Dieselfahrverbote: Für Berliner Diesenautobesitzer schlägt die Stunde der Wahrheit
Das kommende Jahr wird spannend für alle Privatleute und Gewerbetreibende, die heute noch mit Dieselfahrzeugen durch Berlin fahren. Denn dann wird sich das Verwaltungsgericht mit einer Klage der Deutschen Umwelthilfe befassen, die ein Fahrverbot für Dieselautos durchsetzen will. Das sagte Stephan Groscurth, Sprecher des Gerichts, am Mittwoch auf Anfrage.
„Die 10. Kammer des Gerichts wird eine Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abwarten, die für Februar 2018 avisiert ist“, so Groscurth. Danach werde sie sich mit der Klage der Umwelthilfe auseinandersetzen.
Die Organisation, die in 15 weiteren Städten ähnliche Klagen erhoben hat, fordert auch vom Land Berlin größere Anstrengungen, die Belastung der Luft mit Stickoxiden zu verringern.
„Der Berliner Senat wagt es derzeit nicht, sich mit der mächtigen Automobilindustrie anzulegen und schmutzige Diesel-Pkw aus der Stadt auszusperren. Mit unserer Klage wollen wir erreichen, dass er endlich effektive und kurzfristig wirkende Luftreinhaltemaßnahmen ergreifen muss“, sagte Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Umwelthilfe. Weil die Grenzwerte überschritten werden, reichte der Verband im Juni 2016 die Klage ein.
310.000 Dieselfahrzeuge waren im Januar in Berlin gemeldet
Noch im ersten Halbjahr 2018, werde sich das Verwaltungsgericht Berlin damit beschäftigen, so Groscurth. „Ob es eine mündliche Verhandlung geben wird, ist noch zu entscheiden.“ Das werde davon abhängen, wie das oberste deutsche Verwaltungsgericht entscheidet.
Es beschäftigt sich mit einer Entscheidung des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts, das einer Klage der Umwelthilfe stattgegeben und ein Diesel-Fahrverbot für notwendig erachtet hatte. Es war ein Urteil, das Aufsehen erregte. Das Land Nordrhein-Westfalen war nicht damit einverstanden.
Es stimmte einer Sprungrevision zu, damit sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Frage befasst, ob ein solches Fahrverbot rechtmäßig ist – eine Frage, die auch in Berlin viele Menschen betrifft. 310.000 Dieselfahrzeuge waren hier im Januar gemeldet, so Jochen Brückmann von der Industrie- und Handelskammer (IHK).
Wie das oberste Verwaltungsgericht entscheidet, ist noch nicht absehbar. Nicht ausgeschlossen, dass es die rechtlichen Weichenstellungen, die das Gericht in Düsseldorf zugrundegelegt hat, kritisiert. Möglich ist aber auch, dass es bisherige Argumentationen bestätigt und den Weg frei macht für Städte, die Dieselfahrzeuge aussperren wollen.
Werden die Falschen bestraft?
„Wenn die Gerichte so entscheiden wie bisher, werden wir um Fahrverbote nicht herumkommen“, sagte Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) am Mittwoch in der IHK. „Wir sind ein Rechtsstaat und werden sie vollziehen müssen, wenn dies angeordnet worden ist.“
Allerdings wäre das eine „suboptimale Lösung“, weil Fahrverbote die Falschen bestrafen würden – zum Beispiel Bürger, die einst der Autoindustrie geglaubt haben und sich im Vertrauen darauf, dass sie sich eine saubere Technologie zulegen, ein Dieselauto gekauft haben.
Der Senat möchte ein Dieselfahrverbot vermeiden, weil es viele Bürger gegen ihn aufbringen würde. Stattdessen setzt er darauf, dass das Verwaltungsgericht seine Bemühungen, die Berliner Luft mit anderen Mitteln sauberer zu machen, anerkennt.
So wird auf der Leipziger Straße, den Tempelhofer Damm und auf anderen Straßen 2018 Tempo 30 eingeführt. Der Schadstoffausstoß soll sinken, indem der Verkehr flüssiger wird – weshalb die Autolobby bei diesem Thema bisher kaum Kritik geäußert hat. „Tempo 30 senkt die Belastung der Luft mit Stickoxiden um 15 bis 20 Prozent“, so die Senatorin.
Die IHK lehnt Dieselfahrverbote ab
Die Umwelthilfe hält das für Nonsens. Auch die IHK ist skeptisch. Welche Effekte Tempo 30 auf Luftschadstoffe haben, sei „unter Verkehrsexperten umstritten“, hieß es der Broschüre „Berlin kann Fahrverbote vermeiden“, die am Mittwoch vorgestellt wurde.
Grundlage ist ein Gutachten, das vom Ingenieurbüro Lohmeyer erstellt worden ist. Die Experten kamen zu einem interessanten Ergebnis: Die Stickoxidbelastung werde ohne zusätzliche Maßnahmen automatisch sinken – und mit Ausnahme der Leipziger Straße schon 2020 unter oder nur noch geringfügig über dem Grenzwert liegen. Das liege daran, dass neue Autos gekauft und alte ausgemustert werden.
Die IHK lehnt Dieselfahrverbote ab, weil sie den Wirtschaftsverkehr lahm legen würde. „Fast 88.000 Firmenfahrzeuge, die in Berlin angemeldet sind, dürften dann nicht mehr fahren“, sagte Brückmann.
Die IHK forderte Land und BVG auf, in einen sauberen Fuhrpark zu investieren. Elektromobilität müsse stärker gefördert werden, E-Autos sollten gratis parken dürfen. „Wir müssen den Nahverkehr ausbauen und mehr Radwege anlegen“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder.
Wenn das Verwaltungsgericht ein Fahrverbot verhängt, „können wir das nicht verhindern. Aber wir können Wege aufzeigen, wie es wieder aufgehoben werden könnte“.