Lachen gegen den Krieg zuhause: Wie Ukrainer in Berlin Comedy machen

Der Ukrainer Pavlo Voytovych macht Stand-up-Comedy in Berlin. Mit seiner neuen Show sammelt er Spenden für Hilfsprojekte in seiner Heimat - und das Militär.

Der ukrainische Comedian Pavlo Voytovych
im The Wall Comedy Club in Friedrichshain
Der ukrainische Comedian Pavlo Voytovychim The Wall Comedy Club in FriedrichshainBerliner Zeitung/Markus Wächter

Pavlo Voytovych kam vor sechs Jahren mit dem Bus in Berlin an. Es ist kein besonders glamouröser Moment, wenn ein Migrant mit dem Bus in einem fremden Land ankommt. Aber Pavlo verwandelt diesen Moment in einen Witz. Er steht auf der Bühne im The Wall Comedy Club in Friedrichshain und stellt eine Frage: „Erinnert ihr euch an die Flugzeuge ohne Flügel?“ Das Publikum liebt ihn dafür. Sie lachen.

Voytovych, 34, ist ein Stand-up-Comedian aus der Ukraine. Er kam nach Berlin, um zu studieren, und hat seitdem alle möglichen Jobs gehabt, von der Kundenbetreuung über die Essensauslieferung bis hin zu verschiedenen Schreibjobs. Schließlich ist Comedy eine Schreibkunst. Aktuell musste er der Liste einen weiteren Job hinzufügen: Ukraine-Supporter. Das ist ein Job, den er lieber nicht hätte.

„Es war der schlimmste Morgen meines Lebens“, sagt er, „als meine Frau mich aufweckte und mir sagte, dass die Russen in die Ukraine einmarschiert sind.“ Er sprang aus dem Bett, als ob die Russen sich bereits in Kreuzberg befänden. Er weiß noch, dass er flüchtete: „Fuck! Was machen wir jetzt?“ Er erzählt von diesem Moment auf der Bühne und wie es ihn runtergezogen hat. Er sagt, er wurde depressiv.

The Wall Comedy Club – eine Institution der Berliner Szene

Er sitzt im Backstage des The Wall Comedy Club, einer Institution der Berliner Stand-up-Szene. Pavlo Voytovych sieht aus, als wäre er gerade zehn Kilometer gerannt, würde aber noch weitere zwanzig schaffen. Er hat soeben die zweistündige englischsprachige Show moderiert, die er unter dem Namen „Good Laugh“ zusammengestellt hat. Es war ein guter Abend. Trotzdem ist die Atmosphäre angespannt. Voytovych wird gleich über den Krieg sprechen.

Das internationale Publikum spendet nicht gerne für die Armee, sondern lieber für humanitäre Zwecke.

Pavlo Voytovych, Stand-up-Comedian und Spendensammler

„Ich habe gemerkt, dass ich gut darin bin, depressiv zu werden, das ist meine Stärke. Ich könnte eine Karriere als Demotivationsredner machen, ich könnte mich vor ein Publikum stellen und schreien: Ihr könnt es nicht schaffen!“, sagt er.

Als die russische Invasion in der Ukraine begann, konnte er nicht mehr auftreten. Aber dann wurde er darauf aufmerksam, dass andere Komiker verschiedener Nationalitäten anfingen, Shows zu organisieren, um Geld für die Ukraine zu sammeln. Das brachte ihn wieder auf die Beine.

„Ich merkte, wie sehr ich es vermisste und dass ich mit Stand-up-Comedy der Ukraine helfen konnte. Langsam kam ich wieder in die Spur, und dann bekam ich ein Angebot vom The Wall Comedy Club, eine monatliche Benefizshow für die Ukraine zu produzieren“, sagt er. Bei der Show „Good Laugh“ gehen die Spenden des Publikums vollständig an Organisationen, die humanitäre Hilfe leisten oder das Militär in der Ukraine unterstützen.

„Das internationale Publikum spendet nicht gerne für die Armee, sondern lieber für humanitäre Zwecke, aber wenn es keine Armee mehr gibt, gibt es natürlich auch keine Zivilisten mehr, denen man helfen könnte“, sagt Voytovych. Also versuche er, die Spenden halb und halb zu verteilen. Auf seinem Instagram-Account @Pavlo_comedy veröffentlicht er Spendenberichte.

Bei der „Good Laugh“-Show treten acht Comedians aus aller Welt auf, die in fünf- bis zehnminütigen Sets Themen wie ihren Umzug nach Berlin, Sexualität oder nationale Stereotypen verarbeiten. Aber auch Themen wie Ungleichheit und Rassismus in Deutschland.

Pavlo Voytovych tritt auch selbst auf, natürlich geht es bei ihm um den Krieg. „Die Hälfte der Flüchtlinge, die nach Deutschland kamen, lebt in meiner Wohnung“, scherzt er auf der Bühne.

Für ihn sei es auch eine Art Therapie, ein Weg zur Heilung und um innerlich etwas Ruhe zu finden, erzählt er. Aber nicht jeder kann darüber Witze machen, zumindest noch nicht. Es ist eine Aufgabe für ukrainische Komiker geworden, dies zu tun.

Daria Lahutina trat bis zum 23. Februar in Kiew auf. Seit vier Monaten lebt sie in Berlin.
Daria Lahutina trat bis zum 23. Februar in Kiew auf. Seit vier Monaten lebt sie in Berlin.Berliner Zeitung/Markus Wächter

Die Show ist auch zu einem Ort für Comedians geworden, die als Flüchtlinge aus der Ukraine kamen. So wie Daria Lahutina, 29, die vor knapp vier Monaten in Berlin angekommen ist. Sie ist eine von fast 60.000 Ukrainern, die in der Stadt Zuflucht gefunden haben. Sie stammt ursprünglich aus der Stadt Kramatorsk in der Region Donezk, hat aber acht Jahre lang in Kiew gelebt, wo sie als Stand-up-Comedian auftrat. Jetzt muss sie auf Englisch performen, in einer Sprache, mit der sie nicht ganz vertraut ist.

Auf der Bühne lacht sie darüber: „Mein Englisch ist genauso schwer zu verstehen wie das Englisch deiner Freunde aus London.“

In der Heimat bleiben? Aus der Ferne helfen?

Wenn sie Englisch spricht, kann sie nicht anders, als sich schüchtern zu fühlen, sagt sie. Mit Deutsch fühlt sie sich noch unsicherer. Die Sprachbarriere ist nur eine der Herausforderungen, mit denen man konfrontiert wird, wenn man gezwungen ist, seine Heimat zu verlassen, und sie ist eine der frustrierendsten. Beim Interview übersetzt Pavlo Voytovych. Daria Lahutina kann in ihrer Sprache sprechen und wird automatisch zu einer sehr selbstbewussten Frau.

„Der 23. Februar war mein letzter Auftritt in der Ukraine, ein Tag vor dem Krieg, und ich wusste nicht, dass ich mit dem Geräusch von Bomben aufwachen würde“, sagt sie.

Bis zum letzten Moment auf dem Bahnhof habe sie gezweifelt, immer wieder mit dem Gedanken gespielt, umzukehren und zu Hause zu bleiben. „Auf der einen Seite möchte man sich sicher fühlen, auf der anderen Seite möchte man bleiben und helfen. Aber ich habe verstanden, dass ich das auch von hier aus tun kann.“

Ich werde bei allen Berliner Drogendealern humanitäre Hilfe sammeln. Nur für dich. Nur für die Ukraine.

Daria Lahutina, Comedian aus Kiew

Daria Lahutina meldete sich am Berliner Hauptbahnhof und half ihren Landsleuten, die gerade ankamen. „Jetzt mache ich auch Stand-up für die Ukrainer. Das ist eine gute Möglichkeit, den Leuten zu helfen, sie abzulenken, zumindest für eine gewisse Zeit.“

Für die ukrainische Gemeinschaft in Berlin, sowohl für die, die schon seit Jahren hier leben, als auch für die, die gerade erst angekommen sind, bietet die Show einen Moment der Entspannung. Stress abbauen durch Lachen.

Auf der Bühne sagt Daria Lahutina: „Vor dem Krieg habe ich immer einen Witz darüber gemacht, dass Präsident Selenskyj kokainsüchtig ist. Aber jetzt möchte ich ihm sagen: Wolodymyr Oleksandrowytsch, wenn du das wirklich brauchst, sag es mir einfach. Ich werde bei allen Berliner Drogendealern humanitäre Hilfe sammeln. Nur für dich. Nur für die Ukraine.“

Lahutina sagt, sie wolle die Menschen nicht nur zum Lachen zu bringen, sondern ihnen auch zeigen, wie sehr die ukrainische Gemeinschaft hinter ihrem Land steht und wie wichtig die internationale Hilfe ist. Aber manche Witze seien nicht für jeden lustig. „Es gab Shows auf Russisch und Ukrainisch, und es gab Russen, die während der Show gingen, weil sie die Witze nicht mochten.“

Ich fühle mich wie Robin Hood, ich nehme Geld von den Russen und gebe es den Ukrainern.

Nikita Kha, russischer Comedian in der Show „Good Laugh“

Aber immerhin gab es in der „Good Laugh“-Show auch einen russischen Komiker. Sein Name ist Nikita Kha, er ist 33, ein Produktmanager, der jetzt den deutschen Traum lebt, wie er scherzt. „Bevor das alles passiert ist, hätte ich den Leuten gesagt, dass ich ein Problem habe: Niemand glaubt mir, dass ich aus Russland komme, nicht einmal die Russen glauben, dass ich aus Russland komme. Jetzt denke ich, dass das ein großer Vorteil ist“, sagt Nikita auf der Bühne.

Er habe nicht gewusst, was Rassismus ist, bis er aus Ulan-Ude nach Moskau gezogen sei, wo ihn aufgrund seiner Herkunft niemand für einen Russen gehalten habe. Er stammt aus der russischen Republik Burjatien, die an der Grenze zur Mongolei liegt. Es sei nicht besser geworden, als er nach Berlin zog. Nikita Kha tritt in verschiedenen Shows auf, um die ukrainische Gemeinschaft zu unterstützen: „Ich fühle mich wie Robin Hood, ich nehme Geld von den Russen und gebe es den Ukrainern, ich frage nicht, woher das Geld kommt.“

Pavlo Voytovych vor dem Comedy-Club in Friedrichshain
Pavlo Voytovych vor dem Comedy-Club in FriedrichshainBerliner Zeitung/Markus Wächter

Die meisten Comedians schöpfen ihr Material aus schmerzhaften persönlichen Erfahrungen. Humor hat die Kraft, das, was wir für selbstverständlich halten, zu brechen, die Absurdität aufzuzeigen. Daria Lahutina spricht auf der Bühne davon, wie einfach es in Deutschland ist, zu recyceln, und zeigt sich dankbar dafür, 25 Cent für eine leere Flasche zu bekommen.

„Ich lebe jetzt seit vier Monaten in Berlin, aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich hier lebe“, sagt sie im Interview. Was sie über Wasser halte, seien die Beziehungen, die sie durch Comedy mit der ukrainischen Gemeinschaft oder anderen Menschen aufbauen konnte. Schließlich ist das Lachen die einfachste und stärkste Verbindung zwischen Menschen.

Während der Show fragt Pavlo Voytovych, ob jemand im Publikum ukrainische Flüchtlinge aufgenommen habe. Eine Hand geht hoch. Ein Mann aus Rumänien erzählt, er nehme zwei Menschen aus der Ukraine auf. Er sagt es mit einer zarten und aufrichtigen Stimme, das Publikum sieht ihn mit Respekt an und applaudiert.

„Als Komödianten haben wir Zugang zu einem kleinen Publikum, einer kleinen Menge, die uns zuhört“, sagt Voytovych danach. „Wenn eine Person im Publikum deine Witze mag und das Gefühl hat, dass du ein positiver Mensch bist, und sie dich am Ende anspricht und fragt, wie sie der Ukraine helfen kann, dann bleibt das bei dir hängen, dann gehst du damit nach Hause.“


Die Show „Good Laugh“ findet jeden ersten Sonnabend im Monat statt, immer im The Wall Comedy Club (Grünberger Straße 84, Friedrichshain). Der nächste Termin ist am 6. August. Die Show ist auf Englisch.