Debatte um Clubsterben in Berlin: Ein Club, der über Jahrzehnte existiert, hat etwas falsch gemacht
Wie ein Schreckgespenst spukte der Begriff „Clubsterben“ in den vergangenen Jahren immer mal wieder durch das Berliner Nachtleben. Clubs wie das Icon, Knaack oder der Klub der Republik schlossen, Anwohner und Gentrifizierung, Gema und steigende Preise wurden verantwortlich gemacht. Eine Stadt ohne Glamour, ohne Freude nach acht Uhr abends, ohne Tanz und ohne Trubel war die einhellige Prophezeiung der Beteiligten des Berliner Nachtlebens, wenn es um eine Zukunftsprognose ging. Was ist davon eingetroffen?
Bei näherer Betrachtung nichts, Nachtleben und Clubbing in dieser Stadt prosperieren nach wie vor – oder erfinden sich neu, wie der Magnet Club, der mit einem frischen Konzept die Arbeit unter dem Namen Musik & Frieden fortführt. Und sogar in Prenzlauer Berg, sinnbildlich für einen gentrifizierten Stadtteil, eröffnen wieder Clubs, nachdem dort in den vergangenen Jahren Ausgehen ein Ding der Unmöglichkeit geworden war.
Codes und Nischen
Berlin befindet sich jedoch, zeitverzögert zu Metropolen wie London oder Barcelona, in einem Dilemma: Das Nachtleben der Stadt war über viele Jahren zum einen so exzessiv und zum anderen so billig, dass der Ruf weit über die Grenzen des Landes hinaus Jugend aus aller Herren Länder nach Berlin zog. Der sogenannte Easy-Jetset kam und kommt nach Berlin um eben jene mythenumrankte Libertinage, die Drogen, die Musik, den Sex, kurz: alles, was auf Jugendliche anziehend wirkt, zu genießen. In Folge bleiben die Einheimischen fort, Nachtleben funktioniert eben über Codes und Nischen, über Mund-zu-Mund-Propaganda und Elitenbildung: Niemand will neben einer Horde besoffener Junggesellen tanzen und feiernde Erasmus-Studenten gelten für einen Club als ein sicheres Zeichen, dass es mit der Hipness vorbei ist. In Folge teilen sich Berliner und Touristen das Nachtleben nicht mehr, wer hier lebt, versucht, sich alternative Orte zu suchen. Mit Konsequenzen für die Clubs.
So wurde das Berghain vom Magazin DJmag, der Bibel des internationalen Techno-Jetsets, abgestraft, in dem es vom ersten Platz als bester Club der Welt auf einen 13. verwiesen wurde. Zu viele Touristen, zu wenig Underground sei das noch, wurde bemängelt. Ein Paradoxon: Läuft’s gut, ist’s zumeist vorbei mit dem Ruf. Dem Berghain indes, auch das ist ein Stück Berlin, schadete dies nicht. Noch immer wollen Tausende hinein, noch immer ist die Tür die wahrscheinlich härteste der Stadt und noch immer gilt der Club am Wriezener Bahnhof als Ort, an dem hochwertigste elektronische Musik und sexuelle Freizügigkeit zusammenfinden. Das Ergebnis ist ein Ort, an dem sicher der Besucher fern aller Konventionen verlieren kann, sich treiben lassen darf. Ein Ort von magnetischer Anziehungskraft, legendensatt und ehrfurchtsgebietend.
Domäne der Jugend
Aber auch wenn Clubs schließen, ist dies ein normaler Vorgang. Clubleben, exzessives Ausgehen ist in Berlin basisdemokratisch zwar allen Altersklassen erlaubt, doch bleibt das Nachtleben eine Domäne der Jugend. Clubs sind Orte der Jugendkultur und haben als solche schon bei der Eröffnung eine Halbwertszeit. Ein Club, der über Jahrzehnte existieren würde, hat etwas falsch gemacht: Coolness und Angesagtsein leben von ihrer Kurzfristigkeit, das Nachtleben muss vergänglich sein, um aufregend zu bleiben.