Berlin - Wie verabredet sah das aus: Kaum hatte der Fraktionsvorstand der SPD um ihren Chef Raed Saleh am Dienstagabend die Offenlegung der S-Bahn-Verträge gefordert - da waren sie auch schon öffentlich! „Leaken“ nennt man das Neudeutsch, gemeint ist (nach dem Portal Wikileaks) eine Veröffentlichung geheimer Dokumente im Internet, herunterzuladen für jeden.
Tatsächlich machte am Mittwoch blitzschnell ein Netzverweis die Runde, unter anderem getwittert und gemailt von den Berliner Piraten und vom SPD-Netzpolitiker Sven Kohlmeier: http://crocodoc.com/ 5SWQH5L. Wer dem Link folgt, kann drei Papiere laden, den S-Bahn-Verkehrsvertrag, den S-Bahn-Änderungsvertrag und auch den BVG-Verkehrsvertrag.
Schon am Dienstagabend über Twitter
Mit den Sozialdemokraten hat die Veröffentlichung allerdings wenig zu tun. Denn ins Netz gestellt hat sie Stefan Wehrmeyer, Betreiber des Portals „fragdenstaat.de“, das Anträge auf Akteneinsicht bei Bundesbehörden anbietet. Wehrmeyer hatte Ende September 2011 bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einen Antrag auf Einsicht in die drei Verkehrsverträge gestellt, nach dem recht fortschrittlichen Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Ende Dezember stand der BVG-Vertrag, vor einer Woche dann der S-Bahn-Vertrag in Kopie zur Abholung in der Behörde bereit, die inzwischen von Verkehrssenator Michael Müller (SPD) geleitet wird.
Meistgelesene Artikel
Netz-Spezi Wehrmeyer verwandelte sie in digitale Dateien und twitterte den Link noch am Dienstagabend: „@spdberlin fordert Offenlegung der S-Bahn-Verkehrsverträge. Bitte schön, hier sind sie.“ Dabei war Wehrmeyer nicht einmal der erste: Schon 2009 beantragte der grüne Bezirkspolitiker Jürgen Roth Einsicht in die S-Bahn-Verträge. Er erhielt aber nach eigener Auskunft nur unbrauchbare Papiere, in denen die interessanten Stellen geschwärzt waren. Auch die frisch geleakten Verträge haben diesen Schönheitsfehler: Etliches ist abgedeckt oder geschwärzt, insbesondere Passagen zu geschäftlichen Kalkulationen und zur Finanzierung des Betriebs durch das Land.
Genau diese Dinge sind aber interessant, weil sie darüber Auskunft geben, wie gut der Vertrag mit der S-Bahn GmbH, einer Bahn-Tochter, mit dem Land wirklich ist (siehe unten). Gestritten wurde vor allem darüber, ob die Zahlungen zu hoch sind und die Vertragsstrafen ausreichen, wenn die S-Bahn, wie seit 2009 so oft, nicht, unpünktlich oder mit zu wenigen Wagen fährt.
Senator Müller sieht „kein Problem“
Rouzbeh Taheri, Sprecher des Berliner S-Bahn-Tisches, der per Volksbegehren eine bessere Ausstattung für eine kommunale S-Bahn erreichen will, nannte die Offenlegung einen „ersten Schritt“. Der Gesetzestext, über den die Berliner noch 2012 abstimmen sollen, fordert dies ebenfalls. Mehr Personal und mehr Züge seien aber genauso wichtig, sagte Taheri. Die Piraten unterstützen ebenso wie die Linke den S-Bahn-Tisch. Auch die Grünen wollen die Offenlegung. Selbst die CDU stellte sich nicht dagegen. „Wir fänden das richtig. Aber ohne die Text-Schwärzungen“, sagte der Verkehrspolitiker Oliver Friederici.
Senator Müller hätte mit einer Veröffentlichung „kein Problem“, wie er im Verkehrsausschuss am Mittwoch sagte. Von „Geheimverträgen“ könne ohnehin nicht die Rede sein. Seit zwei Jahren können die Abgeordneten alle Verträge im Datenraum des Parlaments einsehen - vollständig und ungeschwärzt. Müller will mit der Deutschen Bahn und dem ebenfalls beteiligten Land Brandenburg über eine Veröffentlichung sprechen.
Die Bahn teilte mit, dass die Verträge vertraulich seien und einer Offenlegung alle Partner zustimmen müssten, um „wettbewerbsrelevante Inhalte“ zu schützen. Was die Bahn von der Herausgabe durch die Verwaltung halte, blieb vorerst unbeantwortet.