Diesmal geht die Weihnachtszeit bis in den Hochsommer

Jede Familie hat ihre Rituale. Unser Autor versucht zum Beispiel, eine Pflanze aus der Adventszeit so lange wie möglich zu hegen.

Ein praller Weihnachtsstern - so hätte ihn unser Autor auch gern. 
Ein praller Weihnachtsstern - so hätte ihn unser Autor auch gern. Imago/PantherMedia

Berlin- Nun neigt sich die Weihnachtszeit langsam dem Ende entgegen. Diesmal ist es uns gelungen, diese schönste Zeit des Winters tatsächlich bis in den Hochsommer zu verlängern. In den vergangenen Jahren haben wir auch immer unser bestes gegeben, aber es ist nie gelungen: Der Weihnachtstern – diese dunkelgrüne Pflanze mit den kräftig roten oder gelben Blättern – ging meist schon einige Wochen nach Silvester ein. Damit lebte der Stern immerhin etwas länger als der Weihnachtsbaum.

Der lateinische Name lautet Euphorbia Pulcherrima und bedeutet „die Schönste“ – und weil sie so schön ist, soll diese Pflanze so lange wie möglich leben. Jedenfalls bei uns.

Dass die Pflanze diesmal so lange durchhielt, ist eindeutig coronabedingt. Denn das Wolfsmilchgewächs ist ziemlich empfindlich. Nur echte Fans wissen, dass die Pflanze ursprünglich schon von den Azteken verehrt wurde. Sie ist also eine echte Mexikanerin, deshalb heißt sie auch Poinsettia, benannt nach dem einstigen US-Botschafter in Mexiko, Joe Roberts Poinsett. 1834 wurde sie von Amerika nach Europa gebracht, und erst Anfang des 20. Jahrhunderts machte eine deutsche Auswandererfamilie sie in Kalifornien zur Weihnachtsblume.

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Sieht jetzt ein wenig traurig aus, der Weihnachtstern.
Sieht jetzt ein wenig traurig aus, der Weihnachtstern.Berliner Zeitung/Jens Blankennagel

So viel zur Historie, nun zurück zum echten Stern in unserer Wohnung. Als ich ihn Anfang Dezember kaufte, ermahnte mich die Verkäuferin, die Pflanze immer nur leicht zu gießen. „Nie zu viel Wasser, keinesfalls Staunässe, regelmäßig gießen, aber sehr mäßig, und auch nicht zu wenig.“

Einen Weihnachtsstern über die Monate zu bringen, ist also eine Wissenschaft. Aber in Homeoffice-Zeiten ist es leichter, jeden zweiten Tag zwei Minuten für die schöne Mexikanerin auf unserem Küchenschrank aufzubringen.

Bis Ende Mai sah sie ganz wunderbar aus, doch nun fallen immer mehr Blätter aus. Bald ist sie nicht mehr schön, sondern sieht aus wie ein struppiger alter Mexikaner mit Drei-Viertel-Glatze. Und nun steht irgendwann auch noch der Urlaub an. Wie soll der Nachbarin gelingen, was wir seit Wochen nicht mehr schaffen?

Unser Stern wird noch mehr Blätter verlieren. Vielleicht bleiben drei oder vier übrig. Es heißt, dann könnte es gelingen, die Pflanze wieder üppig grünen zu lassen. Bei guter Pflege. Den Versuch ist es wert: Es wäre unser erster Weihnachtsstern, der zwei Adventszeiten erlebt.