Wohnung verfolgt zu haben, um sie dort weiter zu verprügeln. Er habe lediglich den Notruf gewählt, als die Frau dort zusammengebrochen sei. In seiner Aussage damals sagte der Angeklagte auch, dass Marina G. seit langem Lügen über ihn im Haus verbreitet habe.
Nachbarn aus dem Haus, die über das Verhältnis des Angeklagten zu Marina G. berichten können, sagten am ersten Prozesstag noch nicht aus. Für das Verfahren sind bisher noch weitere fünf Verhandlungstage geplant. Neben einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe droht dem Angeklagten auch die Unterbringung im Maßregelvollzug.
Am kommenden Freitag wird der Prozess fortgesetzt.