Das Fusion-Festival ist zurück: 70.000 Menschen feiern den Ferienkommunismus

Am Mittwoch beginnt das größte nicht kommerzielle Open Air Deutschlands auf dem früheren Militärflugplatz in Lärz. Veranstalter befürchten chaotische Anreise.

Auch dieses Jahr sind alle 70.000 Tickets verkauft.
Auch dieses Jahr sind alle 70.000 Tickets verkauft.dpa/Christian Charisius

Berlin-Nun ist es wieder so weit: Nach zwei Jahren Corona-Zwangspause startet das legendäre Fusion-Festival am Mittwoch wieder. Das heißt: 70.000 Fans reisen in die Nähe des kleinen mecklenburgischen Dorfes Lärz und feiern sich dort selbst als eine große etwas verrückte Parallelgesellschaft, die sich ganz offen gegen Zwänge und Kontrollen stellt und für ganz viel Toleranz steht. Es ist das wohl größte nicht kommerzielle Festival in Deutschland.

ФУЗИОН, oder „die Fusion“, wie das Festival von den Fans genannt wird, steht für fünf Tage „Ferienkommunismus“. Wobei der Kommunismus in diesem Fall nicht als ideologische Diktatur gemeint ist, sondern als größtmögliche Form von Freiheit gedeutet werden soll.

Martin Eulenhaupt ist so etwas wie der Chefdenker und -lenker hinter dem Festival, das seit 1996 in der Einöde stattfindet. Es ist in erster Linie ein Musikfestival vor allem für Freunde von elektronischer Musik, sagen die vielen Fans. Die Gegner stören sich daran, dass es dort auch einen recht freien Umgang mit Drogen gibt. Sie fordern gern strengere Polizeikontrollen.

12.000 Helfer vor Ort

Eulenhaupt ist 60 Jahre alt und seit etwa 40 Jahren Eventmanager. „Das Ganze ist ein Gemeinschaftswerk“, sagt er. Getragen wird das Festival vom Verein Kulturkosmos, dessen Vorsitzender Eulenhaupt ist. „Doch es sind insgesamt sicher an die 200 Vereine und Gruppen, die gemeinsam das Ding umsetzen“, sagt er und schätzt, dass es etwa 12.000 Helfer sind, die dafür sorgen, dass der „Laden läuft“. Der Laden – das sind: 40 Bühnen, 1150 Acts von etwa 3000 Künstlern – Musik, Theater, Performance, Kino, Lesungen, Diskussionen, Meditation und Tanz.

Weil die Nachfrage viel größer ist, wird jedes Jahr eine Lotterie veranstaltet, bei der die personalisierten Tickets verlost werden. Alle 70.000 Karten seien inzwischen verkauft und verschickt. Alles andere wäre nach zwei Jahren Corona-Pause auch eine Überraschung gewesen. Ärger mit den Sicherheitsbehörden erwartet Eulenhaupt nicht.

Wasserwerfer und Räumpanzer

Den gab es 2019, als die Polizei unbedingt eine Polizeiwache auf dem Festivalgelände durchsetzen wollte. Das lehnten die Veranstalter ab. Auch, dass die Polizei ohne Anlass über das Gelände patrouillieren kann. Fast wäre die Fusion am Streit über das Sicherheitskonzept gescheitert. Die Polizei wollte mit 1000 Leuten vor Ort bereitstehen, mit Räumpanzern und Wasserwerfern.

Tanz im Kunstnebel beim Fusion-Festival
Tanz im Kunstnebel beim Fusion-Festivalimago images

Schließlich setzten sich die Veranstalter durch. Und auch dieses Mal steht die Polizeiwache zwar auf dem Gelände des Vereins, nicht aber auf dem Festivalgelände, sondern daneben. Und die Polizei darf nur bei einem konkreten Anlass auf das Areal.

Den Machern ist möglichst große Freiheit wichtig. Doch bis die Fans diese Freiheiten ausleben können, wird es ein harter Weg: Denn gibt es zwar keine harten Corona-Auflagen. „Aber die Anreise dürfte ein echtes Problem werden“, sagt Eulenhaupt, der von fast allen nur Eule genannt wird. Er meint das 9-Euro-Ticket der Bahn. Ein Preis, der fast kommunistisch ist. Eulenhaupt rechnet damit, dass massenhaft Besucher mit der Bahn anreisen. „Das wird sehr problematisch, denn die Bahn weigert sich, Sonderzüge einzusetzen“, sagt er. „Die Bahn kann die Kapazitäten gar nicht abdecken. Da wird es zu Turbulenzen kommen.“

Er hat aber die Hoffnung, dass zumindest die meisten Berliner Bahnfahrer wissen, was die Fusion-Woche bedeutet. „Da sollte lieber niemand versuchen, mit der Bahn zur Oma nach Stralsund fahren zu wollen.“