Vor Messerattacke in Wilmersdorf rief das Opfer: „Ich habe keine Angst vor dir“

Abdul A. wollte offenbar in Berlin eine Frau töten, weil sie arbeitete. Er machte eine 58 Jahre alte Frau zum Pflegefall und sagt, er habe in Notwehr gehandelt.

Tatort Grünanlage: Hier soll Abdul A. auf Regina Gerken eingestochen haben.
Tatort Grünanlage: Hier soll Abdul A. auf Regina Gerken eingestochen haben.dpa/Christophe Gateau

Berlin-Der Angeklagte ist sichtbar empört, als er an diesem Montag von seinem Platz aufsteht und ruft: „Ich habe keinen Menschen verletzt, ich habe mich gerettet.“ Abdul A. fragt die Rechtsmedizinerin noch, woher sie ihre Informationen habe, die sie nun im Gerichtssaal vortrage. Um sich dann kopfschüttelnd wieder auf seinen Platz hinter seinem Verteidiger zu setzen. Alles sei erfunden und entspreche nicht der Wahrheit, sagt er laut.

Abdul A. muss sich wegen versuchten Mordes vor Gericht verantworten. Am 4. September des vergangenen Jahres soll er die ihm unbekannte 58 Jahre alte Regina Gerken an der Prinzregentenstraße, Ecke Güntzelstraße in Wilmersdorf mit einem Messer attackiert und lebensgefährlich verletzt haben. Es passte offenbar nicht in sein Weltbild, dass eine Frau arbeitete. Die studierte Islamwissenschaftlerin hatte an jenem Tag – wie so häufig – die öffentliche Grünanlage ehrenamtlich gepflegt und eine Hecke geschnitten.

Die lebensgefährlichen Verletzungen, die die Frau erlitt, macht an diesem zweiten Verhandlungstag noch einmal die Rechtsmedizinerin deutlich. Regina Gerken habe insgesamt sechs Schnitt- oder Stichverletzungen erlitten, sagt Josephine Jahnke vor Gericht. Der Stich in die linke Halsseite habe zu den schwersten Folgen geführt. Die linke innere Halsschlagader sei durchtrennt und die Drosselvene geöffnet worden. Dadurch kam es nach Angaben der 31-jährigen Sachverständigen zu einer Minderversorgung der linken Hirnhälfte, in deren Folge Regina Gerken einen Hirninfarkt erlitt.

Die rechte Körperhälfte der Frau ist seitdem vollständig gelähmt. Die Mutter zweier erwachsener Söhne ist ein Pflegefall, sie sitzt im Rollstuhl – ohne Chance auf Besserung. Der Frau war bei der Messerattacke ein 66-jähriger Mann zu Hilfe geeilt. Klaus F. wurde dabei selbst von dem mutmaßlichen Täter attackiert. Er erlitt laut Rechtsmedizinerin insgesamt vier Stich- und Schnittverletzungen – auch am Hals. Die Verletzungen seien jedoch nicht lebensgefährlich gewesen.

Regina Gerken sitzt im Rollstuhl – ohne Chance auf Besserung

Abdul A. hatte am ersten Verhandlungstag bestritten, die Frau attackiert zu haben, und von einer erlogenen Anklage gesprochen. Vielmehr sei er, so seine Behauptung, von Regina Gerken mit der Heckenschere angegriffen worden. Er habe sich mit dem Küchenmesser, das er immer bei sich trage, nur gewehrt. Abdul A. berichtete zudem von seiner Angst, von jemandem umgebracht zu werden.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat wegen einer psychischen Erkrankung schuldunfähig war. Schon jetzt ist er im Maßregelvollzug, einer Klinik für psychisch kranke Straftäter, untergebracht. Polizeibeamten hatte Abdul A. nach dem Messerangriff davon berichtet, dass ihm Gott befohlen habe, die im Garten arbeitende Frau zu töten.

Es gibt mehrere Augenzeugen der Tat. So gibt Sascha A. vor Gericht an, dass er an jenem frühen Nachmittag auf dem Weg zum Volkspark Wilmersdorf gewesen sei, als ihm ein Mann und eine Frau aufgefallen seien. „Es sah aus, als würden sie diskutieren“, erzählt der 38-Jährige. Außerdem habe er gedacht, sie würde ihm zeigen, wie man eine Hecke schneidet. Eine Minute später hörte Sascha A. nach eigenen Worten einen Schrei. Er habe sich umgedreht und gesehen, wie der Mann auf die Frau eingestochen habe – dreimal.

Auch Christian K. lief am Tatort vorbei. Die Frau habe er schon öfter auf der Grünfläche arbeiten sehen, dem Mann sei er noch nie begegnet, sagt der 60-Jährige. „Ich hörte sie rufen: Ich habe keine Angst vor dir“, erinnert sich der Zeuge. Er habe sich umgedreht und gesehen, wie der Unbekannte Regina Gerken zunächst zweimal kräftig ins Gesicht schlug. Als er den Angreifer gefragt habe, was das solle, sei der Täter mit einem Messer in der Hand auf ihn zugekommen. Geistesabwesend habe der Täter gewirkt, wie in Trance. Plötzlich jedoch sei er zu der Frau zurückgelaufen und habe ihr ein Messer an den Hals gehalten.

Der Prozess wird fortgesetzt.