Projekt in Halle: Brauchen diese Ostdeutschen wirklich ein Zukunftszentrum?

Das geplante Zukunftszentrum Deutsche Einheit soll unter anderem die Lebensleistungen der Ostdeutschen würdigen. In der Zeitung Welt regt sich daran Kritik.

Menschen vor dem Palast der Republik – am ersten Tag der Deutschen Einheit
Menschen vor dem Palast der Republik – am ersten Tag der Deutschen Einheitteutopress/imago

In Halle soll ein neuer Palast der Republik gebaut werden. Als ich das Anfang der Woche in der Zeitung Welt las, war ich sofort ein Fan dieser Idee. Den Palast der Republik fand ich schon als Kind toll, als er noch stand und ich ihn mit meinem Vater und auch ein oder zweimal mit meiner Schulklasse besuchte. Ich finde den Palast sogar noch toller, seit er abgerissen wurde und nur noch auf alten Film- oder Fotoaufnahmen existiert. Die moderne Fassade, die einzigartige Gestaltung der Innenräume, die Lampen natürlich. Als das Humboldt-Forum im vergangenen Jahr ein altes Wandbild aus dem Palast in einem seiner Restaurants enthüllte, ging ich hin und bestaunte das Kunstwerk. Ich wünschte, ich könnte den Palast noch einmal betreten, als Erwachsene.

Leider war das in der Welt natürlich nicht wörtlich gemeint, denn in Halle soll nur das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation entstehen. Ein Forschungsinstitut, das gleichzeitig ein Konferenzzentrum und ein Ort für Veranstaltungen aller Art sein soll, mit besonderer Architektur. Viele Städte in Ostdeutschland hatten sich darum beworben, Sitz dieser Einrichtung zu werden, Städte im Westen durften ausnahmsweise nicht mitmachen.

Vielleicht hatte schon das den Autor des Welt-Artikels so geärgert, dass er sich an den Palast der Republik erinnerte. Er hielt jedenfalls nichts von der Idee des Zukunftszentrums, das er „Kulturpalast“ nannte. Der Autor war Hubertus Knabe, der von 2000 bis 2018 Wissenschaftlicher Direktor der Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen war. Der Stasi-Gedenkstätte. Knabe ist ein Historiker, der in Nordrhein-Westfalen aufgewachsen ist. Seine Eltern waren aus der DDR geflohen, er war 30, als die Mauer fiel, und hat später die DDR erforscht, vor allem die Staatssicherheit und ihren Unterdrückungsapparat.

„Täter, Opfer, Mitläufer und Nachgeborene“

In seinem aktuellen Artikel fasst er die Menschen im Osten in vier Kategorien zusammen: „Täter, Opfer, Mitläufer und Nachgeborene“. Sie alle würden im Konzept des geplanten Zukunftszentrums „undifferenziert in einen Topf geworfen“.

Vier Kategorien sind natürlich deutlich differenzierter. Ich bekam einen Schreck, wie oft, wenn ich Texte von Knabe lese, und dachte darüber nach, in welche Gruppe ich selbst gehören könnte. Ich war 14, als die Mauer fiel. War das zu alt, um „Nachgeborener“ zu sein? Als ich bei der Berliner Zeitung mein Volontariat beendet hatte, mussten alle Kollegen mit Ost-Biografie ihre Stasiakten einholen, es gab noch einmal eine Überprüfung der gesamten Redaktion. Alle, die 1989 mindestens volljährig gewesen waren, sollten mitmachen, aber an einem Abend nach Redaktionsschluss erklärte mir ein westdeutscher Kollege, dass es auch minderjährige IMs in der DDR gegeben habe. Er frage sich, ob die Altersgrenze richtig gesetzt sei.

Ich war bei den Jungen Pionieren und den Thälmann-Pionieren, meine Mutter sagt, ich habe sogar freiwillig zu Hause mein Halstuch tragen wollen. Sie fand das nicht gut. Es gibt sogar ein Halstuch-Foto, auf dem ich stolz aussehe. Ich war auch noch ein Jahr in der FDJ, mochte aber das blaue Hemd nicht, und in der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft war ich auch. Vermutlich war ich ein „Mitläufer“.

Das Zukunftszentrum in Halle soll auch die Lebensleistungen der Ostdeutschen würdigen. Ich frage mich – wie der Artikel in der Welt –, wie so ein Zentrum sowas machen soll, bin aber gespannt auf die Forschungsvorhaben dort. Vielleicht stößt ja sogar jemand auf mehr Kategorien von Menschen im Osten.