Deutsche Wohnen: Vorsitzender von Wohnungsgesellschaft ,Michael Zahn, wurde ins Parlament zitiert

Berlin - Hinter ihm drei, vier Dutzend aufgebrachte Mieter, vor ihm Politiker, die den Termin nutzten, um ihrem Ärger Luft zu machen: Michael Zahn, Vorstandschef der Deutschen Wohnen, hatte am Mittwoch in der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung einen schweren Stand.

„Ich habe mich sehr gerne hierher bewegt“, sagte er gleich zu Beginn und erntete dafür Gelächter aus dem Zuschauerraum. Die meisten nahmen ihm den guten Willen nicht ab, auch, weil der Immobilienkonzern bei einem vorigen Termin Mitte Februar nicht Zahn, sondern die Sprecherin ins Abgeordnetenhaus schickte – ein Affront.

Die Deutsche Wohnen, der größte private Vermieter in Berlin mit rund 110.000 Wohnungen, ist schon oft wegen seiner Geschäftspraktiken in die Kritik geraten: Für viele in Berlin steht der 15,7 Milliarden schwere Konzern für rabiate Mieterhöhungen und soziale Verdrängung. Zugleich hat die Deutsche Wohnen immer wieder mit gravierenden Mängeln an ihren Immobilien Schlagzeilen gemacht: Schimmel, Heizungsausfälle, kaputte Fenster – viele Mieter der börsennotierten Aktiengesellschaft fühlen sich mit den Problemen alleingelassen.

Streitpunkt Mietspiegel

Diesmal war Vorstandschef Zahn also selbst erschienen; er hatte an einem Pult mit Blick auf die Politiker Platz genommen, die Stuhlreihen in seinem Rücken waren fast alle mit Mietern besetzt. Die Anhörung, die auf Antrag von SPD, Grünen und Linken zustande gekommen war, sollte dazu dienen, die Haltung der Deutsche Wohnen zu Mietspiegel und ihrer Vermietungsstrategie zu klären.

„Die Mieter sollen den Hunger der Deutsche Wohnen nach einer rasant steigenden Dividende stillen“, sagte Linke-Immobilienexpertin Gaby Gottwald. zur Begründung; alle Aktivitäten des Unternehmens zielten auf eine Wertsteigerung seines Portfolios; „diese Strategie ist nicht kompatibel mit dem Ziel der neuen Regierung, preisdämpfend zu wirken.“

Auch Bausenatorin Katrin Lompscher, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, warf Zahn Mieterhöhungen am oberen Rand oder oberhalb des Mietspiegels vor. Zahn derweil ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.

„Meine Miete soll künftig um 143 Euro im Monat angehoben werden“

Er hatte sich mit einer Reihe von Gegenvorwürfen gewappnet: Dabei griff er zunächst den Berliner Mietspiegel an: „Der Mietspiegel ist alles andere als wissenschaftlich fundiert“, sagte Zahn, Vermietern fehle Rechtssicherheit. Dennoch erfolgten die Mieterhöhungen der Deutsche Wohnen überwiegend im Einklang mit dem Mietspiegel. Nur bei drei Prozent habe das Unternehmen geklagt, um Steigerungen durchzusetzen.

Dass die Deutsche Wohnen meist wenige Probleme hat, den Mietspiegel zu beachten, liegt an der Struktur des Unternehmens: Der Konzern hat seine Aktivitäten in Berlin seit 2007 massiv ausgeweitet; der Konzern kaufte zunächst die Wohnungsgesellschaft Gehag und später die GSW; ein großer Teil des Konzernbestandes sind damit ehemals landeseigene Wohnungen, in denen viele sozial schwächer gestellte Menschen leben. Die Mieten liegen daher tatsächlich in vielen Fällen unter der ortsüblichen Vergleichsmiete – und bieten damit viel Potenzial für Renditezuwächse.

„Meine Miete soll künftig um 143 Euro im Monat angehoben werden“, sagte ein Rentner in der ersten Reihe des Zuschauerraums, „das kann ich mir aber nicht leisten.“ Derzeit zahle er eine Kaltmiete von 485 Euro für seine Wohnung, in der er seit 1970 mit seiner Frau lebt. Die beiden gehören zu den Mietern der Kreuzberger Otto-Suhr-Siedlung, in der die Deutsche Wohnen derzeit saniert.

Viele Mieter haben Angst, sich zu wehren

„Die Frage ist doch: Warum tut die Politik nicht mehr“, sagte ein Nachbar. „Wir alle sind sehr besorgt“, fügte eine Frau hinzu, die in der Danziger Straße lebt. „Eine Katastrophe“, habe sie gedacht, als ihr Haus im April von der Deutsche Wohnen gekauft wurde. Für über sechs Millionen Euro. „Völlig überteuert. Und das Geld muss ja irgendwie wieder reingeholt werden.“ Sie rechne daher mit deutlichen Mieterhöhungen.

Katrin Schmidberger (Grüne) griff Zahn scharf an: „Ihre Ausführungen waren eine Kriegserklärung, die Sie an den Mietspiegel gestellt haben“, sagte sie. „Sie konstruieren Lücken im Mietrecht und zwingen Ihre Mieter vor Gericht – das halte ich für sehr perfide.“

Hinzu komme, dass viele Mieter gar nicht erst wagen, sich gegen unrechtmäßige Mieterhöhungen zu wehren, aus Angst, ihre Wohnung zu verlieren. „Wir brauchen keine Lippenbekenntnisse, wir wollen, dass Sie ihrer Verantwortung gerecht werden.“

Verschiedene Sichtweisen

Michael Zahn ließ sich nicht zu konkreten Zusagen drängen – ihm ist klar, dass die Politik die Deutsche Wohnen als privates Unternehmen zu nichts zwingen kann. Die Vorwürfe wies er in kühlem Ton zurück: Die Mängel in manchen Wohnungen, kalte Heizungen, kaputte Bäder, schwarzer Schimmel, seien darauf zurückzuführen, dass sein Unternehmen die Immobilien in äußerst schlechtem Zustand gekauft habe: „Wir haben mit der GSW eine schwere Erblast angetreten. Es wurde zu wenig in die Bestände investiert.“ Deswegen seien umfassende Sanierungsarbeiten nötig, die zu Mietsteigerungen führen.

Aus Sicht der Konzernkritiker ist es genau umgekehrt: Die Deutsche Wohnen zögere Reparaturen so lange hinaus, bis umfassende Sanierungen nötig sind, die Mieterhöhungen nach sich ziehen. Nach Darstellung von Zahn dagegen kommt es nur in seltenen Ausnahmefällen zu Problemen; die meisten Mieter seien zufrieden, sagte er.

„Die Selbst- und Fremdwahrnehmung der Deutsche Wohnen fallen massiv auseinander“, sagte Daniel Buchholz (SPD). „Aber wenn die Deutsche Wohnen als größter Vermieter in Berlin massiv den Mietspiegel angreift, verunsichert das alle Mieter im Großraum Berlin.“