Denkmalschutz in Mitte: Kampf um Neubau neben Klosterkirche hat begonnen
Ein solches Grundstück gibt es in Berlin nicht noch einmal: klein, schmal, aber direkt neben dem Chor der ehrwürdigen Ruine der Kirche des Franziskanerklosters gelegen. Mit deren Bau wurde um 1250 begonnen. Hier verlief die alte, um dieselbe Zeit errichtete Stadtmauer, deren letzter Rest nur 100 Meter entfernt sorgsam bewahrt wird. Ein nach dem Krieg angelegter Grünzug mit Lindenbepflanzung erlaubt es, den Verlauf des mittelalterlichen Schutzbaus nachzuvollziehen.
An diesem geschichtsträchtigen Ort, der wie kein anderer in Berlin Mittelalter ahnen lässt, plant ein privater Investor einen Neubau in moderner Form. Aus denkmalschützerischer Sicht ein Sakrileg. Jedenfalls in höchsten Maße heikel. Die Konfliktlinien liegen offen, die heiße Kampfphase um das Projekt ist eröffnet.
Da sind einerseits die Vorbereitungen weit fortgeschritten, ein Bebauungsvertrag mit dem Bezirk Mitte geschlossen. Der Bauherr beauftrage einen Architekten und stellt seine Pläne öffentlich vor.
Das Grundstück an der Littenstraße gegenüber dem mächtigen Amtsgericht wurde nach der Wende an Altbesitzer restituiert und seither mehrfach verkauft. Die heutigen Eigentümer, das wohlhabende Hamburger Ehepaar Susanne Litzel und Friedrich Loock, planen allerdings keinen Wohnpalast für Luxusbedürftige, sondern ein soziales Projekt: ein Zentrum für Jugendliche, die beim Übergang ins Erwachsenenleben Hilfe brauchen.
Es besteht Baurecht
Dem Paar und der Stiftung geht es um Kinder, die nicht in ihren Ursprungsfamilien, sondern in Pflegefamilien beziehungsweise Wohngruppen aufgewachsen sind. Mit Erreichen des 18. Geburtstages enden für diese jungen Menschen zahlreiche Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe. Dann müssen sie – oft kurzfristig – ihr bisheriges Lebensumfeld verlassen. So steht es im Flyer der Stiftung.
Betroffen sind demnach etwa 150.000 Kinder und Jugendliche. Offenkundig ein vernachlässigtes gesellschaftliches Phänomen und ein nobles Anliegen. Das Stifterpaar hat selbst mehrere Pflegekinder, deren Namen sich im Stiftungstitel EmMi Luebeskind wiederfinden. In dem neues Haus soll es Räume für Beratung und Beschäftigung geben, im Turm etliche WGs für die jungen Leute.
Der zuständige Baustadtrat von Mitte, Ephraim Gothe, SPD, bestätigt den rein wohltätigen Charakter: „Es werden keinerlei öffentliche Mittel in Anspruch genommen, weder für den Bau noch für den Betrieb. Er sieht den Plan grundsätzlich positiv: „An der Ecke ist Platz für ein kleines Haus, das planungsrechtlich möglich ist.“ Schon 2006 sei ein Baukörper mit dem Bezirk abgestimmt worden. Seither besteht Baurecht. Doch die Denkmalpflege sei „unglücklich“.
Das ist milde formuliert. Gregor Hitzfeld, Justiziar im Landesdenkmalamt, gibt unmissverständlich die Auskunft: „Das ist aus fachlicher Sicht nicht genehmigungsfähig.“ Die Umgebung der Kirche solle erhalten bleiben, ein mitten hineingesetzter Neubau vernichte die Sichtbeziehung zwischen alter Stadtmauer und Kirche. „Das sprengt das historisch gewachsene Gefüge und einen der letzten erhalten gebliebenen Altstadtorte Berlins.“
„Nicht an diesem Ort!“
Der Denkmalpfleger Norbert Heuler, im Landesdenkmalamt bis vor kurzem zuständig für Mitte, hat nicht das Geringste gegen ein Haus für schutzbedürftige Jugendliche, aber „nicht an diesem Ort“ – mit Ruine, Mauerrest und dazwischen dem Grünzug einmalig in Berlin. „Man stelle sich den künftigen Blick vom Amtsgericht aus vor: gegenüber die Klosterkirche, nördlich das aufzubauende Gymnasium zum Grauen Kloster – und südlich dieser Turm!“ Einen städtebaulich sinnvollen Zusammenhang vermag er nicht zu erkennen.
Heuler verlangt, das Projekt müsse endlich öffentlich debattiert werden. Er hat auch einen Vorschlag für die Auflösung des Konfliktes zwischen dem verständlichen Interesse der mit Baurecht ausgestatteten Eigentümer, ihr Jugendhaus zu bauen und dem Interesse, das Quartier mit dem Eindruck seiner mittelalterlichen Dimension zu bewahren: Die Politik müsse Ersatz anbieten, am vernünftigsten in Form eines anderen Grundstücks, das ebenso zentral liegt: „Da kommt zum Beispiel ein Platz in dem geplanten neuen Viertel am Molkenmarkt infrage.“
Dort gibt es landeseigene verfügbare Liegenschaften. Der Nachteil: Die Stifter müssten noch warten – wahrscheinlich etliche Jahre.
Zwischen den beiden Polen steht der Stadthistoriker Benedikt Goebel, Vertreter des Bürgerforums Berlin. Seine Kritik richtet sich auf den Neubau selbst, er wünscht die Gestaltung der Nordfassade zur Klosterkirche hin als attraktive Schauseite, als Hauptfassade mit Portal und meint: „Wenn das Bauvorhaben gerät, wäre es ein Vorbild für kommende Neubauten im Stadtkern.“