Demo gegen den Mietenwahnsinn am Samstag: Berliner erklären, warum sie auf die Straße gehen

Berlin - Am Sonnabend werden Tausende Menschen gegen die Wohnungspolitik und Wohnungsmangel in dieser Stadt auf die Straße gehen. Sie protestieren gegen teure Modernisierungen und Verdrängung.

Ein Bündnis von 244 Gruppen unterstützt die Forderungen der Demonstration. Es könnte der größte Mieterprotest werden, den es je in Berlin gegeben hat. Etliche Bewohner haben Angst und Sorge um ihre Wohnungen. Die Berliner Zeitung hat einige von ihnen besucht.

Die Alleinerziehende

Wanda Schulte hat sich vorgenommen, nicht mehr darüber nachzudenken, wie es in den kommenden Jahren mit ihrer Wohnung weitergehen wird. Trotzdem beschäftigt sie diese Frage jeden Tag. Die 38-Jährige lebt mit ihrem vier Monate alten Sohn Lovis in einer gemütlich eingerichteten Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung in der Gontermannstraße in Tempelhof.

Gonterdorf nennen die Bewohner die Siedlung. Ruhig ist es dort. In den großen Höfen gibt es Gärten und Spielplätze. Im Mai 2017 ist die alleinerziehende Mutter eingezogen. „Ich habe ständig die Hausverwaltung genervt, es hat geklappt.“ Sie wollte in der Nähe ihrer Familie sein, die im Gonterdorf wohnt. Sie wusste, wenn das Kind kommt, kann sie jede Hilfe gebrauchen.

Dann begann die Sanierung

Im November 2017 begann die Wohnungsbaugesellschaft mit der Sanierung der Wohnungen. Bisher zahlt die Casting-Managerin für Kreuzfahrtschiffe etwa 700 Euro für die 71 Quadratmeter große Wohnung. Das ist etwa die Hälfte ihres Einkommens aus Eltern- und Kindergeld.

Nach der Modernisierung soll Wanda Schulte 1,80 Euro pro Quadratmeter mehr bezahlen. Sie weiß, dass sie aufgrund ihres Einkommens als sozialer Härtefall gilt, sie also womöglich die geforderte Mieterhöhung gar nicht bezahlen muss. „Doch mich beruhigt das nicht“, sagt sie. „Ich spüre ständig eine gewisse Bedrohung“ sagt sie.

Hart umkämpfter Wohnungsmarkt

Und sie hört es ja auch von anderen. Einer Freundin droht der Rauswurf, das Haus, in dem sie wohnt, wurde verkauft. Nachbarn zogen fort. Sie fanden erst außerhalb des S-Bahn-Rings eine bezahlbare Wohnung. Jetzt haben sie längere Fahrtwege zur Arbeit in die Innenstadt und höhere Fahrtkosten.

Andere Bekannte erzählen, wie sie mit hundert Bewerbern zur Besichtigung angestanden haben. „Wer kein berufstätiges Paar ist und nicht gut verdient, hat keine Chance mehr auf diesem Wohnungsmarkt“, sagt die alleinerziehende Mutter. Es klingt frustriert. „Politisch muss sich was ändern“, sagt Wanda Schulte. „Die bürgerlichen Milieus müssen geschützt werden.“ 

Die Frau im Rollstuhl

Frohnau, Tegel, Schöneberg, Prenzlauer Berg, Wedding. Im Laufe der vergangenen 20 Jahre musste Beate Ender fünfmal umziehen. Für die 69-Jährige im Rollstuhl war jeder Umzug anstrengend. Doch es ging nicht anders. Mal war die Wohnung nicht barrierefrei, mal wurde die Miete erhöht. „Doch die Renten steigen nun mal nicht so schnell wie die Mieten“, sagt Beate Ender.

Die frühere Religionslehrerin lebt nun in einer Zwei-Zimmer-Parterrewohnung in Wedding: 66 Quadratmeter groß, 570 Euro Warmmiete. Beate Ender bekommt 1500 Euro Rente. „Ich bin sparsam, ich komme zurecht.“ Sie hat Pflegestufe 3, eine Frau hilft im Haushalt. Arzt und Krankengymnastik sind in der Nähe, sie fährt allein dorthin. Trotzdem sorgt sich Beate Ender.

Vor drei Jahren stieg die Miete, weil die Förderung für Sozialwohnungen endete. „Weitere Erhöhungen behalten wir uns für die Zukunft vor“, schrieb der Vermieter. Daran denkt Beate Ender oft. „So eine Situation schürt Ängste. Und sie macht unglücklich.“

In die Außenbezirke verdrängt

Beate Ender ist Mitglied in den AGs Bauen und Verkehr des Senats. Sie engagiert sich im Landesbeirat für Behinderte und in der Sponti-Bewegung der Rollstuhlfahrer. Laut Behindertenverband fehlen in Berlin etwa 40.000 behindertengerechte Wohnungen. „Für Rollstuhlfahrer hat sich die Situation verschlechtert“, sagt Beate Ender.

Sie kennt noch die Zentrale Vergabestelle im Senat, die barrierefreie Wohnungen vermittelte. Die Stelle wurde abgeschafft. „Jeder Rollstuhlfahrer muss heute auf eigene Faust und auf gut Glück nach einer Wohnung gucken.“ Oft würden behindertengerechte Wohnungen umgebaut, wenn Mieter ausgezogen oder gestorben ist. Bei Neubauten sei es keine Pflicht, einen Anteil barrierefreier Wohnungen zu errichten.

„So werden viele Menschen in die Außenbezirke gedrängt“, sagt Beate Ender. Sie merke, dass Menschen im Rollstuhl immer unzufriedener werden. „Ich sehe das aber nicht ein. Warum muss es denn so wenig bezahlbare Wohnungen für uns geben? Das macht mich richtig wütend.“  

Der Kämpfer für die Clubs

Fragt man Lutz Leichsenring nach der Stimmung in der Berliner Clubszene, antwortet er: „Trotzig und selbstbewusst. Das wichtigste ist, dass wir unseren Clubbestand halten.“ Etwa 100 Clubs mit eigener Bühne und speziellen Musikprogrammen gibt es in der Stadt. Kreuzberg gilt dabei als „das Epizentrum der Clubkultur“, sagt Lutz Leichsenring von der Club Commission. 220 Mitglieder hat der Verband, der die Clubszene vertritt und berät.

Clubs wie About Blank und Ipse sind bedroht, weil sie etwa der Autobahnverlängerung A100 weichen müssen. Andere, wie der Kunst- und Kulturort Jonny Knüppel zwischen Kreuzberg und Treptow haben Ärger mit Vermietern wegen Lärm und Schallschutz. Das Watergate muss doppelte Miete zahlen. Der Mietvertrag vom Privatclub wird nicht verlängert.

Bloß kein Stress mit Anwohnern!

Schon lange kämpfen Clubs und Konzertveranstalter um ihre Lokalitäten. Mal führen Beschwerden hinzugezogener Nachbarn zur Schließung, wie etwa beim Knaack Klub und dem Icon, mal sind es steigende Mieten. Leichsenring sagt, früher habe die Stadt noch Freiräume gehabt. Heute gibt es zwar auch noch leer stehende Gebäude, doch die stehen leer, weil die Besitzer damit spekulieren und sie teuer weiterverkaufen wollen.

„Die Politik muss mehr Druck ausüben, wenn sie Clubbetreiber in der Stadt halten will“, sagt er. Im Senat hat die Club Commission viele Unterstützer. „Doch das große Thema in der Stadt sind nun mal Wohnungen und nicht Clubs.“ Und so suchen die Party-Unternehmer eigene Wege. Sie sprechen mit Vertretern der Immobilienbranche, suchen Kompromisse. Clubbetreiber kümmern sich um die Sauberkeit vor ihren Eingängen. Bloß kein Stress mit Anwohnern! Es gibt jetzt auch Workshops für spontane Freiluftpartys. Was ist erlaubt? Welche Parks sind geeignet?

Leichsenring sagt, wenn die gewachsene Clubkultur in der Stadt keine Perspektive mehr habe, drohe ein monokultureller Unterhaltungsmainstream. Ein Einheitsbrei mit Disco.

Die Künstlerin

Die frühere australische Botschaft in der Grabbeallee in Pankow ist jetzt ein Atelierhaus. 31 Künstler haben in dem DDR-Plattenbau ihre Arbeitsräume. Doch es ist nur eine Zwischenlösung für ein Jahr. Im August endet der Vertrag, dann werden aus den Räumen Eigentumswohnungen. „Alle sind traurig. Gerade ist etwas Schönes entstanden, schon ist es vorbei“, sagt Andrea Fürst.

Die Künstlerin wohnt seit drei Jahren in Berlin. Sie zog her, weil Berlin als Weltkulturstadt bekannt sei. Doch sie wurde enttäuscht. „In Berlin fehlen Freiräume für Künstler“, sagt sie. „Dabei braucht Berlin die Künstler. Und die Künstler brauchen Berlin.“ Für einen Platz im Haus hatten sich mehr als 200 Künstler beworben. „Sie waren alle irgendwo rausgeflogen“, sagt Andrea Fürst. Sie hatte Glück und konnte einen 22 Quadratmeter großen Raum für 4,50 Euro warm pro Quadratmeter mieten. „Es sind traumhafte Bedingungen“, sagt sie.

Die Gemeinschaft geht verloren

In ihrem Arbeitsraum stehen große Bilder aus Acryl an der Wand, am Boden liegen Abdrücke von Körperteilen aus Gips. Es sind Exponate für eine Ausstellung in Friedrichshain. Andrea Fürst sagt, die Künstler im Pankower Atelierhaus arbeiten als „bunte Gemeinschaft“ zusammen. Es gebe eine große Offenheit und einen kreativen Austausch. „So ein Refugium gibt es doch kaum noch in dieser Stadt.“ Diese Gemeinschaft gehe nun verloren.

„Wir werden wieder Einzelkämpfer auf der Suche nach Ateliers. Das ist alles andere als einfach“, sagt Andrea Fürst. Sie überlegt, was aus einer Stadt wie Berlin wohl werden wird, wenn sie Künstlern keine Freiräume und bezahlbare Arbeitsräume mehr bieten kann? „Dann ist Berlin nicht mehr Berlin, sondern eine x-beliebige Großstadt irgendwo in Deutschland.“ Die Künstler in der Grabbeallee hatten gehofft, dass sie länger bleiben können. „Jetzt wissen wir nicht, wo wir hinsollen.“

 Der letzte Mieter

Auf dem Klingelschild ist Platz für 15 Namen, doch zehn Schilder sind leer. Roman Czapara und seine Frau Hannah gehören zu den letzten fünf Mietern, die noch in der Calvinstraße 21 in Moabit leben. Eine provisorische Treppe führt zum Hauseingang, manche Balkone haben große Löcher, im Hausflur ist der Putz abgeschlagen. „Jahrelang haben wir die Vertreibungspolitik des Vermieters zu spüren bekommen“, sagt Roman Czapara.

2011 kam die Kündigung. Die Wohnungen sollten modernisiert werden. Einer Bewohnerin wurden die Fenster zugemauert. Der Fall wurde bundesweit bekannt.

Vor Gericht kämpften die Czaparas um ihre Wohnung. „Wir hatten gar keine Alternative, wir hätten keine andere Wohnung mehr gefunden“, sagt Roman Czapara. 1988 waren sie in die 80 Quadratmeter große Drei-Zimmer-Wohnung gezogen. Die Miete betrug 622 DM. Heute sind es 560 Euro warm.

Die Ungewissheit bleibt

Zu den Gerichtsterminen haben sich die Bewohner gegenseitig begleitet. „Wir haben gelitten. Aber wir haben in dieser Zeit auch viele Freunde und Unterstützer gefunden.“ Die Bewohner bekamen am Ende recht. Die Modernisierung wurde gestoppt, die bereits leer gezogenen Wohnungen blieben unbewohnt. Bis heute. Der Bezirk streitet mit dem Eigentümer, ob die leeren Wohnungen schützenswerter Wohnraum seien, ihr Leerstand also unerlaubte Zweckentfremdung ist. Das Verfahren wird noch eine Weile dauern. „Die Ungewissheit, wie es weitergeht, bleibt.“

Roman Czapara ärgert sich, dass Praktiken, wie die seines Vermieters, nicht verboten sind. „Wer so handelt, muss gebremst werden“, sagt er. „Sonst sind tausende Menschen der Willkür solcher Vermieter ausgesetzt.“ Roman Czapara sagt, eine Wohnung sei doch nicht nur eine Ware. „Es geht auch um die Menschen, die darin wohnen.“ Wenn die Bundesregierung nicht die Wohnungspolitik ändere, werden in dieser Gegend bald nur noch „gut betuchte Leute“ leben, sagt er. „Die Alteingesessenen sind dann weg.“

Der Anwalt der Mieter

Der krasseste Vorgang, den Stefan Schetschorke zurzeit bearbeitet, spielt sich in der Nürnberger Straße ab. Der Eigentümer will das Haus modernisieren und verlangt von den Mietern dann 9,50 Euro pro Quadratmeter mehr. Die Miete würde sich auf das Dreifache erhöhen. „Wir nennen das Verdrängungsmodernisierung“, sagt Schetschorke.

Der 53-jährige Leiter der Rechtsabteilung des Berliner Mietervereins sagt, in den Sprechstunden spüre er, wie angstbeladen und nervös die Mieter sind. „Sie fürchten sich vor ihren Vermietern.“ Stefan Schetschorke arbeitet seit mehr als zehn Jahren im Mieterverein.

Er sagt, die Auseinandersetzungen hätten sich verschärft, der Ton sei rauer geworden. Waren Vermieter früher an langfristigen Verträgen interessiert, gehe es ihnen heute darum, die Mieter möglichst schnell aus ihren Wohnungen zu bekommen, um sie dann teuer vermieten zu können. „Viele Vermieter sind ausschließlich auf Gewinnmaximierung ausgerichtet“, sagt Schetschorke.

Ansprechpartner fehlen

Es sind oft Großkonzerne und Immobilienfonds. Sie beauftragen Anwälte großer Kanzleien. „Die Bereitschaft, sich außergerichtlich zu einigen, hat erheblich abgenommen“, sagt Schetschorke. Auf Schreiben reagieren die Anwälte der Vermieter oft nicht, sie lassen es lieber zum Gerichtsstreit kommen und gehen mit „rigorosen Maßnahmen“ vor. Konkrete Ansprechpartner fehlen. Und oft dauert es lange, ehe es einen Gerichtstermin zur Klärung gibt. Solange werden Mängel im Haus nicht behoben. „Das Stresspotenzial hat sich für die Mieter erhöht. Manche geben auf und ziehen aus“, sagt der Anwalt.

Hinzu komme, dass sich die Rechtslage zuungunsten der Mieter entwickelt habe. Schetschorke fordert deshalb, ein Fehlverhalten von Vermietern künftig mit „empfindlichen Geldstrafen“ zu bestrafen. Bodenspekulationen und Leerstand müssen beendet werden. Außerdem sei eine Diskussion über Wohnen dringend notwendig.

„Die Stadt gehört heute wenigen Investoren, und die können machen, was sie wollen.“ Wenn es so weitergehe, können sich Normalbürger Wohnungen in der Innenstadt bald nicht mehr leisten. „Es gibt ein großes Konfliktpotenzial. Und das birgt eine soziale Sprengkraft in sich“, sagt Stefan Schetschorke. „Die Wut und die Verzweiflung der Mieter werden größer.“   

Die Erzieherinnen ohne Laden

Kerstin Klostermann und Ute Kunert sitzen auf Stühlchen am Kindertisch. Es ist nach 16 Uhr, die Eltern haben ihre Kleinen längst abgeholt. Jetzt haben die beiden Leiterinnen des Kinderladens Kulturküken Zeit zum Reden. Doch sie haben keine guten Nachrichten. „Wir warten auf die Räumungsklage“, sagt Ute Kunert.

Seit 23 Jahren gibt es den Kinderladen Kulturküken in der Schillerstraße in Charlottenburg. Bevor der Kinderladen einzog, nutzte das Kindertheater Kulturküken die Räume im Erdgeschoss. Der Name blieb, als die Erzieherinnen einzogen. Heute betreuen dort sechs Mitarbeiter 25 Kinder zwischen ein und sechs Jahren.

Damals, erzählt Kerstin Klostermann, habe der Eigentümer noch passenden Toiletten in den Kinderladen eingebaut und sich um den Schallschutz gekümmert. Und er hat die Räume auf 100 Quadratmeter Fläche erweitert. „Das war noch ein kinderfreundlicher Vermieter.“

Es gibt kaum Leerstand

Doch vor zwei Jahren wurde das Haus verkauft, und nun endet der Mietvertrag. Er könnte verlängert werden, aber nur mit höherer Miete. Bisher zahlten die Kulturküken 1700 Euro kalt, mit neuem Vertrag wären es 2500 Euro. Das können die Betreiberinnen aber nicht bezahlen. „Es ist zu viel für uns“, sagt Ute Kunert. Verhandelt wird nicht mehr. Anwälte kümmern sich. „Wir wissen nicht, wie es jetzt weitergeht“, sagt Ute Kunert. Es sei schwer, in dieser Gegend etwas Neues zu finden. „Es gibt kaum Leerstand. Und wenn etwas frei wird, ist es zu klein für uns.“

In neuen Räumen müssten kindgerechte Sanitäranlagen und eine Küche eingebaut werden. „Die Auflagen für Kinderläden sind hoch“, sagt Kerstin Klostermann. Die Leiterinnen fühlen sich alleingelassen. „Soziale Einrichtungen müssen in so einer Situation, wie wir sie gerade erleben, besser geschützt werden“, sagt Ute Kunert. „Jeder Kiez braucht eine Kita. Sie gehört zum ganz normalen Leben einer Stadt. Schon jetzt verlassen etliche Familien die Stadt, weil sie zu teuer wird. Was soll denn aus Berlin werden, wenn auch noch Kitas fehlen?“  

Die Aktivistin gegen Verdrängung

Seit drei Jahren kümmern sich die Mitglieder im Verein Bizim Kiez (Unser Kiez) um die Bewohner von Kreuzberg, die Ärger mit ihren Vermietern haben. „Wenn eine Familie, ein Laden oder eine Wohngemeinschaft unter Verdrängungsdruck gerät, dann versuchen wir, gemeinsam dagegenzuhalten und die Verdrängung zu verhindern“, sagt Steff Hengge.

Die Designerin lebt seit den 80er-Jahren im Kiez um die Wrangelstraße. „Wer jetzt noch hier wohnt, hat Angst, seine Wohnung zu verlieren.“ Ihre Freunde, die wegen gestiegener Mieten ihre Wohnungen verlassen mussten, haben im Kiez keine neue Wohnung mehr gefunden. „Sie leben jetzt in Köpenick oder in Brandenburg.“

Während es in den 80er- und 90er-Jahren oftmals noch möglich war, Auseinandersetzungen mit den Vermietern friedlich und gütlich zu lösen. Doch heute würden diese sozialen Verabredungen zwischen Mieter und Vermieter „ignorant über Bord geworfen“. Steff Hengge sagt, die Immobilienbranche agiere heute ohne soziale Verantwortung. „Und die herrschende Politik bereitet dafür die Grundlagen.“

„Niedrige Mieten sind möglich“

Angestammte Gewerbebetriebe, wie ein türkischer Gemüsehändler, seien davon ebenso betroffen wie deutsche und türkische Bewohner, die schon viele Jahre in Kreuzberg leben, und dafür sorgen, dass dieser Kiez von Besuchern als „bunt und lebendig“ wahrgenommen wird.

Doch Steff Hengge ist kein Mensch, der angesichts dieser rasanten Entwicklungen resignieren will. „Ich glaube daran, dass wir etwas ändern können.“ Und sie hat auch ganz konkrete Vorschläge: Es geht um eine massive Rekommunalisierung von Grund und Boden. Der Senat müsse Wohnhäuser kaufen, den Immobilienmarkt kontrollieren und selbstverwaltete Hausprojekte sowie am Gemeinwohl orientierte Wohnformen fördern.

Denn gerade diese Projekte zeigen: „Niedrige Mieten sind möglich und wirtschaftlich vertretbar.“ Wenn man aus den Häusern eben nicht den maximalen Gewinn abschöpfen will. „Niemand soll mehr Angst um seine Wohnung haben müssen“, sagt sie.