Eigenbedarfs-Kündigung in Berlin: BGH entscheidet - Junge Familie gegen kranke Seniorin: Über-80-Jährige soll ausziehen
Berlin/Karlsruhe - Wie weit reicht der Schutz der Mieter vor Eigenbedarfskündigungen des Vermieters? Über diese Frage entscheidet an diesem Mittwoch der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Konkret geht es dabei um einen Fall aus Berlin, bei dem der Vermieter die Wohnung einer inzwischen über 80 Jahre alten Frau für sich beansprucht. Die Mieterin lebt seit 1974 in ihrer etwa 73 Quadratmeter großen Dreizimmerwohnung, die sie gemeinsam mit ihren zwei erwachsenen Söhnen bewohnt.
Junge Familie braucht mehr Platz
Im Jahr 2015 erwarb der Vermieter die Wohnung und erklärte kurz darauf die Kündigung, da er die Wohnung selbst nutzen wolle. Der Vermieter lebt mit seiner Ehefrau und seinen inzwischen zwei und vier Jahre alten Kindern selbst zur Miete in einer 57 Quadratmeter großen Zweizimmerwohnung.
Langfristig sei geplant, die Wohnung der älteren Dame mit der benachbarten, etwa 65 Quadratmeter großen Wohnung zu verbinden. Diese hat der Vermieter ebenfalls erworben und das dort bestehende Mietverhältnis bereits gekündigt.
Vorinstanzen bestätigten Eigenbedarf, aber aus Härtegründen darf die Seniorin in der Wohnung bleiben
Die Vorinstanzen haben die Eigenbedarfskündigung des Vermieters für wirksam erachtet. Das Landgericht hat aber - anders als noch das Amtsgericht - im Berufungsverfahren die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage abgewiesen. Es ging davon aus, dass ein Härtefall vorliegt, und verlangte, dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortgesetzt wird. Dabei seien unter anderem das hohe Alter der Mieterin und eine attestierte Demenzerkrankung zu berücksichtigen. Außerdem seien die mit der langen Mietdauer einhergehende Verwurzelung der Frau in ihrer Wohngegend sowie die Schwierigkeiten bei der Beschaffung von bezahlbarem Ersatzwohnraum in Berlin zu bedenken.
Dem Interesse des Vermieters als Eigentümer der Wohnung komme zwar erhebliches Gewicht zu. Vorliegend sei aber zu seinen Lasten festzustellen, dass der Eigenbedarf bereits bei Erwerb der Wohnung absehbar gewesen sei. Der Vermieter habe zudem von vornherein damit rechnen müssen, dass die Mieterin im Fall der Kündigung eine nicht zu rechtfertigende Härte geltend machen würde. Mit der Revision vor dem BGH verfolgt der Vermieter die Räumungsklage weiter.
Der Berliner Mieterverein (BMV) erklärte, er hoffe, dass sich der BGH dem Urteil des Berliner Landgerichts anschließe und die Kündigung gegen die Mietpartei zurückweise. „Die durch den Eigenbedarf nicht zu rechtfertigende Härte müsste eigentlich schon Anlass genug sein, die Kündigung zurückzuweisen“, sagt BMV-Geschäftsführer Reiner Wild.
„Hohes Alter, eine schwere Erkrankung, die tiefe langjährige Verwurzelung in der Wohnumgebung und die geringfügigen Chancen, mit niedrigem Einkommen eine Ersatzwohnung zu finden - ein Mehr an sozialer Härte ist kaum denkbar“, argumentiert Wild. Dass der kündigende Vermieter beim Erwerb der Wohnung von den Härtegründen wusste, sei nur das I-Tüpfelchen, um sein Verlangen nach der Wohnung zurückzuweisen.