Egon Krenz feiert mit 350 Genossen den 70. Jahrestag der DDR
Berlin - Machtvoll erklang die DDR-Nationalhymne nicht, die meist betagte Herrschaften im Freizeitforum Marzahn am Samstag anstimmten. War der Text doch seit 1972 wegen „Deutschland, einig Vaterland“ in der DDR nicht mehr gesungen worden. Viele griffen da zum Programm der „Festveranstaltung zum 70. Jahrestag der Gründung der DDR“, wo er abgedruckt war. Dann fieberten alle dem Höhepunkt entgegen: einer Rede von Egon Krenz.
Krenz, 1989 zu Zeiten des Mauerfalls kurzfristig DDR-Staatsratsvorsitzender und SED-Chef, war mit 82 Jahren nah am Durchschnittsalter der rund 350 Gäste, die sich am Samstag in Marzahn versammelt hatten.
Mit Schalmeien-Orchester begrüßt
Krenz erwies sich als gewiefter Redner: „Freundschaft“ rief er am Anfang. Damit hatte er die Genossen, die schon beim Betreten des Hauses mit Marsch-Klängen eines Schalmeien-Orchesters auf DDR eingestimmt worden waren, auf seiner Seite.
45 Minuten lang breitete Krenz sein Weltbild aus. „Wir glorifizieren die DDR nicht“, sagte er, um es dann in weiten Teilen doch zu tun. Sie sei 1989 nicht pleite gewesen. Vom Westen „übernommen“, sei der „Ellenbogen“ im Osten eingekehrt, habe eine „gerechte, friedliche und vernünftige Welt“ geendet.
Die DDR und damit ihre Bürger würden „degradiert“. Der Artikel 1 des Grundgesetzes („Die Würde des Menschen ist unantastbar“) müsse auch für einstige MfS-Mitarbeiter gelten. Großer Beifall.
Überhaupt habe der Osten wegen der gegenüber dem Westen viel höheren Reparationen den schlechteren Start nach 1945 erwischt. Das Publikum nahm hin, dass diese Aussage nicht recht zu Krenz’ Lob der Sowjetunion als starkem Partner der DDR passte, hatte doch die UdSSR die Industrie demontiert.
Egon Krenz: Zukunft gehört dem Sozialismus
„Weltniveau“ hätten viele Kombinate gehabt, sagte Krenz und lobte die angeblich von der Treuhand zerschlagene DDR-Wirtschaft. Um im gleichen Atemzug zu beklagen, dass die westliche Embargo-Politik die DDR vom Fortschritt im Kapitalismus abgeschnitten habe. Dem bescheinigte er keine Zukunft, die gehöre dem Sozialismus, „auch wenn wir das wahrscheinlich nicht mehr erleben“.
Die Mauer relativierte Krenz, der bis 2003 wegen der Mauertoten knapp vier Jahre Haft – vorwiegend im offenen Vollzug – abgesessen hatte. Es gebe neue Mauern, zum Beispiel zwischen Nato und Russland. Obwohl es in der DDR Menschen gegeben habe, „die sich nicht so wohl gefühlt haben“, und es „leider auch Opfer“ gab – „so sehr ich sie bedauere“, sei die DDR doch ein Aufbruch in ein Land ohne Krieg und Krisen gewesen. Die Bundesrepublik dagegen habe Kriege geführt. sei Schuld an der Teilung. Bravo-Rufe am Ende, als er sagte: „Wir lassen unser sinnvolles Leben nicht in den Schmutz ziehen.“
AfD-nahe Gegendemo
Das sahen einige Demonstranten, offenbar aus dem Kreis der AfD, anders: In DDR-Uniformen standen zum Beispiel zwei ehemalige Grenzer vor einer Mauerattrappe, Jürgen K. (61) hielt ein Pappschild hoch: „Ich sollte auf Flüchtlinge schießen.“
Er finde es unmöglich, dass die DDR glorifiziert werde. Bernd Pachel (59): „Die sollen machen, was sie machen, aber nicht widerspruchslos im Bezirk, der sonst zum Synonym für die Ewiggestrigen wird.“