Die Geschichte eines illegalen Haarschnitts

Die Politik kündigt nun größere Lockerungen an. Das ist gut so, aber es gab Zeiten, da war es noch viel härter.

Wer die Haare kurz trägt, benötigt viel öfter die Hilfe der Profis.
Wer die Haare kurz trägt, benötigt viel öfter die Hilfe der Profis.dpa/Armin Weigel

Berlin-Es ist mal wieder Ministerpräsidenten-Zeit, es ist wieder MPK. Dieses Mal ist die Konferenz der Lockerungen und der Schritte in Richtung Rückkehr zur Normalität. Um sich nun so richtig auf die Zukunft freuen zu können, ist es ganz hilfreich, ein wenig in die Vergangenheit zu schauen, um zu begreifen, wie hart es zum Beispiel vor genau einem Jahr war.

Die passende Geschichte hat ein Freund. Er ist 48 Jahr alt, zeigt gern, dass er wenig Neigung zur Verwahrlosung hat und würde sogar eingestehen, ein ganz klein wenig eitel zu sein. Jedenfalls achtet er auf sein Äu��eres. Dazu gehört unbedingt ein perfekter Haarschnitt. In diesem Fall ein „Undercut“, bei dem die regelmäßig ausrasierten Radkästen über den Ohren ganz wichtig sind. „Ich gehe alle sechs Wochen zum Friseur“, sagt er. „Zwischendurch lasse ich die Radkästen einmal stutzen.“

Da im Lockdown vor einem Jahr die Friseurläden dicht waren, wuchs die Verzweiflung. Denn er hatte keine Frau, die es versuchen konnte. „Und ich hatte kein Vertrauen zu den Kumpels, die sagten: Ich mache es mir auch selbst mit der Maschine, lass mich mal ran.“

Er hatte eine Lösung. „Mein Motto lautet: Wer nicht fragt, bekommt keine Antworten, wer seine Probleme nicht teilt, dem wird nicht geholfen.“ Schnell fand er einen Bruder im Geiste. Ein befreundeter  Barkeeper mit einem noch höheren Anspruch an die Frisur.

Sie fuhren nach Lichtenberg: Hochhaus, unsanierte DDR-Platte. Dort wohnt ein Kurde, dessen Salon dicht war, und der in seiner 25-Quadratmeter-Wohnung nun illegal frisierte.

Sie dachten nicht mehr über die mögliche Strafe nach – ein frischer Schnitt war wichtiger. Aber sie achteten darauf, dass sie nur zu dritt in der kleinen Wohnung waren und dass vor dem ersten Schnitt gut gelüftet wurde. Aber als die Maschine die Radkästen entlang ratterte, kamen zwei weitere Kunden, dann noch ein leicht angetrunkener Union-Fan. „Er sah uns und sagte: Ihr seht aus wie Bullen. Lasst mich bitte nicht auffliegen. Und wenn doch, dann erst, wenn mein Schnitt fertig ist.“

Der Freund sagt: „Ich konnte nicht mal richtig darüber lachen. Wir waren sechs Leute in der kleinen Bude. Da habe ich zu dem Figaro gesagt: Kannste mal Durchzug machen – nicht nur wegen Corona, auch wegen dem Männerschweiß.“

Diese Opa-erzählt-vom-Krieg-Geschichte ist nun fast genau ein Jahr her. Mal sehen, was wir nächstes Jahr über die Zeit erzählen, die nun kommt.