Die Akte Trinh Xuan Thanh: Vietnamesischem Geschäftsmann Trinh Xuan Thanh droht die Todesstrafe

Ein in Ungnade gefallener vietnamesischer Parteifunktionär auf der Flucht, der mehreren Millionen Euro unterschlagen haben soll, ein mysteriöser Lockvogel in Gestalt einer ebenso schönen wie jungen Frau und eine spektakuläre Entführung im Berliner Tiergarten am helllichten Tag– der Agenten-Krimi um Trinh Xuan Thanh sorgt seit Sommer 2017 für eine politische Eiszeit zwischen Deutschland und Vietnam.

Jetzt sind neue Details über die Entführung ans Licht gekommen, die politisch brisant sind. Sie untermauern den Verdacht, dass die Entführung des früheren Parteifunktionärs auf Weisung der vietnamesischen Regierung geschah.

Per Haftbefehl gesucht

Rückblick: Trinh Xuan Thanh, Geschäftsmann und ehemaliger Funktionär der Kommunistischen Partei von Vietnam, war am 23. Juli 2017 im Tiergarten gewaltsam von Agenten in ein Auto gezerrt und verschleppt worden. Die vietnamesischen Behörden werfen dem Mann vor, als Leiter des Öl- und Gaskonzerns Petrovietnam gegen „die ökonomischen Regeln des Staates“ verstoßen und 125 Millionen Euro Schaden verursacht zu haben. 

Deswegen wurde der 51-Jährige in seiner Heimat per Haftbefehl gesucht. Weil ihm dort die Todesstrafe droht, hatte er in Deutschland um Asyl gebeten. Eine Auslieferung nach Vietnam wurde von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Rande des G20-Gipfels abgelehnt. Die vietnamesische Regierung kündigte unverhohlen an, man werde „jedes Mittel“ anwenden, um Thanh zurück nach Vietnam zu holen. Und machte diese Drohung war.

Treffen mit Sekretär der vietnamesischen Botschaft

Nach Informationen der Tagesschau reiste Duong Minh Hung, der Vize-Chef der vietnamesischen Staatssicherheit, eine Woche vor der Entführung nach Berlin und checkte im Hotel „Berlin Berlin“ ein. Hier soll er sich mit zwei seiner Agenten getroffen haben. Die Männer hatten zuvor in Prag einen VW-Multivan und einen BMW X5 angemietet. Beide Fahrzeuge wurden laut Ermittlern später für die Entführung benutzt. 

Auf einem Überwachungsvideo ist zu sehen, wie sich das Trio in den folgenden Tagen mit dem Ersten Sekretär der vietnamesischen Botschaft in Berlin, Thoa Duc Nguyen, traf. Brisant ist dieses Treffen auch deshalb, weil die vietnamesische Regierung bislang abgestritten hatte, etwas mit der Entführung zu tun zu haben.

Mehrere Passanten wurden zu Augenzeugen

Am 19. Juli 2017 landete schließlich die 26-jährige Geliebte des gejagten Trinh Xuan Thanh in Berlin und verabredete sich mit ihrem früheren Chef und jetzigem Liebhaber. Eingefädelt wurde das Treffen nach Medieninformationen vom vietnamesischen Geheimdienst. Dass die junge Frau den Lockvogel spielte, soll sie jedoch nicht geahnt haben. Direkt nach ihrer Ankunft, berichtet die Tagesschau weiter, habe einer der Agenten in dem gemieteten BMW X5 das Paar dauerhaft verfolgt.

Als die 26-Jährige und Trinh Xuan Thanh am 23. Juli im Tiergarten spazieren gingen, schlugen die Agenten zu: Um 10.48 Uhr raste der Van auf das überraschte Pärchen zu. Mindestens zwei Männer sprangen aus dem Fahrzeug, zerrten Thanh und seine Geliebte in den Wagen. Unbemerkt blieb ihre Aktion nicht. Mehrere Passanten wurden Augenzeugen der Entführung, fotografierten das Fahrzeug und notierten sich das Kennzeichen. 

Auto als Krankentransport getarnt

Zudem soll der Mietwagen nach Angaben der Tagesschau mit einem GPS-Sender ausgestattet gewesen sein. So hätten die Ermittler später den genauen Fluchtweg des Fahrzeugs rekonstruieren können. Und der führte direkt auf das Gelände der vietnamesischen Botschaft in der Elsenstraße in Treptow.

Noch am selben Tag soll eine dortige Mitarbeiterin drei Tickets für einen Flug nach Vietnam gebucht haben: Eines der Tickets soll für Thanhs Geliebte, die beiden anderen für ihre Aufpasser gewesen sein. Das Entführungsopfer hingegen wurde in einem als Krankentransport getarnten Fahrzeug durch mehrere osteuropäische Länder nach Moskau und erst von hier per Flugzeug nach Vietnam gebracht.

Mehrere Partnerprogramme eingestellt

Anfang August wurde Thanh dann im vietnamesischen Staatsfernsehen regelrecht vorgeführt. In einem offensichtlich erzwungenen Interview bestätigte der 51-Jährige vor laufenden Kameras die offizielle Version der vietnamesischen Behörden, wonach er freiwillig in das kommunistische Land zurückgekehrt sei. „Ich bin zurück, um der Wahrheit ins Auge zu sehen. Und ich will hohe Führer treffen, um mich zu entschuldigen“, sagte Thanh.
Das Auswärtige Amt hatte direkt nach der Entführung scharf protestiert, von einem „unakzeptablen Rechtsbruch“ gesprochen und zwei Diplomaten der vietnamesischen Botschaft ausgewiesen.

Zudem wurden mehrere Partnerprogramme mit dem kommunistischen Land eingestellt und mehrfach gefordert, Thanh nach Deutschland zurückzubringen. Doch ohne Erfolg. Die Regierung in Hanoi ließ sich von den Forderungen des Auswärtigen Amtes nicht beeindrucken. Und teilte mit, dass dem Ex-Funktionär Thanh die Hinrichtung mit der Giftspritze droht.