"critical mass"-Radtour: Rabbiner und Imame radeln für den Frieden durch Berlin
Daniel Alter blinzelt in die Abendsonne am Brandenburger Tor. Es ist Sonntag, 17 Uhr. Vor zwei Stunden ist er in Tegel gelandet, er war im Urlaub, nun fröstelt es ihn. Drei Grad statt 30 Grad. Aber Sonnenschein. Das Wetter steht auf der Seite des Friedens an diesem Tag. „Ich bin tiefenentspannt und warte jetzt mal ab“ sagt Alter.
Daniel Alter ist Rabbiner der Jüdischen Gemeinde. Gemeinsam mit anderen Rabbinern und mehreren Imamen nimmt er unter dem Motto „Cycling Unites“ an der Abschlussaktion der diesjährigen Bicycle Week teil. Auf Tandems – immer ein Rabbiner und ein Imam gemeinsam – radelt die Gruppe für die Einheit, für den Frieden zwischen ihren Religionen, zwischen Juden und Muslimen.
"Bestes Symbol für Zusammenarbeit"
„Wir wollen ein Zeichen setzen. Dafür, dass unsere Religionen in friedlicher Koexistenz leben können“ sagt Alter. Sein Tandempartner, der Imam Ferid Heider, sieht das ähnlich: „Ich habe sofort zugesagt, hier mitzufahren“. Doch wie passt das zusammen – Radeln und Religion? „Ein Tandem ist doch das beste Symbol für Zusammenarbeit“ sagt Alter.
Neben den Organisatoren der Bicycle Week steht hinter der Aktion das Projekt meet2respect des Vereins Leadership Berlin. Dieser organisiert regelmäßig Tandems zwischen Juden und Muslimen – allerdings an Schulen. Rabbiner und Imame informieren Schüler dort über ihre Religionen und beantworten Fragen.
Gemeinsam in eine Richtung
Organisator der Radtour war außerdem die Initiative Clevere Städte. Sie fordert mehr freie Rad- und Gehwege in Städten. „Wir setzen uns dafür ein, dass Städte so sicher sind, dass Mütter ihre Kinder alleine Fahrrad fahren lassen können“, sagt Heinrich Strößenreuther, einer der Initiatoren. „Die Verbindung zwischen unserem Anliegen und der Motivation der Radtour, ein Zeichen für den Frieden zwischen Juden und Muslimen zu setzen, klingt zunächst schräg“, sagt er, „aber es geht darum, dass es in einer Stadt keine No-Go-Areas geben darf. Für Juden nicht, für Muslime nicht – und für radfahrende Kinder und Senioren nicht.“
Hunderte Radler folgten den Imamen und Rabbinern. Vom Brandenburger Tor aus ging es vor bei an jüdischen und muslimischen Einrichtungen – wie der Synagoge in der Oranienburger Straße oder der Mevlana Moschee am Kottbusser Tor – bis zum Endpunkt am Gleisdreieck-Park. Einige Radfahrer waren nicht vorrangig wegen der symbolischen Aktion gekommen, ihnen ging es um das Radfahren in der Stadt. Wie der Diplomstudentin Justina, die für ihre Arbeit über „Urban Cycling“ extra an diesem Tag nach Berlin gekommen ist. „Das ist natürlich eine super Sache“, sagt sie.
Die Studentin Merve wiederum ist Mitglied bei Avicenna, einem Begabtenförderungswerk für muslimische Studierende. „Ich finde das Bild schön, das hier symbolisch gezeichnet wird“ sagte sie, „Rabbiner und Imame, die gemeinsam in eine Richtung fahren“.