Die britische Königin in Berlin: Mit Queen Elizabeth wird jede Brosche zur Botschaft

Berlin - Ein Mantel kann mehr sagen als viele Worte. Besonders, wenn die höchste Autorität maßgeschneiderter Diplomatie ihn trägt: Es war ein kühler Maitag 2011, als auf einem Militärflughafen bei Dublin eine kleine, weißhaarige Frau in einem smaragdgrünen Ensemble mit grünem Hut die Gangway des Flugzeugs hinunterschritt, ein breites Lächeln auf den Lippen. Die Präsidentin Irlands eilte ihr entgegen, und von den Umstehenden fiel in diesem Moment merklich die Nervosität ab.

In den Tagen zuvor war die Sicherheitslage beiderseits der Irischen See angespannt. Dublins Innenstadt war abgesperrt, Bombenspürhunde liefen durch die Straßen. Und wann immer man mit Passanten sprach, hörte man, dass die Zeit noch nicht reif sei für den Besuch eines britischen Monarchen. Auch jetzt nicht, fast hundert Jahre nach dem blutigen irischen Unabhängigkeitskampf.

Doch dann betrat die Queen den Boden der ehemaligen Kolonie, gekleidet in einen Mantel, der so grün war wie der irische Folkloregeist Leprechaun, und Erstaunliches geschah: Sogar im Pressezentrum meilenweit entfernt erhoben sich die britischen und irischen Journalisten vor den Fernsehschirmen, um zu applaudieren.

Unübertroffener Umgang mit Staatslenkern

„In diesem Moment hätte sie auch umkehren können, ohne ein Wort zu sagen. Es wäre trotzdem ein Triumph gewesen“, behauptet der Historiker Matthew Glencross, ein Experte royaler Außenpolitik: „Sie musste gar nicht sprechen. Ihr Statement, das war das Grün.“ Die Königin ist das Symbol des britischen Staates, und die Krone trug beim ersten Besuch seit Gründung der Republik Irlands Landesfarbe. Laut Glencross war es „eine Geste des Respekts, die jeder verstand“. Die Versöhnungsrede an die beiden in lange Konflikte verstrickten Nachbarländer, die die Queen dann selbstverständlich später hielt, begann sie nicht auf Englisch, sondern auf Gälisch. Auch das ein Zeichen.

Mit dem Besuch, da sind sich Historiker und Politiker einig, wurde ein neues Kapitel der Geschichte aufgeschlagen – und wer dabei war, hat das Papier rascheln gehört. Wohl kaum jemand außer Elizabeth II., die 63 Jahre der Weltpolitik verinnerlicht hat, kann mit wenigen, wohl überlegten Gesten eine solche Wirkung erzielen.

Die persönliche Erfahrung der Queen im Umgang mit Staatslenkern ist unübertroffen: Sie hat Chruschtschow und Putin empfangen; Eisenhower und Obama; den Schah von Persien, den Kaiser von Japan, Nelson Mandela, Lech Walesa und General de Gaulle. Britische Premierminister, zwölf waren es seit Beginn ihrer Regentschaft, trifft sie sogar wöchentlich. Vor diesem Hintergrund wäre es naiv zu glauben, die 89-jährige Monarchin würde eine Staatsvisite wie die, die sie nun mit ihrem 94-jährigen Ehemann Prinz Philip zum fünften Mal nach Deutschland führt, als reinen Zeitvertreib verstehen. Eine Lustbarkeit waren für sie vielleicht die Pferderennen vorige Woche in Ascot. Der Deutschlandbesuch ist Dienst. Und hohe Politik.

Alles folgt einem Plan

Jeder Staatsbesuch hat eine Agenda. Wenn sie bei einem Empfang unzählige Hände schüttelt und unverbindliche Nettigkeiten austauscht, dann folgt das einem Plan. Die Königin reist ja nicht auf eigene Faust. Sondern in enger Abstimmung mit der Regierung in der Downing Street: Premierminister David Cameron fliegt am Mittwoch zum Staatsbankett ebenfalls nach Berlin.

„Es gibt immer einen politischen Hintergrund“, sagt der britische Botschafter in Berlin, Sir Simon McDonald: Diesmal sei die Reise im Zusammenhang mit dem EU-Referendum der Briten zu sehen. Bevor die Insel abstimmt, will Cameron EU-Reformen in Brüssel durchsetzen. Dafür braucht es Unterstützung und Sympathie aus Deutschland – und niemand erzeugt mehr Sympathie für ihr Land als die Queen. Sie ist die Geheimwaffe ihrer Regierung. „Staatsbesuche haben ja einen symbolischen Wert“, sagt Sir Peter Torry, früherer Diplomat und Vorgänger des jetzigen Botschafters. „Sie können die Stimmung ändern.“

Dazu gehört, eine persönliche Verbindung zu den Menschen zu finden. Wie das funktioniert, zeigte ein Obama-Besuch im Buckingham-Palast. Als der US-Präsident und seine Frau 2011 Gäste der Queen waren, führte die Hausherrin ihn persönlich durch die Gemächer. Wie immer hatte sie vorher die Zimmer inspiziert.

Erinnerungsstücke aus den königlichen Archiven waren ausgestellt: ein Dokument aus dem Jahre 1780, in dem König Georg III. den Verlust Amerikas beklagt; ein Brief der Königinmutter von einer USA-Visite an die kleine Tochter Lilibet, in dem sie schreibt, dass sie erstmals Hotdogs gegessen habe. Wo sonst, fragt der Journalist Andrew Marr, dessen Queen-Biografie wir diesen Schlüssellochblick verdanken, findet ein Präsident ein so wertvolles, persönliches Mini-Museum in seinen Zimmern vor?

Geschick, Gesten und Garderobe

Ähnlich akribisch organisiert Elizabeth II., Königin von 16 Reichen, ihre eigenen Reisen. Mit großem Geschick, kleinen Gesten und einer gewaltigen Garderobe hat sie bis heute auch das Commonwealth zusammengehalten. Denn wie der grüne Mantel zeigt, ist ein Kleid nicht ein Kleid – sondern eine non-verbale Verhandlungsform. Ihre Koffer werden mit Sorgfalt gepackt, denn der Inhalt hat, bei allem Glamour, auch funktional zu sein: Das Klima ist zu berücksichtigen, ebenso die Farbe – die Queen muss in Menschenmengen und aus der Entfernung erkennbar sein; deshalb die leuchtenden Töne, Gelb, Flieder, Rosa, Hellblau.

Norman Hartnell, ihr langjähriger Schneider, war ein Meister darin, Abendroben als Kompliment für das jeweilige Gastland zu ersinnen. Für ein Bankett in Karatschi 1961 schuf er eine Robe mit origineller Faltenschleppe in Grün und Weiß: Pakistans Landesfarben. Für eine Reise nach Nigeria 1956 ein Seidenkleid mit Stickereien am Dekolleté, die die Form von Stammesschmuck hatten.

Auch die Schmuckschatulle wird mit Bedacht zusammengestellt. Bei ihrer ersten royalen Tour nach der Krönung, die sechs Monate dauerte und durch 13 Länder führte, schenkten die Frauen Neuseelands ihrer Königin eine Platinbrosche in Form des Farns, des Landessymbols. Elizabeth II. hat sie bei der Rückkehr als Zeichen der Verbundenheit immer wieder getragen – und kürzlich Herzogin Kate mit auf den Weg gegeben, als diese mit Prinz William und Baby George durch Neuseeland tourte.

„Die Idee bei Staatsbesuchen ist es, Gemeinsamkeiten mit dem Gastland zu betonen“, sagt Matthew Glencross vom King’s College in London, der über das Thema Royal Tours promoviert hat. Könige, sagt er, sind immer gereist, aber die „moderne Staatsvisite“ habe vor hundert Jahren Elizabeths Großvater, Georg V., erfunden. Davor hatten gekrönte Häupter auf ihren Reisen noch individuelle Pläne verfolgt; sie hielten nicht selten Stegreifreden.

Das Bild bleibt makellos

Seit Georg V. sind die Reden Teamarbeit. Er sah wie seine Enkelin heute die Krone als Pflichterfüllung. „Von da an“, sagt Glencross, „war es der Staat, der reiste – durch den König personifiziert.“ Seit den Zeiten des alten Georg sei auch der Außenminister immer mit von der Partie – als Vorsichtsmaßnahme, um diplomatische Havarien wie 1908 zu verhindern. Damals traf sich König Edward VII. in Reval mit dem Zaren, und weil er ihn außenpolitisch auf seine Seite ziehen wollte, ernannte er den russischen Neffen bei der Tischrede spontan zum Admiral der Royal Navy.

Die Begleitung des Außenministers ist heute als Erleichterung für die Queen gedacht. So erzählt es Douglas Hurd, ein ehemaliger Minister. Wenn ein Staatsmann nämlich Politisches mit ihr bereden wolle, könne sie einfach sagen: „Das ist sehr interessant. Ich bin sicher, dass der Außenminister das nur zu gern mit Ihnen besprechen wird.“

So wird jede Diskussion, die heikel sein könnte, auf königlich-elegante Weise abgewürgt. Denn politische Meinungen vertritt die Queen als Oberhaupt einer konstitutionellen Monarchie nicht. Sie ist nur für das Bild des Staates im Ausland zuständig. Und das ist, sofern es in ihrer Macht liegt, seit 63 Jahren zuverlässig makellos gewesen. Mit oder ohne Mantel.