Abgabe auf hohe Mieten? Debatte um neue „Mietensteuer“ für Berlin

Der rot-grün-rote Senat will die Einführung einer Abgabe prüfen. Während aus der Koalition Zustimmung kommt, lehnt die Opposition die Überlegungen ab.

Kommt in Berlin eine Abgabe auf hohe Mieten? Darüber wird heftig gestritten.
Kommt in Berlin eine Abgabe auf hohe Mieten? Darüber wird heftig gestritten.Sabine Gudath

In der rot-grün-roten Koalition in Berlin mehren sich die Forderungen nach einer Abgabe auf hohe Mieten für Wohnungen in der Bundeshauptstadt. Eine „Mietensteuer“, wie die Abgabe genannt wird, könnte nach einem Modell des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) 201 Millionen Euro jährlich in die Landeskasse spülen. Gezahlt werden müsste die Abgabe von all jenen Vermietern, deren Mietforderungen die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als zehn Prozent überschreiten. Je höher die Überschreitung, umso höher soll die Abgabe sein.

„Wir müssen alle zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen, den Mietenanstieg zu bremsen und Wohnen bezahlbar zu halten“, sagt der SPD-Abgeordnete Lars Rauchfuß. Der Vorschlag des DIW sei „besonders geeignet, weil die Abgabe zielgenau diejenigen heranziehe, die deutlich erhöhte Mieten oberhalb der Vergleichsmiete verlangen“. Berlin müsse „nicht auf den Bund warten, wo die FDP alles, was Mieterinnen und Mietern hilft, ausbremst und blockiert“, so Rauchfuß. Ähnlich sieht es der SPD-Abgeordnete Mathias Schulz. „Die Einnahmen könnten zielgerichtet für den Wohnungsbau oder zur Absenkung von Mieten verwendet werden“, sagt er. Es wäre eine Win-win-Situation. „Unsere Botschaft ist: Überzogene Mieten dürfen sich nicht lohnen“, so Schulz.

Die Landesregierung will die Einführung einer „Mietensteuer“ prüfen, legt sich auf ein bestimmtes Modell aber nicht fest. Die Ausführungen des DIW lieferten „einen Impuls für das in die Richtlinien der Regierungspolitik übernommene Vorhaben, Vorschläge für eine progressive Steuer oder Abgabe auf überdurchschnittlich hohe Mieteinnahmen zu prüfen“, erklärt die Senatsverwaltung für Finanzen in der Antwort auf eine Anfrage der SPD-Abgeordneten Rauchfuß und Schulz. Der RBB hatte zuerst darüber berichtet.

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Einführung einer Abgabe rechtlich möglich

Das Land Berlin hat laut Finanzverwaltung für die Einführung einer Steuer auf hohe Mieten zwar keine Gesetzgebungskompetenz, doch könnte es eine Abgabe einführen. „Die Angemessenheit sowie etwaige Ausweichreaktionen und Folgewirkungen“ seien „Gegenstand der Prüfung durch die zuständige Senatsverwaltung und werden in einer Gesamtbewertung Berücksichtigung finden“, so die Finanzverwaltung.

Der Vorschlag des DIW für eine „Mietensteuer“ stammt aus dem November vergangenen Jahres. Das Institut kritisierte damals, dass nach dem gescheiterten Mietendeckel nun mit der geplanten Enteignung großer Wohnungsunternehmen „ein weiterer fragwürdiger Versuch“ unternommen werde, den steigenden Mieten in der Hauptstadt etwas entgegenzusetzen – als Alternative empfahl das DIW stattdessen sein Modell der „Mietensteuer“.

Mieten, die die ortsübliche Vergleichsmiete um maximal zehn Prozent überschreiten, würden nach dem Modell abgabenfrei bleiben. Bei einer Überschreitung der ortsüblichen Miete um mehr als zehn Prozent würde dieser Anteil der Miete – je nach Höhe – mit Abgaben von 10, 20 oder 30 Prozent belastet werden.

Vor knapp 100 Jahren hieß die Abgabe noch Hauszinssteuer

Das DIW verweist darauf, dass schon vor knapp 100 Jahren das Instrument einer „Mietensteuer“ genutzt wurde, um bezahlbaren Wohnraum zu fördern. Mit der sogenannten Hauszinssteuer in Preußen sowie ähnlichen Abgaben in den übrigen Ländern seien von 1924 an „inflationsbedingte Schuldnergewinne“ der Immobilienbesitzer „abgeschöpft“ worden. Die Mittel seien unter anderem in den Bau der Siedlungen der Moderne investiert worden – darunter die Hufeisensiedlung in Britz, die Weiße Stadt in Reinickendorf und die Waldsiedlung in Zehlendorf.

„Eine neue Hauszinssteuer, oder besser gesagt: eine Sonderabgabe von Vermietern auf hohe Mieten, wäre eine wichtige zusätzliche Maßnahme, um gerade die Eigentümer in die Pflicht zu nehmen, die in den letzten Jahren besonders vom angespannten Wohnungsmarkt profitiert haben“, sagt die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger. Die Abgabe könne aber „eine sozialere Gestaltung des Bundesmietrechts“ nicht ersetzen – „ebenso wenig wie die Vergesellschaftung oder Rekommunalisierung von Wohnraum“. Nötig sei, die Abgabe „in ein wohnungspolitisches Gesamtkonzept“ einzubetten. Dazu gehöre die Einführung eines Miet- und Wohnungskatasters, in dem die Miethöhen erfasst werden.

Ähnlich äußert sich der Linken-Abgeordnete Niklas Schenker. „Es ist richtig, darüber nachzudenken, wie wir die Immobilienwirtschaft als Profiteurin der Krise am Wohnungsmarkt stärker besteuern und ihre Gewinne abzuschöpfen können“, sagt er. Eine Mietensteuer wäre aber nur hilfreich, wenn ausgeschlossen ist, dass die Kosten direkt oder indirekt auf die Mieter umgelegt werden.

Mieterverein unterstützt die Pläne

Die Opposition sieht die Überlegungen für eine Mietensteuer kritisch. „Nach dem gescheiterten und verfassungswidrigen Mietendeckel und der quälenden Debatte um milliardenschwere Zwangsenteignungen wollen die Genossen eine Mietensteuer erheben“, sagt der CDU-Abgeordnete Dirk Stettner. „Dabei wissen sie schon jetzt, dass diese genauso wenig Bestand hätte vor unserer Verfassung.“ Steuern und Abgaben müssten am Ende die Mieter bezahlen. Und der FDP-Abgeordnete Björn Jotzo warnt: Die Steuer würde dazu führen, „dass das Angebot an Mietwohnungen noch weiter abnimmt“. Die rot-grün-rote Koalition müsse „endlich dafür sorgen, dass der benötigte Wohnraum gebaut wird und neben Eigentumswohnungen auch wieder Miethäuser mit fairen Mieten entstehen“.

Der Berliner Mieterverein (BMV) unterstützt die Überlegungen für eine Sonderabgabe. „Die finanziellen Herausforderungen in der Wohnungsversorgung werden in den nächsten Jahren stark anwachsen“, sagt BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. „Für den bedarfsgerechten Neubau und die Klimaschutzanforderungen in bestehenden Wohngebäuden wird das Land Berlin deutlich mehr Fördermittel bereitstellen müssen, die sich dann mietdämpfend auswirken.“