Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs legte die Rote Armee in Berlin vier sowjetische Ehrenmale an. Sie erinnern an die etwa 80.000 bei der Befreiung der deutschen Hauptstadt gefallenen Rotarmisten. Ein Großteil der toten Soldaten wurde an diesen Orten begraben. Die Ehrenmale sind also nicht nur Denkmale an den Sieg über Deutschland, sondern auch Friedhöfe. Angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine sind sie ins Zentrum erinnerungspolitischer Debatten geraten.
1990 sicherte die Bundesrepublik im deutsch-sowjetischen Nachbarschaftsabkommen und im Zwei-plus-vier-Vertrag Pflege und Erhalt der Denkmäler zu: „Die auf deutschem Boden errichteten Denkmäler, die den sowjetischen Opfern des Krieges und der Gewaltherrschaft gewidmet sind“, sowie die Kriegsgräber würden geachtet und unter dem Schutz deutscher Gesetze stehen, heißt es da.
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Das zentrale Ehrenmal ist die Anlage im Treptower Park. Daneben entstanden das Ehrenmal in der Schönholzer Heide (Pankow), das Ehrenmal im Tiergarten und ein kleineres in Berlin-Buch. Jedes trägt einen anderen Charakter, in jedem zeigt sich eine andere Form des Gedenkens. Wir stellen sie vor. Teil 2:
Trauer um Tausende Individuen
In keinem der sowjetischen Ehrenmale treten dem Besucher die Sowjetsoldaten, die in der Schlacht um die Befreiung Berlins vom Nationalsozialismus fielen, näher als in der Schönholzer Heide. Hier liegen die sterblichen Überreste von rund 13.200 Soldaten und Offizieren der Roten Armee, die im April/Mai 1945 starben, unter ihnen auch 120 Frauen. Hier wird es persönlich, denn die Gefallenen treten als Individuen auf: Mehr noch als die zentrale Statue der russischen „Mutter Heimat“, welche um ihren gefallenen Sohn trauert, beherrschen die Namen der Toten die Stimmung.
Sie sind zu lesen auf der langen Mauer rund um das Ehrenmal auf 100 Bronzetafeln. Verzeichnet sind neben den Namen die Dienstgrade und Geburtsjahre von 2647 gefallenen Sowjetsoldaten. Nur knapp ein Viertel der Bestatteten konnte identifiziert werden, bis heute können neu ermittelte Namen ergänzt werden. Die Individualisierung unterscheidet dieses Ehrenmal von dem im Treptower Park. Doch ebenso wie dieses ist es Soldatenfriedhof und Gedenkstätte zugleich.
Gedenken an Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter
Beiderseits entlang der Hauptachse, an deren Ende sich ein 33,5 Meter hoher Obelisk erhebt, liegen acht Grabkammern, in denen jeweils 1182 Rotarmisten die letzte Ruhe fanden. Unter der Ehrenhalle des Obelisken befindet sich eine Gruft, in der die sterblichen Überreste zweier sowjetischer Oberste ruhen. Am Sockel des Obelisken sind 42 Bronzetafeln mit Namen von gefallenen Offizieren angebracht. Zudem erinnert ein Gedenkstein hinter dem Obelisken an sowjetische Opfer, die in den deutschen Konzentrationslagern starben. Das ist bemerkenswert, denn in der Ära Josef Stalins galten Kriegsgefangene als potenzielle Kollaborateure.
Auf dem Gelände des 1947 bis 1949 errichteten Ehrenmals hatten die Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkrieges im einst beliebten Naherholungsgebiet Schönholzer Heide eines der größten Berliner Zwangsarbeitslager betrieben.
Historischer Akt von Bundespräsident Steinmeier
Stilles Gedenken prägte in den vergangenen Jahren die Feierlichkeiten rund um den Tag der Befreiung, eine volksfestartige Athmosphäre wie im Treptower Park passt nicht in die würdevoll-trauererfüllte Szenerie. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wählte das Ehrenmal in Pankow aus, um sich am 22. Juni 2021, 80 Jahre nach dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion, als erster deutscher Bundespräsident in einer stillen Zeremonie vor den gefallenen Soldaten der Roten Armee, vor den nach Deutschland zur „Vernichtung durch Arbeit“ verschleppten Zwangsarbeitern, vor den verhungerten, erfrorenen oder erschossenen sowjetischen Kriegsgefangenen zu verneigen. Die längst überfällige Geste umfasste alle Ethnien der Sowjetunion, Russen, Belarussen, Ukrainer, Kasachen, Tataren, Balten usf.