Diskussionen mit Berliner Senat: Mietradanbieter aus Asien drängen nach Berlin

Berlin - In seinem Büro in der Nähe des Hackeschen Marktes will Marco Piu die Füße nicht mehr stillhalten. Seit fast einem halben Jahr versucht der Deutschland-Chef des Mietradanbieters Obike aus Singapur, seine Pflöcke auch in Berlin einzuschlagen.

Jetzt kündigt er an: Im November will Obike in der Hauptstadt starten – zunächst mit bis zu 500 Fahrrädern. Weitere Vermieter aus Asien stehen in den Startlöchern. Im Kampf der Billigräder aus Fernost, die seit diesem Sommer europäische Städte überrollen, ist Berlin der nächste heiße Schauplatz. Doch wie viele Mieträder verträgt die Stadt?

In München, seit neuestem auch in Frankfurt am Main, können sich Radfahrer bereits auf gelbe Obikes schwingen, die ohne feste Stationen zur Nutzung bereitstehen. Die Buchung ist einfach: per App. London, Amsterdam, Brüssel, Madrid – für ein Unternehmen, das erst im Januar 2017 gegründet worden ist, drückt Obike mächtig auf die Tube. Denn die Konkurrenz schläft nicht.

Yobike, Mobike, Zenjoy, Ofo: So heißen die Anbieter aus China und Hongkong. Sie alle stehen bereit, den deutschen Markt per Containerlieferung mit Mieträdern zu versorgen. „Die wollen alle nach Berlin“, sagt eine Branchenexpertin.

Ärger über Fahrradleichen

Dabei haben Berliner und Berlin-Touristen schon jetzt eine große Auswahl, sind schon jetzt Gehwege und Plätze mit Mieträdern zugestellt. Bereits seit 15 Jahren ist die Deutsche Bahn (DB) präsent. Inzwischen wurde aus Call a Bike Lidl Bike. 3500 grünsilberne Räder mit den Logos des Discounters warten auf Straßen und Plätzen verteilt auf Kundschaft.

Während sich die DB in Berlin von Lidl sponsern lässt, bekommt Nextbike Geld vom Land, bis zu anderthalb Millionen Euro sind eingeplant. In Berlin bieten die Leipziger, die in zwei Dutzend Ländern vertreten sind, 2000 blaugraue Mieträder an – die aber ausschließlich an 200 Stationen abgeholt werden können. „Bis Ende 2018 werden es über 5000 Räder an mehr als 700 Stationen sein“, teilt Nextbike mit.

Orangerot leuchten die Mieträder von Donkey Republic aus den Niederlanden. Und dann sind da noch mehrere lokale Anbieter – von Fahrradstation bis Berlin and Bike.

Nun also Obike: Eigentlich sollten schon in diesem Sommer mehrere hundert gelbe Obikes durch die Berliner Innenstadt rollen. Doch Marco Piu hat nicht mit den Fallstricken gerechnet, die der Berliner Behördendschungel bereithält. Es scheint so zu sein, als wolle in Berlin niemand die Verantwortung für eine Entscheidung über das Bike-Sharing-Angebot übernehmen.

Die Stadt ziert sich

Dabei möchte Piu hier alles richtig machen. Nicht wie in München, wo Obike über Nacht 7000 Mieträder aufstellte und sich angesichts anschließend unschön herumliegender Fahrradleichen den Zorn der Bevölkerung zuzog. In München war die Luft für Obike schneller raus als man „Pffffft“ sagen kann. Das soll sich in Berlin nicht wiederholen. „Wir wollen gut mit der Stadt zusammenarbeiten“, betont Piu.

Doch die Stadt ziert sich. Akribisch hat Marco Piu den Kontakt mit den Berliner Behörden notiert. Am 19. Juni 2017 hat Obike eine erste Anfrage an das Bezirksamt Mitte gestellt. In den folgenden Monaten versuchen er und seine Mitarbeiter 32 Mal per Mail und am Telefon zu erklären, was Obike in Berlin plant. Das Unternehmen will Fahrräder in der ganzen Stadt verteilen, die sich per App orten, mieten und bezahlen lassen. Eine halbe Stunde radeln kostet einen Euro, vorausgesetzt, der Kunde hat 30 bis 80 Euro Kaution bezahlt. Es gibt keine Stationen.

Doch auf dem langen Dienstweg zwischen Bezirken und Senatsverwaltung wird Pius Anliegen ausgebremst. Das Problem heißt: Sondererlaubnis für die Nutzung von Straßenland. Piu und seine Konkurrenten glauben nicht, dass sie für ihr Geschäftsmodell eine solche Genehmigung der Bezirke brauchen.
Der Senat sieht das anders. Man wolle Fahrradverleihsysteme nicht generell verbieten, heißt es in der Verkehrsverwaltung.

Doch man rate den Bezirken, für das Aufstellen der Räder eine Sondernutzungsgenehmigung zu verlangen. „Entscheiden und umsetzen müssen es aber die Bezirke“, sagte Matthias Tang, Sprecher der Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne).

In den verfügbaren Anträgen sind Mieträder bisher gar nicht vorgesehen

Das Problem seien nicht einzelne Räder, sondern geballte Anhäufungen. Stünden zehn, zwölf Räder auf einem Fleck, müsste das Ordnungsamt den Betreiber auffordern, einen Antrag auf Sondernutzung des Straßenlandes zu stellen.

In der Praxis geschieht das bisher nicht. Wie auch? In den verfügbaren Anträgen sind Mieträder bisher gar nicht vorgesehen. Man müsse eben hilfsweise auf den Antrag von baulichen Anlagen zurückgreifen, schlägt die Verkehrsverwaltung vor. Nach einem Plan klingt all das nicht.

Berliner sind Mietradmuffel

Marco Piu würde äußerst ungern seine Räder einfach so aufstellen. Doch die Kommunikation zieht sich nun bereits seit Monaten hin. Noch im November will er zumindest ein Pilotprojekt mit maximal 500 Rädern in Berlin starten. Einer muss schließlich zuerst aus der Deckung kommen. Die anderen Anbieter aus Fernost werden folgen.

Offenbar geht es darum, Flagge zu zeigen – und rasch Marktanteile zu erwerben. Dafür nehmen die Konkurrenten Verluste in Kauf, denn viel Geld lässt sich mit großen Mietradsystemen nicht verdienen. DB und Nextbike machen keinen Hehl daraus, dass sie ohne Finanzhilfe in Berlin tiefrote Zahlen schreiben würden. Nextbike hat jüngst auch den Audio-Streamingdienst Deezer als Partner an Bord geholt.

Hinzu kommt, dass die Berliner lieber ihre eigenen Räder fahren – die reichlich vorhanden sind und oft eine bessere Technik haben. In Berlin werden Mieträder noch seltener genutzt als anderswo. Während jedes Stadtrad der DB in Hamburg pro Tag im Durchschnitt 13 Mal gemietet wird, findet ein Lidl Bike in Berlin nur einmal pro Tag einen Nutzer.

Ein weiterer hemmender Faktor: Noch immer fehlt es in Berlin an einer Verknüpfung mit dem Tarifsystem des Nahverkehrs – was Anreize schaffen könnte, sich für die letzten Meter auf ein Mietrad zu schwingen. Zwar steht das Ziel seit Monaten fest: Jahreskarten- und Abokunden sollen Nextbikes täglich eine Zeit lang gratis nutzen dürfen.

Städte sollten klarere rechtliche Rahmenbedingungen erhalten

Der Senat will die Kosten zwei Jahre lang übernehmen. Doch die Verhandlungen mit dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) haben noch immer kein Resultat gebracht.

Nun gibt es erst mal noch mehr Mieträder in Berlin. „Generell glauben wir daran, dass jede Stadt ihre Verkehrspolitik selbst gestalten kann. Die Städte, die sich von chinesischen oder deutschen Leihradanbietern überfluten lassen möchten, sollen dies auch tun können“, sagte Nextbike-Chef Ralf Kalupner.

„Aber die Städte, die es klüger angehen möchten, sollten klarere rechtliche Rahmenbedingungen erhalten. Wir reden ja nicht von ein paar hundert Fahrrädern, sondern von Tausenden, gar Hunderttausenden.“ Die Vergabe von Konzessionen würde es ermöglichen, das Bike Sharing aktiv zu gestalten, schlug Kalupner vor.