Datenschutz - Deswegen debattiert Berlin über Nummern auf Klingelschildern

An fast allen Mietshäusern hängen Klingelbretter mit den Namen der Bewohner. Doch diese Praxis könnte gegen die neue Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstoßen. Der Eigentümerverband Haus & Grund vertritt diese Rechtsauffassung und rät seinen bundesweit 900.000 Mitgliedern deshalb, alle Namensschilder von Mietern zu entfernen. Nur so könnten sie sicher sein, keine Bußgelder zu riskieren, sagte Verbandschef Kai Warnecke am Donnerstag in Berlin. Das Problem der Klingelschilder beschäftigt nun zahlreiche Interessenvertreter, Vermieter und Behörden der Stadt.

Anlass der Debatte ist ein Präzedensfall aus Österreich: In Wien verlieren 220.000 Mieter die Namensschilder an ihren Klingeln, weil sich ein Bewohner über mangelnden Datenschutz beschwert hat. Der Mieter verwies dabei auf die DSGVO. Die betroffene Hausverwaltung Wiener Wohnen erhielt von der Stadt Wien die Einschätzung, dass die bisher übliche Verbindung von Name und Wohnungsnummer auf den Schildern gegen den EU-Datenschutz verstoße. Künftig sollen deshalb nur Nummern auf den Schildern stehen.

Mieter haben die freie Wahl

In Berlin wurden die Wiener Ereignisse aufmerksam beobachtet. Denn allein die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften müssten die Klingelschilder von mehr als 300.000 Wohnungen umrüsten, sollten sich die Datenschutzbedenken erhärten. Bei der Howoge hieß es am Donnerstag zunächst, dass sich der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) mit der Frage befasse und eine gemeinsame Stellungnahme aller landeseigenen Vermieter vorbereite.

BBU-Vorstand Maren Kern erklärte daraufhin, dass Mieter freie Hand hätten, über die Nutzung ihres Namens zu entscheiden. „Wenn jemand seinen Namen nicht an der Tür sehen will, kann er ihn entfernen lassen“, sagte Kern. Sie verwies allerdings auch nachdrücklich auf „die unpraktikablen Folgen für Besuche, nachbarschaftliches Zusammenleben, Erreichbarkeit für Rettungsdienste oder die Zustellung der Post“. Dies seien nur einige der Schwierigkeiten, die der freiwillige Verzicht auf ein Namensschild mit sich bringe. Die privaten Wohnungsgesellschaften Vonovia und Deutsche Wohnen, größter Vermieter in Berlin, haben nach eigener Auskunft vorerst ebenfalls keine Pläne, Klingelschilder pauschal abzumontieren.

Kai Warnecke hofft auf eine Lösung

Ein wichtiger Streitpunkt in der Schilderfrage ist, ob die Hausverwaltung Wiener Wohnen und die von ihr befragten städtischen Datenschützer die DSGVO richtig ausgelegt und angewandt haben. Kai Warnecke, Präsident der Haus & Grund, vertritt die Auffassung, dass die rechtliche Einschätzung aus Österreich nicht von der Hand zu weisen sei. Er fordert die Bundesregierung auf, für eine endgültige Klärung zu sorgen – und „dieses Datenschutz-Chaos zu beenden“.

Warnecke fürchtet, dass die Vermieter in Deutschland demnächst die Türschilder aller 20 Millionen Wohnungen bundesweit umrüsten müssen. Dies könne mit 200 Millionen Euro zu Buche schlagen und bei Zuwiderhandlung außerdem zu Bußgeldern in Millionenhöhe führen. Warnecke hofft, dass sich auf politischem Weg noch eine Lösung finden lässt, so dass „Namen an Klingelschildern und Briefkästen weiterhin genannt werden dürfen“.

Wirtschaftlicher Wahnsinn

In Berlin ist die Wiener Rechtsauslegung allerdings umstritten. Die DSGVO sei auf Mieterbeschwerden über Klingelschilder nicht anwendbar, sondern gelte nur für automatisierte Datenerfassung, sagte die Berliner Datenschutzbeauftragte Jana Schönefeld. Ihr Standpunkt wird auch beim Wohnungsverband BBU geteilt. Die Datenschutzbeauftragte rät Hauseigentümern, ihren Mietern bei Neuvermietung eine Wahlmöglichkeit zu bieten.

Im Streitfall könne man sich an ihre Behörde wenden. Aber pauschal alle Schilder von Alt-Mietern zu entfernen, sei wirtschaftlicher Wahnsinn, so Schönefeld. Vor einer überspritzten Debatte warnt der Netz-Politiker und Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz (Grüne). Er wirft dem Eigentümerverband Haus & Grund vor, „die Menschen mit Absurditäten zu verunsichern und substanzlos gegen die neue EU-Datenschutzgrundverordnung zu wettern“.