„Ein Klinikbett darf nicht mehr so viel Energie verbrauchen wie vier Wohnhäuser“
Berlins Krankenhäuser sollen klimafreundlich werden. Der Senat gibt dafür 30 Millionen aus. Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel sagt, was mit dem Geld passiert.

Berlin investiert mehr Geld in seine Krankenhäuser. Das sieht der Haushalt der Koalition aus SPD, Grünen und Linkspartei vor, der an diesem Donnerstag im Abgeordnetenhaus verabschiedet werden soll. In diesem und dem kommenden Jahr gehen insgesamt rund 182 Millionen Euro an den landeseigenen Konzern Vivantes, weitere 394 Millionen Euro an die nicht-öffentlichen Krankenhäuser. Außerdem sollen Berlins Kliniken klimafreundlicher werden: 31 Millionen Euro gibt es dafür über vier Jahre. Green Hospital heißt das Programm. Was es bewirken und wie es funktionieren soll, erklärt Silke Gebel, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus.
Frau Gebel, was haben Patienten davon, wenn das Krankenhaus, in dem sie behandelt werden, klimafreundlich aufgestellt ist?
Krankenhäuser haben einen enormen Energiebedarf. Wenn die Energiekosten so massiv steigen, wie sie es derzeit tun, haben die Krankenhäuser ein Loch in ihrer Finanzierung. Das geht dann zulasten sozialer Ausgaben. Das müssen wir verhindern. Für die Behandlungskosten kommen in Deutschland die Krankenkassen auf, in die Gebäude, die Infrastruktur investiert das jeweilige Land. Doch eine energetische Modernisierung ist finanziell nirgendwo abgebildet. Deshalb ein Förderprogramm Green Hospital.
Um welche Größenordnungen geht es?
Es geht darum, dass pro betriebenem Klinikbett im Jahr nicht mehr so viel Energie aufgewandt werden muss wie umgerechnet für vier Einfamilienhäuser. Wir müssen uns fragen, wie es gelingen kann, dass der Betrieb eines Krankenhauses nicht mehr so viel Energie verschlingt wie ein kleines brandenburgisches Dorf.
Wie geht das?
Manche Berliner Krankenhäuser haben schon viel dafür unternommen, zum Beispiel Wärmepumpen installiert. Andere haben noch ein gutes Stück Weg vor sich. Wir werden nach dem Stakeholder-Prinzip verfahren, um den jeweiligen Bedarf der Krankenhäuser zu ermitteln und Ideen für klimafreundliche Maßnahmen umzusetzen.
Stakeholder-Prinzip?
Wir werden verschiedene Berliner Institutionen zusammenbringen, die alle mit dem Thema Klimaschutz im Gesundheitssystem befasst sind. Dazu gehört die Berliner Krankenhausgesellschaft genauso wie zum Beispiel die Berliner Energieagentur oder der BUND.
Sie stehen also ganz am Anfang?
Wir starten das Green-Hospital-Programm in diesem Sommer. Wir schaffen zwei neue Stellen in der Gesundheitsverwaltung, die das Programm aufsetzen und betreuen.
Slike Gebel: „Kein Bundesland hat ein vergleichbares Programm“
Gibt es Vorbilder, an denen sich Berlin orientiert?
Ich kenne kein Bundesland, das ein vergleichbares Programm hat. Aber es gibt zum Beispiel das Netzwerk „Global Green and Healthy Hospitals“. Es geht darum, den ökologischen Fußabdruck von Krankenhäusern zu reduzieren. Aber auch Maßnahmen wie gesundes, regionales Essen oder die Förderung des Radfahrens – als Maßnahme zur Gesundheitsprävention für die Beschäftigten und gleichzeitig als Beitrag zum Klimaschutz – können dazugehören.
Was unternimmt die Bundesregierung?
Das Bundesumweltministerium hat seit 2014 ein Programm namens KLIK – Klimaschutz in der Klinik. Darüber werden unter anderem Klimaschutz-Managerinnen und Manager bezahlt. In Berlin sind mehr 20 von ihnen im Einsatz.
Was ist ihre Aufgabe?
Sie schauen, was sich konkret in jedem Krankenhaus für den Klimaschutz verbessern lässt und sollen auch Maßnahmen planen und umsetzen.
Gibt es noch keine solche Bestandsaufnahme?
Bisher existiert kein gemeinsamer Sachstand, weil es in diesem Bereich bei den Verantwortlichkeiten und der Finanzierung eine Lücke gab. Land und Krankenhäuser werden nun gemeinsam diesen Weg gehen.
Ist dem Gesundheitssystem geholfen, wenn man Klimaschutz nur in Krankenhäusern forciert?
Die Hitzetage nehmen zu und sind eine reale Gefahr für die Gesundheit. Sie können lebensbedrohlich sein. Konsequenter Klimaschutz in allen Bereichen ist Gesundheitsschutz. Es muss klar über das Krankenhaus hinaus immer darum gehen, die beste gesundheitliche Versorgung der Menschen zu erreichen. Dazu müssen wir Prävention und ambulante Versorgung mit den Krankenhäusern stärker verzahnen. Denn wenn wir ehrlich sind, brauchen viele Menschen kein Krankenhaus, sondern eine Anleitung, um gesund zu bleiben.
Warum ist das so?
Finanzielle Anreize für Prävention und die Verzahnung des stationären mit dem ambulanten Bereich sind kaum oder gar nicht vorhanden. Angesichts der Pflegekrise brauchen wir dringend eine Debatte auf Bundesebene darüber, wie wir das Gesundheitssystem neu, stärker vom Menschen her gedacht, aufstellen. Berlin wird seine Stellung mit der Charité und Vivantes als den beiden größten Klinikkonzernen Deutschlands dafür einsetzen.
Die zunehmende Hitze trifft nicht alle Berliner gleich hart. Wie bekommt man sozial gerechte gesundheitliche Prävention in Zeiten des Klimawandels hin?
Der Umweltatlas für Berlin zeigt, dass dort, wo die Mieten besonders günstig sind, häufig versiegelte und wenige begrünte Flächen vorherrschen. Die gefühlten Temperaturen sind in diesen Bereichen deutlich höher. Das heißt nichts anderes, als dass Menschen, die nicht viel Geld für Wohnen ausgeben können, in Gebieten mit einem erhöhten gesundheitlichen Risiko leben – durch Hitze, Straßenverkehr und die damit zusammenhängende Feinstaubbelastung. Wir Grünen wollen zum Beispiel die Grünflächen in solchen Gebieten ausweiten.
Wie soll das gehen angesichts einer zunehmenden Verdichtung von Arealen für Wohnungsneubau?
Wir haben einen Grünflächen-Ankauf-Fond aufgestellt und jetzt noch einmal erhöht. Von dem Geld erwerben wir strategisch Brachflächen und machen sie zu Parks. Wir haben 30 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt, um Durchgangsverkehr aus bestimmten Kiezen herauszuhalten. Mit Kiezblocks, mehr schattigen Plätzen zum Verweilen im öffentlichen Raum und einer flächendeckenden Versorgung mit Trinkbrunnen wollen wir lebenswerte Kieze für alle schaffen.