Debatte: "Frechheit, dass das Brandenburger Tor nicht in den Farben Russlands strahlt“

Berlin - Soll das Brandenburger Tor im Gedenken an die Opfer des Anschlags von Sankt Petersburg in den Farben Russlands beleuchtet werden? Nein, sagt der Berliner Senat – weil St. Petersburg keine Partnerstadt von Berlin ist. Bei vielen unserer Leser stößt diese Entscheidung jedoch auf Unverständnis. In sozialen Netzwerken beklagen sie eine Doppelmoral, mit der der Senat entscheide.

„Bei sämtlichen Anschlägen wurden die entsprechenden Länderfarben aus Solidarität ans Tor gestrahlt. Gibt es für Russland keine Solidarität? Man kann sich nur noch schämen“, schreibt etwa Mat Mue auf der Facebook-Seite der Berliner Zeitung: „Es ist eine Frechheit, dass das Brandenburger Tor nicht in den Farben Russlands angestrahlt wird“.

"Ich bin echt beschämt"

Ähnlich sieht es Lysann Dümichen: „Leider hat das Brandenburger Tor viele Farben bereits annehmen müssen. Aber jetzt einen Unterschied zu machen? Ich bin echt beschämt“, schreibt sie. „Dieses Messen mit zweierlei Maß spaltet, schürt Unmut und Unverständnis und ist eine Einteilung in verschiedene Wertigkeiten von Menschen, Völkern oder Ethnien. Es ist auch eine Art von Rassismus“, sagt Andreas Böckler. Mit Unverständnis reagiert auch Imke Fritz: „Berlin, ich bin enttäuscht und traurig. Das ist beschämend!“

Viele Nutzer beklagen zudem, dass die Begründung des Senats, Berlin sei keine Partnerstadt von St. Petersburg, falsch sei. „Berlin-Mitte hat sehr wohl eine Städtepartnerschaft mit St. Petersburg“, schreibt etwa Reinhard Greulich.

Melanie Esslinger hätte es gerne gesehen, wenn das Brandenburger Tor in weiß-blau-rot geleuchtet hätte, um der 14 Toten und vielen Verletzten zu gedenken. „Alleine angesichts der Tatsache, wie viele Russen bei uns in Deutschland leben, wäre es einfach das richtige Zeichen gewesen. Diese Chance haben wir verpasst. Berlin hat sie verpasst.“ Auch René Reyher sieht das so: „Man sollte das Brandenburger Tor auch in den Farben von Russland beleuchten.“

"Eine Doppelmoral bei der Auswahl darf es bei so etwas nicht geben"

Tom Grimm hat sogar eine Petition gestartet. Er fordert, das Tor in den russischen Farben anzustrahlen – so wie es bei den Anschlägen in Paris, London oder Istanbul gemacht wurde. „Eine Doppelmoral bei der Auswahl darf es bei so etwas nicht geben, wenn dann muss man um alle Länder trauern und nicht selektieren“, schreibt er auf unserer Facebook-Seite: „Es wäre ein menschliches Zeichen der Solidarität und wir haben viele russische Mitbürger und Freunde.“

Andere sehen es differenzierter. Ate Tom hält das häufige Anstrahlen des Brandenburger Tores nach Terroranschlägen „für ziemlich ausgelutscht“. Es sei „keine wirklich sinnvolle Reaktion auf einen Anschlag“. Im Falle des Anschlags von St Petersburg habe der Verzicht jedoch „einen faden Beigeschmack.“ 

Auch andere stört die Illumination des Berliner Wahrzeichens. „Welches Opfer oder Angehörige der Opfer interessiert sich für das Anstrahlen des Brandenburger Tores?“, fragt etwa Tylor Dyrten. „Schämen sollten sich alle, die zuerst an die Einfärbung eines Symbols denken anstatt daran, wie und was man in dieser Welt verändern könnte und sollte“, schreibt Thor Sten. Auch Erick Rodríguez hält nichts davon: „Das Tor müsste jeden Tag mit irgendwelcher Flagge angeleuchtet werden, um den Tragödien auf der Welt zu gedenken“, schreibt er.

"Man sollte den ganzen Quatsch lassen"

Robert Mueller meint: „Die Beleuchtung von Wahrzeichen ist leider so überflüssig und hilflos wie ein temporäres Profilbild. Wenn man diese routinierte Unsitte einfach sein lässt, würde es auch keine Ungleichbehandlung mehr geben.“

Uwe Schwarz schreibt: „Man sollte den ganzen Quatsch lassen, der Solidarität und Mitgefühl ohnehin nur simuliert“. Auch im Irak, in Pakistan und in Nigeria gebe es fast wöchentlich fürchterliche Anschläge, das Brandenburger Tor sei aber noch nie in deren Landesfarben beleuchtet worden.

„Am besten strahlt man das Tor in einer Endlosschleife mit den Farben der Flaggen aller Länder an“, schlägt Matthias Haverland vor. Einen ähnlichen Vorschlag hat Bernhard Szirnik: „Ich wäre dafür, das Brandenburger Tor jeden Tag per Zufallsgenerator mit einer Flagge eines Staats zu beleuchten“, schreibt er. Dan Stein spricht sich für ein neutrales Zeichen aus: „Wie wäre es, das Tor fortwährend mit Symbolen des Friedens zu bestrahlen?“