Der Dom, das Schloss und seine alten Nachbarn

1946 lag das alte Heilig-Geist-Viertel in Trümmern, die DDR-Regierung machte das historische Wohnquartier Anfang der 1970er-Jahre vollends  platt. Heute heißt die Brache Marx-Engels-Forum, doch die Rekonstruktionsdebatte geht weiter.

Berlin-Mitte-Auf den ersten Blick erkennt man in der 1946 fotografierten Trümmerlandschaft an der Spree ein vertrautes Gebäude: den Berliner Dom. Der Rest der Bauten existiert nicht mehr. Am rechten Bildrand sehen wir die alte Ostfassade des Schlosses, am Ufer gegenüber die an der Burgstraße gelegenen Häuser des Heilig-Geist-Viertels.

"Berlin 1946. Dom &amp; Landwehr Canal" Burgstraße, Berliner Dom und Schloß Cecil F. S. Newman Sammlung C. F. S. Newman. (seitenverkehrt)<br>
"Berlin 1946. Dom & Landwehr Canal" Burgstraße, Berliner Dom und Schloß Cecil F. S. Newman Sammlung C. F. S. Newman. (seitenverkehrt)

Das Bild stiftet etwas Verwirrung, denn es liegt spiegelverkehrt vor: Steht man wie der Fotograf Cecil F. S. Newman auf Rathausbrücke, liegt das Schloss, heute Humboldt-Forum, linkerhand. Rechts dehnt sich heute das sogenannte Marx-Engels-Furum, eine Grünfläche, die in den 1980er-Jahren auf der nach dem Abriss des alten Berliner Viertels entstandenen Brache angelegt wurde. Vor dem Dom quert die Liebknechtstraße den Fluss.

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Wieder urban gestalten?

Cecil F. S. Newman (1914 – 1984) kam im Juli 1945 mit den Pioniertruppen der Britischen Armee als Besatzer in die Trümmerstadt Berlin und blieb bis August 1946. Der Ingenieur war in der Abteilung „Public Works and Utilities“ der britischen Militärregierung an der Wiederherstellung der Infrastruktur beteiligt. Die Sammlung seiner Berlin-Fotografien erhielt die Stiftung Stadtmuseum im Jahr 2011 als Geschenk der Familie Newmans.

Es lohnt gegenwärtig wieder besonders, seine Aufnahme von Schloss, Dom und Heilig-Geist-Viertel wie auch Bilder des alten Viertels zu betrachten, weil die Debatte um die Neugestaltung des ausgelöschten historischen Wohnquartiers seit 1990 immer wieder neu geführt wird. Obwohl zunächst die Grünanlage neu gestaltet werden soll, ist der Plan, das Viertel urban zu gestalten, längst nicht vom Tisch.

Blick auf die Ostfassade des Schlosses im Jahr 1891, im Bildvordergrund das dicht bebaute Heilig-Geist-Viertel
Blick auf die Ostfassade des Schlosses im Jahr 1891, im Bildvordergrund das dicht bebaute Heilig-Geist-ViertelBildindex.de

Seine Geschichte lässt sich bis in die Gründungszeit Berlins zurückverfolgen. Die Heilig-Geist-Kapelle wurde etwa um 1300 errichtet und ist eines der ältesten erhaltenen Gebäude Berlins. Sie gehörte einst zum Heilig-Geist-Spital, das 1825 abgerissen wurde. Über die Jahrhunderte lebten Bürger in dem Quartier in Nachbarschaft des Schlosses, darunter viele Handwerker, u.a. Gold- und Silberschmiede.

Die Burgstraße am Spreeufer, den Fenstern der Herrscherwohnungen im Schloss gegenüber gelegen, galt schon im 17. Jahrhundert als atrraktive Adresse. Hier entstanden im Laufe der Zeit bekannte Palais wie das der Familie Itzig oder Hotels wie der "König von Portugal", in dem Lessings Stück „Minna von Barnhelm“ spielt.

Karte von Alt-Berlin: Gegenüber vom Schloss das Heilig-Geist-Viertel.
Karte von Alt-Berlin: Gegenüber vom Schloss das Heilig-Geist-Viertel.

Das mächtigste Gebäude entstand  1859 bis 1864 am Start der Industrialisierung der Preußenhauptstadt anstelle des Palais Izig: die Berliner Börse.

Die Foto erinnert an die Zeit vor der Freigabe der wertvollen innerstädtischen Fläche zur Besiedlung durch Kaninchen. Hartmut Dorgerloh, als Generalintendant des Humboldt-Forums heute unmittelbarer Nachbar, sagte im Januar 2020 im Interview mit der Berliner Zeitung, er glaube nicht, dass die Neugestaltung der Grünfläche das letzte Wort sei und plädierte für eine Debatte über Funktion und Zweck von Stadträumen.