Deutsch-polnische Grenze: Wie Frankfurt und Slubice zusammenwachsen
Frankfurt (Oder)/SŁubice - Die Oder fließt träge vor dem Fenster entlang. Sören Bollmann sieht den Fluss von seinem Büro aus, den Grünstreifen auf der anderen Uferseite, die Menschen, die dort entlangspazieren, die Häuser. Dort ist eine andere Stadt, ein anderes Land. Dort ist Słubice, dort ist Polen. Doch mit jedem Tag wächst der Ort ein wenig mehr zusammen mit der Stadt diesseits des Flusses – mit Frankfurt (Oder). Und es ist auch ein wenig Bollmanns Verdienst und das seines Teams.
Sören Bollmann ist Projektleiter des deutsch-polnischen Kooperationszentrums mit Sitz auf der Frankfurter Seite. Es ist seit 2011 eine Art Miniverwaltung beider Städte. Hier arbeiten jeweils zwei Mitarbeiter der Słubicer und Frankfurter Stadtverwaltung zusammen und gehen die gemeinsamen Projekte beider Städte an. „Wir vier reden sowohl Polnisch als auch Deutsch“, sagt Bollmann. Hier könne man das neue Europa erleben.
Frankfurt an der Oder hat heute 58.000 Einwohner, in Słubice leben 17.000 Menschen. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs gehörten beide zusammen. Die ehemalige deutsche Dammvorstadt wurde erst 1945 zum polnischen Słubice, als die alliierten Sieger die deutsche Außengrenze an Oder und Neiße verlegten.
Lesen Sie hier Porträts von Menschen aus der Region:
Am 21. Dezember 2007 trat Polen dem Schengenraum bei und die Kontrollen an der Grenze fielen weg. Die Stadtbrücke zwischen Frankfurt und Słubice wurde zum Symbol für die Einheit Europas – und für das Zusammenwachsen beider Städte. Es gibt vieles, was Frankfurt und Słubice zusammen gemeistert haben oder noch meistern wollen.
Die Buslinie 983 ist ein wichtiges Infrastrukturprojekt. Seit zwei Jahren fährt eine Linienbus über die Stadtbrücke. „Mehr als 1000 Menschen nutzten ihn täglich“, sagt Bollmann. Der Tourismusverein wirbt mit dem Slogan: Zwei Länder, zwei Städte, eine Reise. Man vermarktet sich als „europäische Doppelstadt“. Es gibt eine Schiffslinie, deren Boote auf deutscher und polnischer Seite anlegen. Mittlerweile existiert auf beiden Seiten je eine deutsch-polnische Kita, in denen die Kinder zweisprachig aufwachsen. „Das ist Normalität“, sagt Bollmann.
Doch das wohl größte und bisher für eine Grenzregion einmalige Projekt startet Anfang Januar. Dann nämlich sind die Fernwärmenetze von Frankfurt und Słubice verbunden. Das deutsche Stadtwerk wird vor allem im Winter Wärme in die Schwesterstadt liefern – damit wird Frankfurt seine Überkapazitäten los. Im Sommer arbeitet das Werk bislang sehr unwirtschaftlich und wird heruntergefahren, weil dann das Słubicer Partnerunternehmen die Wärmeversorgung mit übernimmt. Das bringt beiden große Vorteile, aber die Verhandlungen waren kompliziert. Denn immerhin ging es nicht um einen Lückenschluss zwischen zwei Städten, sondern zwischen zwei Staaten.
Bollmann erzählt, dass es mittlerweile auch einen deutsch-polnischen Bürgerverein gibt, der eine bilinguale Grundschule aufbauen möchte. „Ich würde mir aber wünschen, dass wir mit dem Erlernen der Sprache unserer Nachbarn schon viel weiter wären.“ Es gebe immer noch den typisch deutschen Blick von oben herab auf den östlichen Nachbarn. „Für Überheblichkeit gibt es aber keinen Grund. Polen ist ein wichtiges, großes Land in Europa.“
In den nächsten Jahren wollen die Städte vor allem bei der Stadtentwicklung, der Wirtschaft sowie bei Forschung und Bildung zusammenarbeiten. Priorität hat auch der Hochwasserschutz. Dafür gibt es extra einen gemeinsamen Plan. Beide Seiten sollen zu einer „Modellstadt“ zusammenwachsen.
Doch die Freunde über das Zusammenwachsen ist nicht bei allen so groß: Immer wieder ist auf deutscher Seite zu hören, dass es langsam gut sei mit der Kooperation. Der massive Anstieg der Kriminalität an der Grenze nach Polens EU-Beitritt sorgt für Unmut. So verwunderte es nicht allzu sehr, dass Frankfurt bei der Landtagswahl im September nach dem etwas weiter südlich gelegenen Eisenhüttenstadt zur Hochburg der AfD aufstieg. In Frankfurt erreichte die rechtspopulistische Partei immerhin 19,7 Prozent. Sie war damit stärker als die CDU.
Auf polnischer Seite herrscht weiter Optimismus. Tomasz Ciszewicz, der gerade wieder neu gewählte Bürgermeister von Słubice, sagt: „Die Entwicklung beider Städte ist ein Grund, stolz zu sein. Es gibt mittlerweile keine Behörden, die nicht miteinander kooperieren.“
Frankfurt und Słubice haben auch eine gemeinsame Dachmarke entwickelt, unter der sie sich gemeinsam touristisch vermarkten. Inzwischen sind Polen die größte Reisegruppe in Brandenburg und haben die Holländer abgelöst. „Der Trend zeigt sich auch auf der anderen Seite“, sagt Sören Bollmann. „Immer mehr Brandenburger reisen nach Polen. Und das bei weitem nicht mehr nur zum billigen Einkaufen, sondern für Ausflüge oder zum Urlaub.“