Prozess um Brandstiftung im Alex-Warenhaus: „Hilfe, Hilfe, der zündet alles an!“

Ein 26-Jähriger soll in Berlin Feuer gelegt haben. Vor Gericht ruft der offenbar psychisch kranke Mann: „Folter! Misshandlung!“ Jetzt wird ohne ihn verhandelt.

Stundenlang war die Feuerwehr nach der Brandstiftung im Kaufhaus Galeria Kaufhof am Alexanderplatz im Einsatz.
Stundenlang war die Feuerwehr nach der Brandstiftung im Kaufhaus Galeria Kaufhof am Alexanderplatz im Einsatz.dpa/Fabian Sommer

„Hilfe, Hilfe, der zündet hier alles an!“ Mit diesem Worten kam eine Kollegin Gerald S. am frühen Nachmittag des 30. Oktober des vorigen Jahres entgegen. Der 57-Jährige arbeitete zu dieser Zeit als selbstständiger Handelsvertreter in der vierten Etage des Kaufhauses Galeria Kaufhof am Alexanderplatz. Gerald S. sah Flammen. Er griff nach einem Feuerlöscher und lief zur Bettenabteilung. Dort, sagt Gerald S., habe Augustine M. versucht, ihm eine brennende Decke über den Kopf zu werfen.

Gerald S. ist an diesem Mittwoch Zeuge im Prozess um die Brandstiftung in dem Kaufhaus. Er erzählt, dass sich in der vierten Etage zum Zeitpunkt der Brandstiftung  etwa 50 Menschen aufgehalten hätten. Eine Etage höher sei das Restaurant gut besucht gewesen. Schwere Brandverletzungen an der rechten Hand hatte Gerald S. davongetragen, als er die brennende Decke abgewehrt hatte. Die vierte Etage des Kaufhauses sei wegen der Brandschäden vier Wochen gesperrt gewesen.

Als der Handelsvertreter seine Aussage macht, ist Augustine M. nicht mehr im Saal. Die Kammer des Landgerichts hatte den wild gestikulierenden von der Verhandlung ausgeschlossen. Denn der 26-Jährige war nicht mehr zu beruhigen. Augustine M. habe das Verfahren durch fortlaufende Zwischenrufe gestört, hatte der Vorsitzende Richter die Entscheidung seiner Kammer begründet.

Es geht in dem Verfahren um schwere Brandstiftung. Augustine M. soll am Tattag gegen 14.30 Uhr während des regulären Betriebs in der vierten Etage des Kaufhauses an mehreren Orten Feuer gelegt haben. Zunächst habe er mit einer zuvor mit einem Feuerzeug entzündeten Zeitung drei Ständer mit Herrenbekleidung in Brand gesetzt, so die Staatsanwältin. Dann sei er zu den Bettwaren gewechselt, habe dort an Bettbezügen und Decken Feuer gelegt und schließlich versucht, Badvorleger und Jacken anzustecken.

Der mutmaßliche Brandstifter konnte durch Sicherheitspersonal gestoppt werden. Die angesprungene Sprinkleranlage konnte die Flammen löschen. Zunächst wurde Haftbefehl gegen den mutmaßlichen Brandstifter erlassen und Augustine M. in eine Untersuchungshaftanstalt eingeliefert. Doch seit Mitte April dieses Jahres ist er einstweilig im Maßregelvollzug, einer Klinik für psychisch kranke Straftäter, untergebracht. Der Vater eines siebenjährigen Sohnes soll im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der sicher verminderten Schuldfähigkeit gehandelt haben. Augustine M. leidet nach Angaben des Gerichts an einer paranoiden Schizophrenie.

Deswegen ist er in dem Verfahren auch nicht Angeklagter, sondern Beschuldigter, gibt es keine Anklage, sondern eine sogenannte Antragsschrift. Weil die Staatsanwaltschaft die dauerhafte Unterbringung von Augustine M. im Maßregelvollzug anstrebt, wird auch nicht vor dem Amtsgericht Tiergarten, sondern einer Strafkammer des Berliner Landgerichts verhandelt.

Augustine M. wurde am Mittwoch von der Verhandlung ausgeschlossen. Die Staatsanwältin strebt die Unterbringung des Beschuldigten in einer Klinik für psychisch kranke Straftäter an.
Augustine M. wurde am Mittwoch von der Verhandlung ausgeschlossen. Die Staatsanwältin strebt die Unterbringung des Beschuldigten in einer Klinik für psychisch kranke Straftäter an.Katrin Bischoff

Der Beschuldigte selbst hat sich zu Prozessbeginn nicht zu den Vorwürfen geäußert, obwohl ihn der Vorsitzende Richter mehrfach darum gebeten hatte. Lautstark erhob er gegen die Ermittlungsbehörden und auch die Prozessbeteiligten Vorwürfe. Er sprach von Korruption, Kidnapping, Misshandlung und  Folter, zeigte Dokumente vom Amtsgericht Tiergarten, dem Landgericht und dem Kammergerichts. Es könne doch nicht sein, dass erst das Amtsgericht und dann das Landgericht für ihn zuständig sei, rief er und sprach von einer doppelten Strafverfolgung. Zudem forderte Augustine M., seine Verteidigerin abzusetzen. Sie habe ihm nicht zugehört und ihn auch misshandelt. „Stoppen sie das Verfahren“, rief der Beschuldigte mehrfach aufgebracht. Bis er aus dem Saal geführt wurde.

Bis zum Urteil wird nun ohne den Beschuldigten weiterverhandelt. Einen Antrag der Verteidigerin, sie von dem Mandat zu entbinden und Augustine M. einen anderen Anwalt an die Seite zu stellen, lehnten die Richter ab. Die Kammer befürchte, dass sich auch mit einem anderen Verteidiger das Verhalten von Augustine M. nicht verändern werde.

Der Prozess, der bis Anfang September terminiert ist, soll am 10. August fortgesetzt werden.