Der Stadtforscherin Ilse Helbrecht wurde die Caroline-von-Humboldt-Professur verliehen
Wir müssen Städte verstehen, um Gesellschaft zu verstehen“, sagt Ilse Helbrecht, Professorin für Kultur- und Sozialgeographie an der Humboldt-Universität (HU). Immerhin lebten in Europa und Nordamerika 80 Prozent der Menschen in Städten. Weltweit seien es mehr als die Hälfte. Um die Arbeit der Geografin und Stadtforscherin zu fördern, hat die HU am Freitag die diesjährige Caroline-von-Humboldt-Professur an Ilse Helbrecht verliehen.
Mit der 2012 ins Leben gerufenen Professur wird in jedem Jahr eine Professorin der HU ausgezeichnet. Benannt ist sie nach der Ehefrau Wilhelm von Humboldts, der 1810 die Berliner Universität gründete. Caroline von Humboldt (1766-1829) wirkte aber nicht im Schatten ihres Mannes, mit dem sie immerhin acht Kinder hatte. Sie spielte selbst eine wichtige gesellschaftliche Rolle, führte in Berlin unter anderem einen Literarischen Salon, in dem sich die Größen ihrer Zeit trafen. Mit vielen schrieb sie sich auch Briefe.
Helbrecht ist auch Direktorin des Georg-Simmel-Zentrums für Metropolenforschung
Mit der nach ihr benannten Professur sind 80.000 Euro verbunden. Die Stadtforscherin Ilse Helbrecht will das Geld für ein Projekt nutzen, das sich mit den internationalen Kunstbiennalen befasst. „Mit dem Geld werde ich die Mitarbeiterinnen, Reisen und Expertenworkshops finanzieren können“, sagt sie. Außerdem könne sie damit ihr Forschungssemester freier gestalten, das sie im Oktober beginnen wolle.
Ilse Helbrecht ist seit 2009 Professorin an der HU. Sie hatte zuvor in Münster studiert, in München promoviert, im kanadischen Vancouver geforscht. 2002 erhielt sie in Bremen ihre erste Professur. An der HU wirkte sie in der sogenannten Task Force Exzellenzinitiative mit. Sie hatte großen Anteil daran, dass die HU 2012 zu einer der deutschen Elite-Unis gekürt wurde. Seit 2014 ist Ilse Helbrecht auch Direktorin des Georg-Simmel-Zentrums für Metropolenforschung an der HU.
Helbrechts Fachbereich arbeitet am Tourismuskonzept 2018+ mit
Ihre Forschung betrachtet sie als praxisnah und lebensorientiert. Sie beobachtet, dass das Leben in der Stadt „bunter und vielfältiger“ wird. Es gebe mehr Zuwanderung, mehr Formen von kulturellem Leben, mehr ethnische Diversität, mehr Geschlechter, mehr Sexualitätsformen, sagt sie. Die Wissenschaft spreche von einer „Super-Diversität“, denn auch innerhalb von Gruppen seien die Verhältnisse viel komplizierter geworden. Ilse Helbrecht erklärt dies an der Gruppe der Berliner Türken. In ihr gebe es zum Beispiel türkische junge Frauen, ältere Männer, christliche Türken oder kurdische Türken.
Der Fachbereich Helbrechts wirkte mit einer Studie am neuen Berliner Tourismuskonzept 2018+ mit, das jüngst von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) vorgestellt wurde. Darin wird unter anderem vorgeschlagen, Touristenströme zu entzerren und Außenbezirke besser zu erschließen. Mit Studierenden erforscht die Professorin auch, was mit den durch Gentrifizierung verdrängten Mietern passiert. Dies ist wissenschaftlich bisher kaum untersucht.
Am Freitag wurde auch der mit 15.000 Euro dotierte Caroline-von-Humboldt-Preis verliehen: an die Stadtforscherin Natascha Mehler. Die historische Archäologin erhält den Preis für ihre kreative interdisziplinäre Forschung, die neue Impulse setze, so die Begründung.